gleiteten, genug innern Zusammenhang, dafs
der Künstler wohl wagen darf, ein zusammenhängendes
Gemälde daraus zu bilden. Po-
lygnot malte die Eroberung von Troja in der
Lesche zu Delphi, obwohl jm Entwurf sehr
verschieden, doch nach demselben Prinzip symbolischer
Anordnung, welche fast ganz mit der
des Basreliefs übereinstimmt, wie wir sie in
der weitesten Ausdehnung auf der Ilischen
Tafel angewandt finden.
H i e r an der äufsersten Seite zur Linken,
rettet A e n e a s seinen Vater A n c h i s e s vom Untergang;
sein Sohn A s k a n i o s geht ihm voran;
die Gattin, Kreusa, fehlt, sie war auf dem
Gemälde des Polygnot unter den Gefangenen
V Die drey Fliehenden schauen zurück
nach der unglücklichen Heimath und nach den
Scenen kriegerischer Wuth und grausen Mords,
die sich dort noch ihren Blicken darbieten.
Äneas trägt seinen Vater nicht auf den Schultern,
wie bey Virgil6), sondern hat ihn um
den Leib gefafst, auch führt er nicht, wie dort,
den Askanios an der Hand. Millin, durch seine
Zeichnung verleitet, glaubte des Anchises Haupt
mit einer Mütze bedeckt; man sieht aber hier
deutlich, dafs es nur von einer Binde, einem
Diadem umgeben, und Haupthaar und Bart glatt
geschoren sind, ohne Zweifel als Zeichen der
Trauer7). Der Arm, an welchem Millin.einen
Ring oder ein Band zu sehen glaubte, ist vom
Gewände bedeckt, und man sieht keine Andeutung,
dafs Anchises aufser der knotigen
Krücke auch die Penaten in der Hand trüge.
Durch die Falten am Nacken das Greisenalter
zu bezeichnen, hat der Künstler nicht vergessen.
Z u n ä c h s t liegt ein Krieger todt zu Boden
gestreckt; seine Wunde blutet noch. Es
ist K o r c e b u s , der Verlobte der Kassandra8).
Über ihn stürmt A ja x , der Sohn des Oileus,
dahin, und ergreift mit wildem Ungestüm
K a s s a n d r a , welche nackt, in eiliger Flucht,
sich vor dem Bilde der Minerva niedergeworfen,
und es angstvoll mit der Linken umfafst,
während sie Gnade flehend die Hand nach
dem VVütherich ausstreckt. Das Bild der
Göttin deckt sie mit seinem Schild und erhebt
den Speer gegen den, welcher alle Ehrfurcht
vor den himmlischen Mächten und der Unschuld
aufser Augen setzt. — W ie unser
Künstler den der verabscheuungswürdigen
That vorhergehenden Moment, so hatte Polygnot
den ihr folgenden gewählt, denn er
malte Kassandra sitzend am Fufse des Altars,
und das Bild der Göttinn auf dem Schoofse
haltend, während Ajax schwören mufs, dasselbe
nicht vom Altäre herabgerissen zu
haben 9). • Auf Vasengemälden und geschnittenen
Steinen, kommt ebenfalls die Un-
that des Ajax vor, aber zum Theil auf die
zurückstofsendste Weise in dem Momente
dargestellt, wo er die Jungfrau bey den Haaren
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