die Zeit des Onatas gesetzt wird, so wäre es
nicht unmöglich, dafs wir hier die Nachbildung
irgend eines Gemäldes von diesem Meister vor
uns sähen.
Denn betrachte man diefs Bild unter allen
künstlerischen Gesichtspunkten, sowohl was
die poetische Erfindung und die Weisheit und
den Ernst der Composition, als was die L e bendigkeit
der Bewegungen und das Pathetische
des Ausdrucks betrifft, — so stellt es sich
als ein vortreffliches Kunstwerk dar, und man
kann nicht umhin, die Aeufserung Millin’s zu
unterschreiben, womit er seine Erklärung desselben
schliefst: „man müsse es als das schönste
Monument seiner Art betrachten, und kenne
kein anderes/ das ihm vergleichbar wäre.“
Denn was etwa in der Darstellung auffallen
könnte, die Genauigkeit, womit der Künstler
sogar die blutenden Wunden angegeben hat,
ist wohl überhaupt dem Charakter der äginetischen
Kunstübung zuzurechnen, der sich durchaus
die getreue Nachbildung der Natur im
Einzelnen zum Gesetz gemacht hatte.
Es ist zu bedauern, dafs der Raum durchaus
nothwendig machte, das Bild in zwey
Hälften zu theilen. Denn erst wenn man beyde
Tafeln an einander fügt, wird man recht deutlich
gewahr, dafs der Künstler die Figuren
der beyden mittleren Hauptgruppen in etwas
gröfserer Proportion gehalten, als die äufser-
sten; ein Verfahren, das sich zwar öfters in
alten Kunstwerken findet, aber gerade hier,
wo es darauf ankam, auf der Rundung des
Gefafses die Hauptgegenstände zuerst bemerk-
lich zu machen, und mit der Hauptansicht in
Übereinstimmung zu setzen, von besonders
guter Wirkung ist. Indessen hat der Künstler
doch eben da, wo wir unsre Nachbildung
abgetheilt, auch einen Abschnitt in der Composition
gemacht, indem er durch den Palmbaum
die beyden vorzüglichsten Gruppen von
einander sonderte.
D ie Hauptbegebenheiten der Zerstörung
von Troja, die in allen Gesängen der Dichter
wiederkehrten, sind hier ohne weitere Unterscheidung
der Räume wo die verschiedenen
Scenen Vorgehen, neben einander dargestellt.
Es ist das Vorrecht der epischen Malerey, die
Einheit des Moments unberücksichtigt zu lassen,
und dem Beschauer, der seinen Blick an dem
weit ausgedehnten Raume des Bildes hin und
her bewegen mufs, mannichfaltige, sowohl dem
Ort als der Zeit nach verschiedene Scenen vorüberzuführen,
doch so, dafs sie zusammengenommen,
dennoch als künstlerisches Ganzes
erscheinen. Diese Gattung schweift aber eben
defshalb ins Symbolische hinüber, da sie nur
durch den Gedanken das Ganze zur Einheit
verknüpft, nicht durch vollständige Anschauung
der Realität. Eine so tragische Begebenheit,
wie die Zerstörung von Ilion, hat aber
durch die furchtbaren Ereignisse, die sie be-
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