auch alle Spuren des ehemals sprichwörtlich gewordenen Segens
verschwunden sind. Palästina hat keine hohen Gebirge; es
konnten sich also hier nicht wie in Griechenland und Syrien
die Reste seiner früheren Vegetation in jene vor der Barbarei
sicheren Schlupfwinkel zurückziehen. Mit der Vernichtung der
Wälder der niederen Berge und Ebenen *) musste hier die
Erscheinung übermässigen Sonnenbrandes und Mangel an Feuchtigkeit
tim so fühlbarer werden. Wir lassen es dahingestellt, ob
in der That der Hauptfluss des Landes, der durch bewaldete
Thäler strömende Jordan, seit jener Zeit an Fülle des Wassers
eingebüsst habe. Wahrscheinlich ist es allerdings, aber irrig ist
jedenfalls die Meinung, dass in den benachbarten einst so gesegneten
Ländern des Euphrat und Tigris die Wassermenge jener
Flüsse bedeutend abgenommen und dadurch die einst so blühenden
Culturstaaten Mesopotamien, Assyrien und Babylonien nunmehr
zu einer Wüste geworden seien.
Die Sache verhielt sich in diesen Ländern wie in Ägypten.
Nur durch Jahrtausende andauernden Fleiss in Anlegung von
Dämmen, Canälen, Becken und Abzugsleitern, wodurch die
grossen Pharaonen des Reiches Wohlstand begründeten, ist der
fruchtbare Boden des Nilthaies gegen die stetig ankämpfende
Wüste Sieger geblieben und hat sein Territorium sogar dahin
noch ausgedehnt. Mit der Erschlaffung der Kraft ist die umgekehrte
Wirkung eingetreten, die wir noch jetzt beim Verfall und
Vertrocknung der Canäle u. s. w. im Fortschritt begriffen sehen.
So wie die Wassermasse des oberen Nils durch Jahrtausende
ihre segenreichen Fluthen Ägypten unveränderlich zusendet,
so sind es die Hochgebirge Armeniens, die auch jetzt noch wie
einst ihre Wasser den unteren Stromthälern zusenden. Aber es
fehlt auch hier an Fleiss und Beharrlichkeit. Die einstigen Verbindungscanäle
beider Ströme und andere Abzugsgräben und
Flussbauten, alle verschlämmt und versandet, liegen im Trockenen.
Das Ackerland durstet vergeblich; statt der Weizenfelder
*) S t r a b o n sp richt von Fichtenwäldern von Basan und von einem „ingens sylva“
südlich von Acca in der Nähe des Carmel (Gr. 16). — Um Sichern zu v e rb rennen, zerstörte
Abimelech den "Wald umher.
und Palmenhaine breiten sich Steppenkräuter über den unfruchtbar
gewordenen Boden aus. „Nur die Wasserbäche Babels haben
einst das dürre Land getränkt und in einen Fruchtgarten verwandelt“.
Ni c h t d u r ch di e Ve r ä n d e r u n g des Klima,
sondern durch die Sorglosigkeit der Völker und der späteren
Generationen sind die früheren Verhältnisse zurückgekehrt und
haben das Land wieder in das verwandelt, was es früher war, —
in eine Wüste *).
Weniger bekannt ist uns das Innere Kleinasiens; nur wissen
wir so viel, dass „die waldbedeckten Landschaften dieser Halbinsel“
ebenfalls in einer Weise ausgenützt sind, dass sich dadurch
die früheren Verhältnisse bedeutend ändern müssten**). Nur
der mächtige cilicische Taurus steht mit seinen Gebirgswäldern
noch in alter Herrlichkeit da und zeigt uns gleich dem Libanon,
wie wenig- wesentliche klimatische Veränderungen auch über
diese alten Culturlande hereingebrochen sein können ***). —
Wenn wir, wie ich glaube, aus dem Alterthume hinlänglich
Beweise dafür haben, dass der Orient in seiner ganzen
Ausdehnung bis zu den Steppen Persiens, Arabiens und den
oberen Nilländern ein durch seinen Waldreichthum der Cultur
äusserst zugänglichen Erdstrich bildete, wenn es andererseits
nicht geleugnet werden kann, dass auf dieser Schaubühne Jah rtausende
hindurch verschiedene Völker sich bewegten und die
Mittel ihrer Existenz mit der Beschränkung des Baumwuchses
in der Ausbreitung der Nahrungs- und anderer Nutzpflanzen
suchten, — wenn wir ferner auch annehmen, dass der Waldstand
nicht immer mit gehöriger Schonung in den Grenzen des
Bedürfnisses zurückgedrängt wurde, so müssen wir doch darüber
staunen und es unbegreiflich finden, wie die Fortschritte der
Cultur und die Wogen des Bedrängnisses des Völkerlebens das
*) Schon H e r o d o t (I. 193) b eh au p tet, dass das Land (Mesopotamien) durchaus
keinen Trieb, keinen Feigenbaum, keinen Ölbaum, keinen Weinstock habe.
^ ) S t r a b o n e rzäh lt von Galatien: de r Senat d e r 12 Tetrachieu bestand aus 400
Männern, die in dem Drymetum sich versammelten (240 a. Ch.). —
Man betete einst zu r Kybeie, der grossen Mütter d e r Ph rygier u n ter hochragenden
Pinien, Fich en und Cypressen. F in e Platane von herv o rrag en d er Schönheit zierte Xerxes zu
Kelanse (in Phrygien) mit goldenem Schmuck und bestellte einen der U nsterblichen zum Hüter.
***) Dr. Th. Ko t s c h y , Reise in den cilicischen Taurus, 1858.