den Charakter. Eines Umstandes muss ich bei dieser Gelegenheit
Erwähnung thun, weil er für die Pflanzengeographie nicht
ohne Interesse ist. Aus dem die ganze Gegend beherrschenden
Kalksteine brechen hie und da beträchtliche Gypslager hervor,
so bei Palaeöcastrizza und bei Lacones. Ich war begOi erigO: zu erfahren,
wie die Veränderung der Bodenunterlage auf die Vegetation
Einfluss nimmt, war aber sehr erstaunt, keine einzige
Pflanze, ja nicht einmal eine Steinflechte auf dem krystallinischen
Gypse zu finden, die nicht ebenfalls auf dem Kalke vorhanden
gewesen wäre.
Die vorgerückte Zeit erlaubte uns nicht mehr den berühmten
„Albe ro g r a n d e “ — vermuthlich das letzte Prachtexemplar
einer Steineiche — aufzusuchen, der noch jetzt das Ziel städtischer
Landpartien bildet. Nachdem wir uns in St. P a n t a l e o n e
aus unserem mitgeführten Proviant ein wenig restaurirten,
bestiegen wir wieder unsere bis hieher gefahrene Kutsche und
lenkten auf der schönen Kunststrasse nach Sc r ip e ro zu. Nach
einem kleinen Aufenthalte bei den „Dotori“, der zum Sammeln
von Naturalien und Zeichnen verwendet wurde, erreichten wir
noch vor Einbruch der Nacht die Stadt. —
Sämmtliche bisher beschriebene Ausflüge auf der Insel
habe ich in Gesellschaft meines verehrten Reisegefährten Herrn
Professor Os. Sc hmid t gemacht, nur die einzige etwas länger
dauernde Excursion nach dem Südende der Insel war mir vom
Schicksal allein zugedacht. Mich leitete dabei der Gedanke,
gerade in diesem Theile der Insel, als dem weniger cultivirten,
den eigentlichen Végétationscharakter derselben kennen zu
lernen. Nur als ein rein zufälliges Ergebniss muss ich dabei die
Entdeckung eines reichen Petrefactenlagers betrachten.
Ich fuhr ziemlich früh bei heiterem Whtter ab und hatte in
einer Stunde den Fuss des Berges De c a erreicht. Hier hebt sich
die Strasse nach dem Süden der Insel in Serpentinen bis zur
Höhe des Dor fe s Deca , das an die emporragenden Kalkfelsen
wie ein Vogelnest angeklebt ist. Ich bestimmte dessen Höhe zu
622 ] 3ar. Fuss. Zerrissene Rauhwacke und Conglomerate wechselten
da in sonderbarer Weise. Das Conglomérat in aufrecht
stehenden Bänken ist aus vollkommen abgerundeten Geschieben
gebildet, die, indem sie immer kleiner werden, dasselbe in einen
Sandstein überführen. Den höchsten Punkt der Strasse nimmt
dieser graubraune, petrefactenlose Sandstein ein. Von da an aber
waltet wieder der Hornsteinkugeln einschliessende Kalkstein vor.
Die Aussicht von diesem Ubergangspunkte ist entzückend. Man
sieht weit durch ein etwas verschobenes Längenthal, beiderseits
von Bergzügen begrenzt und darüber hinaus den blauen Meeresspiegel.
Dieses Thal ist wenig cultivirt und trägt mehr als andere
Gegenden der Insel noch seinen originellen Charakter. Aber
ausser den angepflanzten Olbäumen und Cypressen hat jeder
Baumwuchs auch hier längst aufgehört und einer Gestrippvege-
tation Platz gemacht. Dieses Buschwerk, welches die ganze
Oberfläche des Bodens bedeckt, bald kleiner, bald grösser, bald
locker, bald dichter auftritt, ist nicht etwa wie in unseren Bergen
die Gebüsche von Betula viridis, Rhododendron hirsutum u, s. w.
von einerlei Strauchart zusammengesetzt, sondern stets in der
buntesten Mischung vorhanden. Am meisten betheiligen sich
dabei Pistacia Lentiscus und Pistacia Terebinthus, Quercus
coccifera, Phillyrea media , Myrtus communis, Arbutus XJnedo
\mi\.Arbutus Andrachne, ferner Crataegus Oxyacantha und Prunus
spinös a und stellenweise Tamarix gallica, Erica verticittata und
Erica arborea, letztere den Honigduft ihrer Blüthen weit umher
verbreitend. Selten haben viele krautartige Pflanzen in diesem
sich gegenseitig beengenden Gewirre von Asten und Sprossen
Platz und selbst die weidenden Thiere können sich nur mühsam
Bahn brechen. Der Charakter, der durch diese Buschvegetation
der Landschaft ertheilt wird, ist zwar eigenthümlich, nichts desto
weniger aber ursprünglich, da er nur eine Folge der Vernichtung
der früheren Wälder ist.
Obgleich keine directen Nachrichten über die früheren Zustände
der Insel vorliegen, so ist doch mehr als wahrscheinlich,
dass die Stein- und Kermeseiche mit der Seestrandskiefer, von
welchen allen noch verkümmerte Nachkömmlinge vorhanden
sind, sich einst in den Besitz des Bodens theilten. Die Einführung
des Olbaumes mag den Wald zuerst in engere Grenzen