A ber der Künstler scheint mir, obzwar von
jener Weissagung des Tiresias veranlafsi, doch
weniger diese religiöse Beziehung als eine
mehr allegorische im Sinne gehabt zu haben.
Es ist auffallend, dafs Ulyfs ganz nackt erscheint,
da er doch gewöhnlich mit einer
kurzen Tunica, oder einem übergeworfenen
Mantel vorgestellt wird. W ir werden in der
Folge einige andere Darstellungen mittheilen
können, wo der Held entschieden in allegorischer
Bedeutung und ebenfalls nackt abgebildet
ist.
U n t e r allen homerischen Helden ist aber
auch keiner, dessen Charakter und Schicksale
so viel allegorische Deutung zulassen, ja so
bestimmt dazu auffordern. W ie viele der m
die Odyssee verwebten Schiffermährchen und
Wundersagen geben nicht sogleich eine moralische
Absicht kund; daher ist es nicht zu verwundern,
wenn man von Sokrates 8) bis auf
Horaz ») und unsere Zeiten herab, gern das
ganze Gedicht als eine Schilderung dessen
betrachtete, was kräftige Ausdauer und erfindungsreiche
Klugheit im menschlichen Leben
vermögen. Erscheint Ulyfs in der Ilias, und
meist auch bey den griechischen Tragikern,
mehr als der Gewandte, Schlaue, Hinterlistige,
so ist er dagegen in der Odyssee durchaus
Symbol des vielgeprüften sinnreichen Mannes,
der mit beynahe herkulischer Festigkeit der
körperlichen Kraft ein immer loderndes unver*
wüstliches Feuer des Geistes verbindet, und
sich damit durch alles Unheil, was ihm Ungunst
des Schicksals und die Verwirrung einer
wundervollen gespenstischen W e lt entgegensetzt,
glücklich hindurchschlägt.
T iefer sahen die Sache wohl diejenigen
an, welche die ursprüngliche Bedeutung des
Attributs kannten, wodurch sich Ulyfs vor
allen homerischen Helden auszeichnet. Man
hat die kegelförmige Mütze, die er trägt,
gewöhnlich als Schiffermütze betrachtet10), und
dafs sie dafür gelten kann, beweist unter ändern
ein Basrelief im Pio-Clementinischen Museum,
wo Charon mit derselben abgebildet
ist Aus Plinius ist bekannt, dafs der Maler
N ikomachus , ein Zeitgenosse des Apelles, zuerst
dem Ulyfs diese Mütze bey gelegt haben
soll IS); jedoch hat schon Millin ü hiergegen
bemerkt, wie sich dieselbe Vorstellungsart auf
gemalten Vasen finde, welche nach Denkmalen
aus viel älterer Zeit verfertigt scheinen.—
Nun tragen aber auch Hephästos, Kadmos und
die Dioskuren, welche sämmtlich zu den gros-
sen kabirischen Potenzen von Samothrace gehören,
dieselbe konische Mütze. Es ist die
Hemisphäre des kosmischen Eyes, das Zeichen
kabirischer Weihe, und erinnert bey den Dioskuren,
den Schutzgöttern der Schiffer, besonders
an jene in den samothracischen Mysterien
überlieferte Vorstellung: dafs das Leben eine
Schiffahrt sey, und dafs auf dem unsichern
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