andeutenden Stellung, und scheint im Anhören
und Anschauen der Göttin verloren, welche in
lebhafterer Bewegung neben ihm sitzt. Es ist
Aphrodite, begleitet von zween Liebesgöttern.
Der verhängnifsvolle Apfel der Eris hat 'sie
hierher auf den Ida geführt, und sie erwirbt
sich ihn von Paris als Preis der Schönheit.
A l so die Vorscene zur Entführung der Helena
9), die Veranlassung alles Ungemachs für
Griechen und Trojaner. — Alle drey Göttinnen
vor Paris sieht man öfters auf alten Werken
dargestellt — Venus allein unsres Wissens selten.
Auch dürfte man den Apfel vermissen,
welchen Paris in der Hand halten sollte. Aber
man vergleiche nur das Gedicht des Koluthos
vom Raube der Helena, ob nicht der späte,
freylich etwas matte und trockene Sänger
die Scene nach unserm Bildwerk geschildert
zu haben scheint? Aach geschehenem Ausspruche
des Zeus läfst er Venus die Eroten,
ihre geliebten Kinder/- auffordern, sie auf den
Ida zu begleiten.
„Und so wie sie vernahmen der Mutter liebenden Aufruf,
„Schwärmten in stürmender Hast sie heran, die muntern Eroten.“ “>)
Hermes bringt darauf die Göttinnen zu Paris;
Minerva verspricht dem Schäfer Kunde des
Kriegs und Heldenstärke, Juno die Herrschaft
über ganz Asien; —
„Aber das Faltengewand, das weite, zog sich Kythere
„Ohne Scheu von der Schulter hinweg, den Busen entblöfsend,
„Lockerte dann mit der Hand den süfsen Gürtel der Liebe,
„Und entblöfsete ganz die Brust, vergessend des Busens.
„Lächelnd sprach sie darauf zu dem lämmerweidenden Jüngling:
„Nimm, und des Kriegs nicht fürder gedenke mir, nimm dir die Schönheit,
„Meinen Besitz, und das Reich von Asien lafs und das Scepter.
„Nicht versteh’ ich des Kriegs Mühsal; was sollen mir Schilde!
„Viel gewaltiger stets durch Liebreiz herrschen die Frauen!
„Dir statt Heldengewalt verleih ich die lieblichste Gattin,
„Statt des Herrscher - Throns besteigst du Helena’s Lager.
„Dann, nach Troja, wird dich als Bräutigam seh’n Lakedämon.“ “ )
D em Bildner aber ist offenbar der Dichter,
welcher nun ohne Weiteres Paris den Apfel
überreichen läfst, an Zartheit und Ausdruck
nicht gleich gekommen. Die Aufgabe, Venus
sich entschleyernd darzustellen, war für die
bildende Kunst geeigneter, als für die redende.
Koluthos vermochte nicht, wie unser Künstler,
die zarte Anmuth zu schildern, welche sich in
der Göttin mit dem hohen Bewufstseyn der
Schönheit vereinigt.
V o n den zween Eroten scheint einer Aphro-
dite’s Gewand gefafst zu haben, und es schwebend
zu halten; beyde, wie die Göttin selbst,
blicken erwartungsvoll dem Jüngling ins Auge.
Paris aber sitzt noch unbeweglich, horchend
und wie geblendet, halb nach der bezaubernden
Schönheit blickend, halb schon in süfse
Träume künftigen Liebeglücks versunken. Er
ahnet nicht, dafs er einst von dem erzürnten
Hektor den bittern Vorwurf würde hören
müssen:
Nichts auch frommte dir Saitengetön und die Huld Aphrodite’s — ,a)
D i e knabenhafte Bildung der Eroten weist
wohl ebenfalls auf das schöne Zeitalter der