Im dritten Hefte dieses Werks befinden
sich mehrere Kupfertafeln nach geschnittenen
Steinen, die sich auf diese Begebenheit beziehen.
Heyne hat dort den Hergang ausführlich
nach der homerischen Schilderung erzählt, und
die zwey ersten Abbildungen stellen den Moment
dar, wie Diomed eben im Begriff ist,
dem Dolon den Kopf abzuhauen. — Die gegenwärtige
Tafel, zu deren getreuer Nachbildung
nach Hrn. Tischbeins Zeichnung der
schwarze und farbige Steindruck angewandt
worden, liefert die Copie eines Vasengemäldes,
das zu den ältesten gehört, da bekanntlich
diejenigen, wo die Figuren schwarz auf gelbem
Grunde gemalt sind, aus früherer Zeit
herrühren, als die weit häufigeren, welche die
Figuren gelb ausgespart auf schwarzem Grunde
zeigen. Auch ohne diefs Merkmal jedoch
würde man schon am Styl der Composition
und der Figuren erkennen, dafs diefs Bild der
ältern griechischen Kunst angeliört. Die ganz
gleiche Zeichnung und symmetrische Stellung
der beyden äussersten Figuren, das Steife,
Unbeholfene und dennoch Lebendige, was in
allen dreyen herrscht, endlich die Eigenthüm-
lichkeit der Rüstüngen und Bekleidungen, erinnert
sogleich an die Statuen aus dem Giebelfelde
des Zeustempels auf Ägina.
K e i n e m aufmerksamen Kunstfreund wird
die Bemerkung neu seyn, dafs bey manchen
Gegenständen das Unvollkommene und Einfache
einer noch wenig ausgebildeten Kunstübung
oft vorzüglich ausdrucksvoll wirkt.
Und diese Bemerkung möchten wir auch auf
unser Bild anwenden. Der Künstler wollte
hier offenbar den Diomed und Ulyfs in dem
Momente darstellen, wo sie den schnellfüfsigen
Dolon an sich vorübereilen lassen. Im Dunkel
der Nacht, nachdem sie den Reiher gehört,
den ihnen Athene zum günstigen Zeichen
gesandt, gehen die Helden mit leisem Tritt,
„ ----- zween Löwen an Muth, im nächtlichen Dunkel,
Uber Gemord5 und Leichen hinweg, durch Waffen und Blut hin.“ 2)
Dolon, wohl von ihnen bemerkt, läuft neben
ihnen vorbey —
„Zwar ein übeler Mann von Gestalt, doch ein hurtiger Läufer.“ 3 )
Der Künstler hat ihn weiter vorwärts auf
einen nähern Grund gestellt, während die beyden
Helden mehr zurück, fast auf derselben
Linie stehen. Dolon scheint leises Geräusch
zu vernehmen, Unglük zu ahnen, denn im
hurtigen Schritt blickt er scheu umher —
schwarz und stumm wie Todeschatten schreiten
die beyden hinter ihm. Noch ein Augenblick,
und sie kehren sich um und setzen dem
bedachtlos Fliehenden nach.
W e n n man die Lebendigkeit in Dolons
Figur betrachtet, die ganz den Ausdruck der
Schnellfüfsigkeit hat, so mufs man wohl annehmen,
der Künstler habe für Ulyfs und
Diomed mit Absicht die einförmige symmetrische
Stellung gewählt, um einen schauerlichen
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