Phrixos dem Gotte opfern, aber ein Widder entführt ihn sammt
der Schwester Helle über das helle Meer in das Land der
Sonne. Der Regen kommt auch ohne Opfer, der Gott will es
nicht und die. Menschenopfer hören auf. Beide Kinder gebar ihm
die gute Wolkenmutter Nephele'. Es ist schwer sich in diese
physikalische oder meteorologische Vorstellung der damaligen
Zeit hineinzufinden, so viel geht aber daraus hervor, dass Regen
zur Sommerszeit als glückbringend und nothwendig. angesehen
wurden.
Wer kennt nicht, der Griechenland auch nur auf kurze
Strecken bereiste, die im Mittelgebirge allenthalben auftretenden
Rheumata, die trockenen mit Schutt und Steinen erfüllten
Bette, in denen die rasch vorübergehenden Regenschauer und
Gewitterstürme ihre plötzlich anschwellenden Wassermassen
den Thalgründen zusenden. Sie stehen mit dem Wechsel der
Trockenheit und des gewöhnlich heftigen Eintrittes der Regenperiode
in Verbindung und bilden so einen Charakterzug im
Klima des Landes, Auch aus dem grauesten Alterthume sind
uns in Form der Mythe dergleichen gewaltige Ergüsse des
wolkenversammelnden Zeus und die Bildung solcher Giessbäche
bekannt.’Die Seitenwände des Treton im Thale von Nemäa sind
von einer Unmasse von Höhlen durchlöchert, die im Winter
durch jäh herabstürzende Bergbäche gebildet werden. In einer
dieser Höhlen hauste der berühmte nemäische Löwe, dessen
Erlegung die alte Sage unter den Thaten des LIerakles erzählt.
Die heutige Mythenerklärung, sagt He t tn e r , erblickt in dieser
That des Herakles nur die mythische Spiegelung einer geregelten
Dämmung und Leitung der wildströmenden Regenwässer. Der
rieüiäische Löwe ist der Sohn des Typhon — des Unwetters.
Etwas Ähnliches gilt auch von vielen Flüssen Griechenlands,
die im Sommer in der Regel trocken liegen. So führt unter
ändern der Hauptfluss der ärgeischen Ebene, der Inachus, so wie
der sich von Westen mit ihm vereinigende Choradros, die beide
aus dürren und kahlen Bergen kommen, nur während der Regenzeit
Wasser, den grössten Tlieil des Jahres sind sie trocken und
keineswegs von Kräutefn und Sträuchern wie kleinere Flüsse
und Bäche umsäumt. Vi s c h e r *) bemerkt hiebei: „Und wenn
auch im Alterthume die umliegenden Berge noch mehr bewachsen
waren, so war doch die Beschaffenheit dieser Flüsschen
früher ungefähr die gleiche wie jetztu, wie das aus dem früher
angegebenen EjDitheton von Argos hervorgeht. Lucian sagt,
man sehe nicht einmal mehr das Bett des Inachos und Pausanias
musste die Behauptung aussprechen, es gebe wirklich Quellen
des Inachos.
So liessen sich noch viele Beispiele anführen, aus denen
hervorgeht, dass Gr i e c h e n l a n d schon u r s p r ü n g l i c h e in
wa s s e r a rme s La n d war, und sein Kl ima bi s j e t z t s i c h
da r in nicht we s e n t l i c h ände r t e .
Gehen wir auf einige spätere Einrichtungen des Alter-
thumes über, so bestätigen auch diese den eben ausgesprochenen
Satz. Hieher gehören vor allen anderen die Wasserleitungen.
Die Versorgung der Städte durch mehr oder minder
ansehnliche Wasserleitungen ist eine allgemeine durch ganz
Griechenland und gehört schon den ältesten Zeiten ihrer
Gründung an. Megara, die einst so blühende Stadt, erhielt
schon im Jahre 600 v. Ch. durch Tlxeagenes eine grossartige
W ass erleitung.
Athens Wasserleitungen, die eine aus unbekannten Quellen
am Pentelikon, die andere (Hagia Triada) eben so unbekannten
Ursprunges, eine dritte— Kallirhoe, im Flussbette des Ilissos
aus Quellen am Hymettus hergeleitet, gehen ihrer Entstehung
nach sicherlich in das graueste Alterthum zurück.
Auch Theben erhält durch zwei offenbar durch Kunst hinzugeleitete
Wasseradern, der Dirke und Ismene, sein Wasser.
Während diese einst so vielvermögende Stadt nun einem elenden
Dorfe gleicht, bestehen die alten Brunnenbauten fast noch in
ihrer ursprünglichen Gestalt aus pentelischem Marmor, und die
Barbarei zweier Jahrtausende hat an diesem Kleinode nichts
zu verändern vermocht.
Mit Wehmuth erfüllt den Wanderer der Anblick des einst
so wohl befestigten und so gut vertheidigten Platäa, von der nur
*) E rinne rungen und Eindrücke aus Griechenland. 1857. 8. p . 292.
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