der sich auf dieser Höhe -wunderbar entfaltenden Naturschönheit
ist, sehr verbunden, dass er sich unserem Vorhaben nicht nur
auf das zuvorkommendste anschloss, sondern sogar die Leitung
desselben übernahm. Dem zufolge bestiegen wir am 21. April
um halb sechs Uhr Morgens den Wagen, der uns schon um halb
acht Uhr in das Kesselthal von St. Gerasimo brachte. Die
Beschreibung dieses weitläufigen und wohlhabenden Klosters,
des ansehnlichsten der ganzen Insel, hat Herr Mousson, welcher
hier hei derselben Bergbesteigung übernachtete, sicher mit allzu
freundlichen Farben geschildert, so dass ich mich sehr enttäuscht
fand in diesem fast baumlosen aber sonst gut behauten Thale,
die keineswegs grossartigen sondern nur seltsamen Kirchen-
und Klosterhauten *) mit einer ganz prosaischen Papelallee eingeleitet
zu sehen. Das Thal erhebt sich gegen Süden muldenförmig
und lässt daher die Gewässer während der Regenzeit
nicht abfliessen, sondern sammelt sie an der niedersten Stelle,
welche dadurch zu einem Sumpfe wird. Nach und nach versickert
indess in dem zerklüfteten Gesteine das Wasser und hinterlässt
einen hinlänglich durchfeuchteten fruchtbaren Boden. Die arbeitsamen
Bewohner von Fragata und Valsamata haben mit vielem
Fleisse aber auch das noch benützt, was ihnen der beinahe
nackte Felsenhoden darhietet, welcher die Ebene von allen
Seiten umfasst und ihn theils in Feld, theils und zwar an der
Ostseite in Weinberg umwandelt. Aber ungeachtet die Häuser
der beiden Dörfer einigen Wohlstand bekunden, fehlt es den
Bewohnern doch an Dingen, die hei uns selbst der ärmste Bauer
kaum entbehren könnte. Es machte einen wahrhaft peinlichen
Eindruck, alle Leute in Lumpen und Fetzen herumgehen zu
sehen und statt den so kleidsamen Fes der Männer eine weisswollene,
unseren Schlafhauben ähnliche Mütze, und bei den
Weihern eine Anordnung der Haare, wie wenn Fledermäuse
darin genistet hätten, als Sonntagsstaat zu bemerken.
Von Valsamata steigt der Berg steil an und die Strasse
kann nur in oft wiederholten Schlangenwindungen zur Höhe
*) D a ru n te r äst d e r Glockenthurm nach A rt aller griechischen Thiirme- -das Auf fallendste.
emporgelangen. Trockene Giesshäche (RhewmataJ strecken ihre
Arme von allen Seiten in’s Thal herunter und nöthigen die
Strasse oftmals über ihre Vertiefungen zu setzen, was aber hier
zu Lande, wo der Giessbach nur ein paar Monate Wasser führt,
ohne Überbrückung leicht bewerkstelliget wird.
Natürlich kennt das Land eine Kunststrasse, die bis zu einer
Höhe von 3506 Par. Fuss führt, erst seit dem Regimente der
Engländer, die hier oben im Tannenhain sich ein recht trauliches
Plätzchen für ihre Sommerfrische ausersehen haben. Dahin war
nun auch zunächst unser Augenmerk gerichtet. Nachdem dieser
steile fast ganz vegetationslose Bergabhang, wo nur hie und da
ein zwergiges Pflänzchen zwischen Steinklüften so viel Schatten
und Feuchtigkeit findet, um durch einige Wochen sein Lehen zu
fristen, erklommen war, ging es auf dem Gebirgssattel etwas
weniger steil vorwärts. In den Felsmulden sprossten ärmlich
grüne Saaten, einzelne Büsche von Crataegus Oxyacantha und
Quercus coccifera tauchten dort und da auf, endlich erschienen
seihst staatliche Eichen als Vorposten des nahen Waldes, der
durch sein saftiges Dunkelgrün zum Verweilen einlud. Auf
grünen an unsere Alpenhöhen mahnenden Graspolstern ging es
immer näher dem Walde zu, endlich umfingen uns die ersten
Tiuppen mächtiger Tannen und die Umwandlung war wie durch
einen Zauberschlag geschehen. Ich kann diese Scenerie nur mit
jenen Gegenden des Karstes vergleichen, wo man aus der nackten
Steinöde plötzlich in den dunkeln Nadelwald, dessen Stämme
von unten bis zum Gipfel mit Epheu umsponnen sind, versetzt
wird.
Es war eben 10 Uhr als wir die Casa ingl e se, ein kleines
aber bequemes, aus Stein gebautes Häuschen mitten im Waldesdunkel
erreichten. Hier wurde Halt gemacht, ein improvisirtes
Frühstück genommen und alle Anstalten getroffen, um von hier
aus zu Fusse den Gipfel des Monte nero zu besteigen. Kaum
hatte ich so viel Zeit gewonnen, um Augen und Hände in den
Rasenplätzen und in den üppigen Moospolstern, die Fels und
Bäume bekleideten, schwelgen zu lassen. Die Schneedecke
mochte vielleicht erst seit einigen Wochen den Boden verlassen