VI.
AJAS D E R T E L AM O N IE R .
„D e r rasende Ajax des berühmten Malers
„Timomachus,“ sagt Winckelmann „war nicht
„im Schlachten der Widder vorgestellt, die er
„für Heerführer der Griechen ansah, sondern
„nach geschehener That, und da er zu sich
„selbst kam, und voll Verzweiflung niedergeschlagen,
in äufserster Betrübnifs sitzend, sein
„Vergehen überdachte« J^oder vielmehr, nach
Philostrat’s Bemerkung || den Entschlufs fafste,
sich selber zu tödten. Mit Recht fand VYmckel-
mann in dieser Wahl ein Zeugnifs für die Weisheit
des Künstlers; denn ein Held wie Ajas,
welcher in Wuth Schaafe und Widder mordet,
erweckt das Gefühl des Lächerlichen, weil
man dabey nicht unmittelbar an das Unglück,
welches die Götter über ihn verhängt, seinen
Wahnsinn, erinnert wird 3). — Und behielte
man auch dieses im Gedächtnifs, so erscheint
immerhin der Held erst wahrhaft tragisch in
dem Augenblicke, wo er zum Bewufstseyn
seiner Raserey gelangt ist, sein vielfaches Mifs-
geschick überblickt, und verzweifelnd das
Schwerdt zum Selbstmord in die Hand nimmt. —
Denn nur in der Richtung auf das höhere geistige
Leben tritt das menschliche Schicksal aus