Sirenen sich darstellen lasse, ein Gemälde anzuführen,
welches vor etwa zwey Jahren von
einem der geistreichsten und mit dem Alterthum
vertrautesten deutschen Historienmaler,
Herrn W ä c h t e r , vollendet worden ist, und
sich gegenwärtig im Besitz des Königs von
Wurtemberg befindet. Sehr weislich hat der
Künstler das Ufer der Sireneninsel mit den
drey weiblichen Gestalten in den Vordergrund,
das Schiff mit dem gefesselten Ulyfs in die
Ferne gerückt- Denn der Held, wie er, seiner
Schwäche bewufst und ihr nicht widerstehend,
von den Genossen in eigenen Fesseln
gehalten wird, ist weder ein so angenehmer
Gegenstand, noch so sehr die Hauptsache im
Bild, wie die drey anmuthigen, schön bekleideten,
lockenden Jungfrauen. Und der Maler
hat hier etwas vor dem Dichter voraus, indem
er zwar eben so wenig wie dieser den Zauber
der Musik schildern, dafür aber die Reize
der Schönheit geltend machen kann. W ie viel
mehr wird nun die Theilnahme des Beschauers
noch erregt, wenn jede dieser Jungfrauen sich in
einem eigenthümlichen entschiedenen Charakter
darstellt? Diese Bezeichnung ist unserm Künstler
trefflich gelungen: die eine, von kräftigem
Körperbau, bläst die Doppelflöte und sieht gerade
nach Ulyfs hin; die zweyte, welche zur
Leyer singt, blickt nur halb seitwärts und mit
schalkhaftem Lächeln nach dem Schiffe; die
dritte, von allen die zarteste, sitzt ganz abgewendet
und hält die Syrinx in der herabgesunkenen
Hand, jH sie. scheint der verführenden
Musik überdrüfsig über ihre traurige Bestimmung
nachzusinnen. Am Felsenufer sieht
man nur einige zerbrochene Ruder und Helme,
Überreste der Unglücklichen, die hier ihren
Tod gefunden, der blaue Meeresspiegel be-
gränzt den Horizont. Die schöne Gruppirung
und heitere Färbung geben diesem Bilde einen
besondern Reiz.
1 ) P a c i a u d i Monumm. Peloponn. I. i 5 g. Daraus bey M i l l i n Gal. myth. CLXVII. n. 638. Vergl,
W in c k b lma n n Dcscr. des Pierres gravées du B. de Stosch p. 400.
2) B e l l o r i Lucern. ant. P. III. n. 11. — Jac. G r o h o t . Thes. Antiqq. graecc. T . II. n. 7«
3) O dyss, XII. 3g ff. nach Voss.
4) Xijwlncoi, eigentlich Gänsekopf, eine gewöhnliche Verzierung der Schiffe. L u c i a k . Navig. c. 5 . —-
A p u l e ju s Melam. XI. med. p. 264. ed. Elmenh. Zwey ähnliche Verzierungen erscheinen an zwey Schiffen
in den Gräbern von Pompeii bey M i l l i n , Description des tombeaux, qui ont été découverts à Pompeï
dans l’année 1812. Naples i 8 i 5. Pl. VII. nr. 1. et 4 . Millin nennt hier die Verzierung ebenfalls einen
Schwanenkopf; Winckelmann in der Beschreibung des Steines braucht beyde Benennungen.
5 ) Ody s s . X II. 192 ff. nach V o s s .
6) Eine ähnliche Vorstellung auf dem Basrelief einer Graburne in der Villa Albani, wo jedoch alle
drey Sirenen Mäntel tragen, beschreibt W i n c k e lm a n n , Gesch. d. R. B. 8. K. 3 . §. 11. S. W. T h . 5.
S. 271. Eine etrurische Graburne zu Florenz, mit diesem Gegenstände, wird von den Herausgebern erwähnt.
T h . 3 . S. 4 iö .
7) Diese zwo älteren Sirenen des Homer hiefsen A g la o p h em e und T h e l x i e p e ia , Hellton und
Zauberrede. E u s t a t h . Comment, in Odyss. XII. 3g ff.
8) E u s t a t h . 1. c. Mit verschiedenen Namen; Eustathius nennt sie P a r t h e n o p e , L i g e i a und
L e u k o s i a . — .E u r i p id b s , Helena v. 166. giebt ihnen Flügel. Vergl. L y c o p h r o n . Cassandra v. 653.
712 ff., welcher die Sirenenfelsen àçTtwoyovvcav kAw/mkk«; ¿tiSovwv nennt. Vergl. T z e t z a b Scholl, in Ly-
cophr. ibid. — A p o l l o n . Argon. IV. 898. Mehrere Stellen bey V o s s , Mythologische Briefe. II. 5.
9) Vergl. W i n k e lm a n n ’ s Beschreibung einer Urne in der Villa Albani, wo sich dieselbe Vorstellung
findet, nur dafs dort die Sirenen mit Mänteln bekleidet sind. Andere Darstellungen der Sirenen, auf
ähnliche Art bey M i l l i x . Gal. myth. X IX . 63. — LX X X . 3 i2 . — XIII. 3 i 3 .
10) S. die schöne Abbildùng im IVlen Heft, T af. 6. dieses Werks.
1 1 ) D e i c r . d e l ’E g y p t e , Antiq. II. PI. 47. Fig. 3 . 4 * — PI. 8 3 . Fig. 1. und daraus auf der
Kupfertafelzu C r b u z e r ’ s Cömmentatt. Herodott. I.' n. 3 . 4. 5. 6. Man lese die gelehrte und scharfsinnige
Untersuchung daselbst p. 3 4 1 ff. und dessen Symbolik N. A. I. 5oo. III. 285. — Vergl. auch die Abbildung
eines Basreliefs aus dem Porticus des grofsen Tempels zu Denderah, wo diese Vögel Menschenarme haben,
wie auf der Papyrusrolle des Fontana. D b s c r . de l ’E c y p t e Antiq. T . II. PI. 73. 84. und T . IV.
PI. 19. Im Tex t: Descr. générale de Thèbes Chap. IX. Sect. 10. pag. 354 der ersten Ausgabe.
12) P h i l o s t r a t . Vit. Apollon. Tyan. I. 25. p. 34. Olear. und dessen Anmerkung.
VIII. Heft. 10