V. Der Monte nero auf Cephalonia und
die cephalonische Tanne.
Für den Naturhistoriker und namentlich für den Botaniker
ist der Monte ne ro auf Cephalonia weitaus der interessanteste
Punkt der jonischen Inseln. Sein in die Wolken ragender und
durch ein halbes Jahr mit Schnee bedeckter Gipfel, umfluthet
von Meereswellen, lässt unter dem 38. Breitegrade solche eigentümliche
Verhältnisse des Naturcharakters vermuthen, dass es
wohl der Mühe lohnt, die man auf seine Besteigung' verwendet.
Dazu kommt noch, dass sich hier ein Stück Land aufrollt, dem
selbst eine dreitausendjährige Cultur, welche sich rings herum
breit machte, nichts anzuhaben vermochte. Die Beschwerlichkeit,
mit der die Entwaldung und die Nutzbringung des Holzes hier
■veibunden sein musste, hat diesem Theile der Insel noch seinen
uralten und ursprünglichen Schmuck, den Bergwald, erhalten.
Von diesem dunklen Nadelwalde, der wie ein Gürtel die obere
Hälfte des Berges umgibt, hat derselbe eben seiften gegenwärtigen
Namen erhalten, während wir ihn bei St r a b o nmi t
dem Namen Aenos bezeichnet finden.
Cephalonia ist im Ganzen ein gebirgiges Eiland; Ebenen
und Thäler gibt es eigentlich nicht, wenn man nicht Hügelland,
Schluchten und Mulden für dieselben nehmen will. Ein fester
rauher Kalkstein, der Kreideformation angehörig, bildet die
vorherrschende Gebirgsart, über welchen an der Westseite der
Insel bei Lixuri und Argostoli ganz junge kalkige und mergelige
Schichten in geringer Ausdehnung lagern. Der Kreidekalk bildet
daher die Hauptgebirgsmasse, welcher die Insel von Norden in
Süden der Mitte nach durchzieht und nahe dem südlichsten Ende
sich zu einem nahezu 5000 Par. Fuss hohen Gipfel, dem Monte
nero, aufthürmt.
Wenn man von Samo' nach Argostoli (den beiden Orten,
wo die Dampfer anhalten) wandert, so durchschneidet man die
Insel quer und muss daher auch über den Höhenzug setzen.
Die Kunststrasse, die beide Ortschaften verbindet, steigt in
' schönen Windungen an den Seiten tiefer Schluchten bis zu einer
Höhe von 2000 Fuss. Man ist hier dem Tannenwalde schon
ziemlich nahe und übersieht seine Ausdehnung, die an der Nordseite
viel weiter herabreicht als an der Südseite von dem tiefsten
Punkte bis zu den höchsten, doch ist es von hier aus nicht
möglich den Monte nero bequem zu besteigen. Man wählt dazu
einen Weg, der von dieser Verbindungsstrasse in der Nähe des
Dorfes F r a g a t a abgeht und über Val s am a ta in vielfachen
Serpentinen den Vorbergen des Monte nero zuführt. Das Kloster
St. Gerasimo bleibt dabei ein wenig rechts liegen.
Der Reisende, der zur Besteigung des Monte nero hinlänglich
Zeit zu verwenden hat, thut wohl, von Argostoli Nachmittags
den Ritt oder die Fahrt bis zu dem genannten Kloster zu machen,
wo er auf Empfehlung Unterkommen findet, um den folgenden
Tag der Besteigung des Berges zu widmen. Ich und mein Freund
Herr Dr. Os c a r S chmid t , in der Zeit beengt und keineswegs
durch die Witterung vollkommen begünstiget, zogen es vor
die Besteigung von Argostoli aus in einem Tage zu vollenden.
Dazu gehörte freilich, dass wir uns auf dem ganzen fahrbaren
Wege, der wohl vier Fünftheile der Entfernung der Spitze des
Berges von Argostoli betragen mag, einer Kutsche und guter
ausdauernder Pferde bedienten. Nur unter solchen Umständen
ist es möglich die ziemlieh anstrengende Tour in 15—17 Stunden
zu vollenden.
Wir beide sind dem Herrn Sa n d e r s , Bankdirector in
rgostoli, der mit den Localverhältnissen ganz und gar vertraut,
ein Freund dieser Bergpartie und ein besonderer Verehrer