Saline umgangen, so erhebt sich der Weg allmählich, von Stein-
und Kermes-Eichen, von Büschen dichter Phillyräen und Pistazien
umschattet. Gras tu r i liegt so in den Kalkfelsen verborgen, dass
es wie von Festungsmauern eingeengt scheint. Die reinlichen
und gut erhaltenen Häuser deuten auf einigen Wohlstand. Von
der Höhe hinter dem Dorfe hat man einen Überblick auf die
ferne Stadt und auf einen grossen Th eil der mittleren Insel, der
in der Abendbeleuchtung zu den schönsten gehört, die ich je
genossen habe. Ein ansehnliches Landhaus auf einem passenden
Bergvorsprunge hingestellt, hat das Glück Tag für Tag, Jahr
für Jahr, dies reizende Bild vor sich zu haben. Fast möchte man
die Steine darum beneiden!
Von diesem Punkte an wendet sich die Strasse und führt in
Zikzakwindungen an der Ostseite des Berges rasch zum Meere
hinab. Hier wird das Gestrüpp reichlicher und dichter; belaubte
Wipfel kräftiger Bäume ragen aus der Tiefe hervor und darüber
schwanken auf hohen Stämmen die Kronen herrlicher Pinien.
Auch an saftigen Kräutern fehlt es nicht, ja selbst auf mächtigen
Felsblöcken haben sich Rasen von Saponaria calabrica Guss,
angesiedelt, deren Purpurblüthe die Frühlingswärme eben hervorlockte
— ein prachtvoller Anblick, der mit dem Charakter der
Frische sicher auch den der Ursprünglichkeit verband. Um so
mehr fiel mir hier ein verlassenes wohl gebautes Landhaus auf,
das nun schon zur halben Ruine geworden ist; ich ward aber mit
dieser seltsamen Erscheinung bald vertrauter als ich nach dem
Süden der Insel und nach Ce p h a lo n i a kam, wo ich auch halb
fertig gewordene Häuschen dem Verfalle Preis gegeben fand.
Auf meine Fragen gab man stets zur Antwort „il padrone di
easa e morto“.
Aus der Gegend von Gasturi erhält Corfu sein Trinkwasser.
Bei dem grossen Wassermangel, welchem die reich bevölkerte
Stadt alljährlich zur Sommerszeit ausgesetzt war, ist es kein
geringes Verdienst der englischen Ob er Vormundschaft, dieselbe
mit frischem Quellwasser versorgt zu haben. Die Wasserleitung
hat eine Erstreckung von nahezu eine r geographischen Meile,
bis sie die Stadt erreicht. -
Das Fischerdorf B eniz e, zu dem man am Fusse des Berges
gelangt, ist allerliebst, auch abgesehen von seinen Orangengärten,
die ihm ohnedies einen paradiesischen Anstrich geben
würden. Der Abend war zu lau und die Winde spielten zu kosend
mit dem Detritus des Gestades, als dass man der Einladung den
Nachen zu besteigen nicht Folge geben sollte. Bald blies ein Lüftchen
das Segel voll und nun schwanden schnell die von Fluthen
ausgewaschenen Kalkfelsen, eine um die andere. In kurzer Zeit
erreichten wir den bekannten Ulyssesfels und legten an der
Landzunge an. Auch der Mond zeigte sich gefällig und leuchtete
uns nach der Stadt, wo noch alles auf der Esplanade der Frische
des Abends genoss und ich mich überdies noch der blitzenden
Funken der Leuchtkäfer (Lampyris italica) erfreuen konnte. So
war der Nachmittag des 3. April verlebt, ich möchte vielmehr
sagen — verträumt.
Die Insel Corfu hat ausser vielen niederen zwei höhere
Be rge , die sich zwei bis dreitausend Fuss über das Meer erheben;
der eine, nämlich der höhere, St. Salvator, von der auf
der Spitze befindlichen Kirche so genannt, oder navTozpccrwp,
gehört dem nördlichen, der niedere Monte De c a dem von
diesen rechtwinkelig abzweigenden südlichen Gebirgssysteme an.
Zu beiden wird der rüstige Wanderer wohl nicht versäumen
einen Gang zu unternehmen. Ich bedaure es sehr, dass die Ungunst
des Wetters die Excursion auf den kahlen 2900 Par. Fuss*)
hohen P a n t o c r a t o r vereitelte. Eine Schilderung desselben
findet der Leser in L i eb e t r u t ’ s Reise, der eine Nacht auf dieser
Bergspitze unter Hunderten' von Wallfahrern zubrachte. Da
dieser Berg von Corfu etwas entfernt liegt, so thut man wohl,
die Reise bis zu dessen Fusse in einer Barke zu unternehmen.
Vom Landungsplätze erreicht man den Gipfel über Sign es in
zwei Stunden. Bequemer lässt sich die Besteigung des Monte
Deca, dessen Höhe meinen Messungen zufolge 1786 Par. Fuss
beträgt, ausführen, da bis Apo Ga r u n a eine wohlgebahnte
Strasse führt, von wo aus sich der letzte ebenfalls kahle Felskopf
*) Nach einer Barometermessung von T i 11 i ng, m itgetheilt von D r. J o s c h .