kein Irrsal und Mifsgeschick, wie lang und
schwer es auch gewesen, konnte schöner vergütet
werden als durch den Empfang, welchen
der Heimkehrende in diesem liebenden Vereine
findet. W ie nun Homer seine Kriegshelden
und ihre Kämpfe, Berathungen, Streite
und Spiele, stets bis in das geringste Einzelne
herab mit unermüdlicher Sorgfalt, aber zugleich
aufs Glänzendste und Prächtigste schildert: so beschreibt
er auch diese Scenen des häuslichen L e bens
so genau und wahr, aber dabey, ganz dem
Charakter des Gegenstandes angemessen, so
anspruchlos, dafs er selbst das Niedrige nicht
scheut, sobald es zur Vollendung des Gemäldes
nothwendig ist. Aber wie ein trefflicher
Maler, indem er sein Gemälde so täuschend
ausführt, dafs wir jeden, auch den unbedeutendsten
Gegenstand wahrzunehmen glauben,
doch nur das Bedeutende und Wichtige abbildet
und zur Hervorbringung eines einfachen
edlen Eindrucks vereinigt: so sind es auch bey
Homer nur wenige einfache, aber höchst charakteristische
und ausdrucksvolle Züge, womit
er uns an Ort und Stelle versetzt und in diesem
häuslichen Leben einheimisch macht.
E in solcher meisterhafter Charakterzug ist
unstreitig auch die Scene, wo Ulyfs den Hund
Argos im Vorhofe seines Palastes trifft, als er
zum erstenmal, in dürftiges Bettlergewand
verhüllt, an der Seite des treuen Hirten Eu-
mäos dort eintritt. Mit dem Hausthiere, das
ihm begegnet, ist er auf eigenem Boden, und
indem er von dem Hunde erkannt wird,
empfängt er gleichsam von den Erdgeistern
der lang verlassenen Heimath die Anerkennt-
nifs seines rechtmäfsigen Besitzes. Rührend
zugleich und das tiefste menschliche Gefühl
ergreifend, ist Homer’s Beschreibung |§
„Aber ein Hund erhob nun Haupt und Ohren vom Lager,
Argos, des duldenden Helden Odysseus, den er vordem selbst
Nährte, doch nicht genofs; denn zuvor zur heiligen Troja
Schifft’ er hinweg. Ihn führten die muthigen Jünglinge vormals
Stets auf Ziegen der Berg’, und flüchtige Hasen und Rehe.
Doch nun lag er verachtet, dieweil sein Herrscher entfernt war,
Auf dem gebügelten Dung, der ihm vor dem Thore des Hofes
Von Maulthieren und Rindern gehäuft lag, dafs ihn die Knechte
Führen, das grofse Gefild des Königes wohl zu düngen.
Dort la| Argos der Hund, von Ungeziefer umwimmelt.
Dieser, als er nunmehr den Odysseus nahe bemerkte,
Wedelte zwar mit dem Schwanz- und senkte herunter die Ohren;
Näher jedoch nicht könnt’ er zu seinem Herren hinan noch
Gehn: Er aber geheim bey dem Anblick, wischte die Thrän’ ab,
Leicht - verhehlt, vor F.n mäos. .und schnell befragter .ihn also.! U .S . w..
Nicht unpassend erinnert Eustathius hier an
das Sprüchwort: Gute Männer weinen leicht %
dieses weiche Gefühl beym Anblick seines
sterbenden Hundes läfst uns einen tiefen Blick
in das Herz des Helden thun.
Aber den Argos umfieng des dunkelen Todes Verhängnis
Gleich nachdem er Odysseus gesehn im zwanzigsten Jahre.
W ir liefern unsren Lesern drey Darstellungen,
wo Ulysses mit dem Hunde in verschiedenen
Situationen erscheint. Keine trifft
mit der homerischen Schilderung ganz überein.
Ulyfs in seiner Niedrigkeit, wie er als Bettler
im eigenen Hause für alle Schmach die er er-
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