ken? wird er nicht alles, was er schildert, mit
Licht und Glanz umgeben, um in seinen Träumen
für das Entschädigung zu finden, was er
in der Wirklichkeit entbehrt? Eben aus dem
Sehnen nach dem Sichtbaren, aus der unauslöschlichen,
doch mit dem leiblichen Auge nie
mehr von neuem zu erwerbenden Freude an
deni.,-i,&b©ödiget^—-Plastischen f*T!ieüclTEehden
der Erscheinung läfst sich bey Homer die
Umständlichkeit der Schilderungen, die Genauigkeit
der Ausmalung jedes Zugs, die be-
dächtliche, nie sich übereilende Entwicklung
jedes Charakters und jeder Situation erklären.
In diesem glühenden Gefühl für sinnlich©-Schönheit
ist aber Homer nur ein ächter Grieche,
öder Vielmehr dessen Typus. Darum auch die
bildende Kunst sicIT so innig mit seiner Poesie
verbandr und sie bleibt überall und für alle
Zeiten mit ihr vereinigt.
D o c h wie dem auch sey, gewifs ist, dais
die Alten in der Sage von der Blindheit des
Sängers-einen tiefen Sinn fanden: -Eine Mythe
erzählt: Homer habe täglich auf dem Grabe
des Achill geopfertf da sey ihm einst der Heros
in seiner leuchtenden Rüstung erschienen;
des Sängers Augen, unfähig den Glanz zu ertragen^
seyen daran erblindet l5). W e r das
Göttliche geschaut, darf das Auge nicht mehr
für die W e lt brauchen, er besitzt die innere
Sehergabe, mit welcher er alles Äufsere durchdringt.
Und wie Alkibiades in Platons Gastmahl
von seinem Sokrates rühmt, dafs er äus-
serlich einem Silen gleiche;: innerlich in seinem
Geist aber alle "ideellen Schönheiten besitze16),
so konnte man auch von dem Dichter sagen,
er habe den innern Reichthum der Musengabe
erkauft durch den Verlust aller äufserlichen
Herrlichkeit der Welt; denn erst nachdem er
blind geworden, fängt Homer an zu singen 17}:
Auch fordern ja zwey der ältesten Musen,,
Mneme, die Muse des Gedächtnisses, und Me-
lete, die der Meditation, ein Zurückziehen in
das Innere, ein Sammeln des Geistes, ein Ver-
schliefsen gegen die Aussenwelt, — und wie gern
dachten nicht die Alten den Dichter als blosses
Werkzeug der Muse, wie er durch innere
Eingebung seine Gestalten . und Schöpfungen
empfange. So sagt Sokrates Vom Tynniehos
dem Chalkidier, welchem nur ein einziger Gesang
in seinem Leben trefflich gelungen: an
ihm werde deutlich, dafs die schönen Gedichte
nichts Menschliches seyen und von Menschen,
sondern Göttliches und von Göttern, die Dichter
aber nichts als Sprecher der Götterl8). Daher
ist der Dichter ein Spiegel der W e lt, 3%
und wem gebührte dieser Name mit gröfserem
Rechte, als Homer? Er ertheilt einem Jedem
sein gebührendes Lob, jedem Ort, jeder Stadt,
jedem Krieger und Helden 'V — er lenkt aller
Augen auf Alles. — Nur auf sich selbst nicht,
von sich allein schweigt er, sich selbst vergifst
er; jede menschliche Hinneigung bleibt ihm