than. V ie in unserem Gebirgslande *) waren auch hier die
Fenster und Thüren der Häuser mit Blumen, zu Sträussen und
Kränzen gebunden, geschmückt.
Es sah wahrhaft festlich aus. Mich lächelte der nachlässig
in den Hohlziegeln des Daches über der Thüre steckende Strauss
aus Feldblumen (Mohn, Weizenähren, Lonicera balearica, Con-
volvulus silvaticiis WK. mit einer Zwiebel) ganz bedeutsam an
und liess mich an diesem Beispiele wieder erkennen, wie gewisse
Sitten und Gewohnheiten, deren Bedeutung längst verloren
gegangen ist, sich über die verschiedensten und entferntesten
Völkerschaften verbreitet haben und mit einer Zähigkeit haften,
die durch kein Mittel der Cultur zu entfernen sind.
Erst um die Mittagszeit zogen wir nach unendlich langwierigem
weit ausholendem Kreisgange über die Euriposbrücke
in die alte von der Zeit und von Erdbeben erschütterte Festungsund
zugleich Hauptstadt von Eubcea ein. Hier hat die seit einiger
Zeit in’s Leben getretene Dampfschifffahrt nothwendig ein Hôtel
erschaffen, wohl so ursprünglich wie die ersten Thiere und
Pflanzen der silurischen Periode. Doch, was sage ich, es gab ja
schon ein Lavoir, ja selbst einen Spiegel, der freilich an den
Ecken des Rahmens noch mit demselben Schutzpapier behaftet
war, mit dem es seine weite Reise von dem civilisirten Europa
hieher machte. Wahrscheinlich hält man diese Papierschlingen
hier noch für einen nothwendigen Bestandtheil des Spiegels.
Chalkis steht auf Serpentinfelsen, die hier einen deutlich
geschichteten häufig auch von Höhlen durchzogenen Hippuriten-
Kalkstein durchbrachen. Die Strömung des Meeres zwischen dem
Festlande und der Insel, welches an dieser Stelle so schmal ist,
dass es überbrückt werden könnte, ist das Interessanteste, was
dem Nuturforscher aufstösst. Ich fand sie um halb 8 Uhr Nachmittags
von Norden nach Süden gehend mit 2 Fuss Geschwindigkeit
per Secunde, um 6 Uhr Morgens umgekehrt von Süden
fest am Leibe angeschlossen wird. Z u r Verzierung ist ein Lappen als Vortuch angebracht
und eben so ist der Kopf durch ein Tuch geschützt, dagegen die Pä sse bar. Am zierlichsten
stehen die zwei langen über den Kücken herabhängenden Zöpfe.
*) Unger’s botanische Streifzüge I I I . Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften,
Bd. XX III, p. 303.
der Richtung und der Geschwindigkeit in 24 Stunden viel häufiger
und sogar unregelmässig. Über die Ursachen dieser so
merkwürdigen Bewegung können uns nur sorgfältig durch
längere Zeit fortgesetzte Beobachtungen Aufschluss geben; ja
Herr Director S c hmid t wäre ganz der Mann das Problem zu
lösen, wenn er sich bequemte, einmal durch längere Zeit seinen
Aufenthalt hier zu wählen, denn sonst würden wir wohl noch
eben so lange darauf zu warten haben, wie bisher.
Damit wir uns am ändern Tage Morgens nicht etwa zu spät
von unserem Lager erhöben, war von Gassenjungen und Hundeheerden
Sorge getragen, die es die ganze Nacht hindurch an
Wechselgejohle nicht fehlen Hessen. Den 2. Mai (der 14. nach
unserem Kalender) war Jahrmarkt in der Stadt und wir konnten
uns um 6 Uhr Morgens durch das Gewühl von Menschen und
Thieren, durch die alle Wege verengenden Buden und Auslagen
der Verkaufsgegenstände nur mit Mühe hindurchwinden.
Sobald wir die grossartige in Bogen daherziehende alte
venetianische Wasserleitung im Rücken hatten, waren wir so zu
sagen wieder im freien Lande. Das Dörfchen Amp e l i , von
Weingärten, Getreidefeldern und Ölgärten umgeben, machte
der sichtlichen Vernachlässigung wegen, welche der Boden
während der türkischen Herrschaft erfuhr, nur einen betrübenden
Eindruck und liess kaum ahnen, dass sich im Alterthume
hier ein wahres Paradies ausbreitete. Noch trauriger und Entsetzen
erregender waren die einem Klippenmeere gleichenden
Hügel, durch die wir zu reiten hatten, um in das Thal des von
Osten herkommenden Flüsschens zu gelangen. Das sandige
breite Flussbeet, welches zur Zeit der Winterregen namhafte
Mengen Wassers enthalten mag, war jetzt ohne einen Tropfen.
Aber kaum gewahrte man an den blühenden Büschen des Oleanders
und des zierlichblätterigen Vitexstrauches, die hier die
Ufer einsäumten, dass es ihnen an Nahrung fehle.
Allmählich wurde das offene weite, hie und da mit Getreide
bebaute Thal enger, die Kalkfelsen in grottesken Formen
rückten näher und breitschirmige Seestrands - Kiefern (Pinus