Berechnung der Beobachtung zu 1555 Meter = 4787 Par. Fuss.
Nimmt man von hier an bis zur Spitze gering gerechnet nur
200 Fuss, so hat man für den Gipfel des Monte nero 4987, in
lunder Zahl 5000 Par. Fuss. Auch meine Herren Begleiter
kehrten wegen Ungunst der Witterung noch vor Erreichung
ihres Zieles um, und bald waren wir wieder vereiniget, um zusammen
den Rückweg zur Casa inglese theilweise über andere
Felsenkämme und Waldstrecken anzutreten. Hatte das Gestein
uns schon im Ansteigen des Berges dort und da einzelne Petre-
facten gezeigt, so wurden uns diese hier noch in einem reichlicheren
Masse dargeboten, leider aber in einem Zustande, der
zwar in einigen Fällen die Gattungsbestimmung, keineswegs
aber die genaue Artbestimmung zulässt. Im Gan zen waren
Hippuriten vorherrschend (Capnnella, Radiolites und Iiiradio-
lites) dazu eine vielleicht neue Art von Nerinea und Stephano-
coenia u. s. w. und es lässt sich voraussehen, dass eine sorgfältige
Durchforschung eine recht schöne und mannigfaltige Ausbeute
geben dürfte.
Auf eben diesem Rückwege hatten wir zugleich Gelegenheit
Strecken des dichtesten Bestandes, des tiefsten Vrald-
dunkels zu betreten, wo die Axt sicherlich noch nie Lichtungen
vorgenommen hat. Wie grossartig ist dieser Anblick!
wie sehr gleicht er dem Bilde der ursprünglichen Schöpfung,
das nur in wenigen Punkten unseres entwilderten Euröpa’s mehr
vorkommt! Noch mehr an Lebendigkeit gewann dasselbe durch
den Umstand, dass vielleicht wenige Wochen vorher ein Sturm
grosse Verwüstungen anrichtete. Ganze Reihen der stärksten
markigsten Stämme waren wie Grashalme abffeknickt und lasren_
ein trauriges Bild irdischer Grösse — mit ihren stolzen, himmelanstrebenden
Häuptern der Erde gleich. Es machte uns nicht
venig Mühe, über das Gewirre von zersplitterten Stämmen,
abgebrochenen und noch emporragenden Ästen, abgeschundenen
Felsstücken u. s. w., die beinahe einen undurchdringlichen
Verhau bildeten, hinweg zu kommen. So erreichten wir endlich
durchfi oi en, aber reich mit Mineralien, Petrefacten und Pflanzen
beladen, für die meine mitgenommenen Taschen und Säcke kaum
mehr ausreichten, wieder die Casa inglese, die uns einige
Erholung versprach. Herr Sa n d e r s hatte in der klugen Voraussicht,
dass eine angestrengte Bergbesteigung das Bedürfniss nach
Erfrischung erhöhen würde, alles eingerichtet, um unseren Wünschen
zuvorzukommen. Kaum aus dem Waldesdunkel hervortretend,
gewahrten wir als das lieblichste Zeichen, das uns hier
begegnen konnte, den hoch aufsteigenden Rauch an der friedlichen
Hütte, jetzt von einem freundlichen Blicke der Sonne
belächelt. Nach echt phäakiseher Sitte drehte sich da im Schatten
der Tannen ein prachtvolles Spannferkel am hölzernen Spiesse
herum, die Schwarten schon gebräunt, — eine wahre Lust selbst
dem weniger Nahrungsbedürftigen. Kaffee, Eier, Kuchen, Geflügel
und was sonst unseren verwöhnten Gaumen gut dünkt, ja
gewiss viel mehr als König Alkinoos einst dem schiffbrüchigen
Odysseus bieten konnte, war vorbereitet, und dazu fehlte weder
erfrischendes aus einer nahen Cisterne geschöpftes Wasser, noch
der feurige Cephalonier-Wein. Hatte der unvergleichliche Naturgenuss
im Waldesdunkel unsere Seele schon gehoben und mit
Zaubermacht in die heimatlichen Wälder des Nordens versetzt,
so vollendete die Glut des trefflichen Weines die Begeisterung,
und es war nicht zu verdenken, dass, ungeachtet der wolkenbewegende
Zeus uns von seinem einstmaligen Throne — der
Spitze des Aenos *) — abwehrte, wir ihm dennoch für so viele
geschenkte Gunst eine Libation brachten.
Welche Rundschau von einer steilen 5000 Fuss hohen,
wenigstens an der Südseite fast unmittelbar aus dem Meere sich
erhebenden Bergesspitze einer Insel, nicht ferne vom Festland
einerseits und umgeben von kleineren Inseln andererseits, sich
entfalten mag, lässt sich denken. Ich verweise auf eine warme
Schilderung dieses Panorama’s in dem mehr erwähnten Büchlein
Ab. Mo u sso n ’s**). Zugleich wird es aber begreiflich, wie diese
*) Nach S t r a b o n stand an f d e r Spitze ein A ltar des J u p i t e r Ae n e s i u s , wie sich in
Griechenland auf mehreren Berghohen Altäre und Tempel des Ju p ite r befanden, so z. B.
au f dem 2700 F u s s hohen Apesas im Peloponnes, de r Tempel des Z e u s A p e s a n t i o s u. a. ra.
Noch je tz t finden sich an je n e r Stelle Knochentrümmer, wahrscheinlich von den geschlachteten
Opferthieren. Proben davon, die m ir H e rr S a n d e r s mittheilte, enthielten u n ter ändern nach
Prof. H y r t l ’ s bestimmter Versicherung auch Knochen vom Schweine.
**) Ein Besuch au f Corfu und Cephalonien im. S eptember 1858, p. 48. .