A n t i l o c h u s bringt dem Achill die Nachricht
von des Patroklus Tode. Ahnend sitzt
der Pelide vor den Schiffen; der Gedanke an
des Freundes Verlust, den ihm einst die Mutter
trauernd verkündet hatte, umschwebt sein
Gemüth, als er bemerkt, dafs die Achäer nach
den Schiffen zurückgedrängt fliehen. Da naht
in heifsen Thränen Nestors Sohn und verkündet
die schreckliche Botschaft:
„Webe mir, Peleus Sohn, des feurigen, ach ein entsetzlich
Jammergeschick vernimmst du, was nie doch möchte gesclieh’n seyn!
Unser Patroklos sank; sie kämpfen bereits um den Leichnam,
Nackt, wie er ist, denn die Waffen entzog der gewaltige Hektor.“
Sprachs, und jenen umhüllte der Schwermuth finstere Wolke.
Siehe, mit beyden Händen des schwärzlichen Staubes ergreifend,
Überstreut’ er das Haupt und entstellte das liebliche Antlitz,
Auch das ambrosische Kleid umhaftete dunkele Asche.
Aber er selber, gröfs, auf grofsem Bezirk, in dem Staube,
Lag, und entstellete raufend mit eigenen Händen das Haupthaar.
Mägde zugleich, die Achilleus erbeutete samt Patroklos,
Innig im Herzen betrübt, auf schrieen sie; all’ aus der Thüre
Rannten sie vor um Achilleus, den feurigen, und mit den Händen
Schlugen sich alle die Brust, und jeglicher wankten die Kniee.
Drüben Antilochus auch wehklagete, Thränen vergiefsend.
Haltend Achilleus Händ’ , als beklemmt sein muthiges Herz rang:
Denn er besorgt’ , ob die Kehl’ er sich selbst abschnitte mit Eisen.
Fürchterlich weint’ er empor. Da hört’ ihn die treffliche Mutter,
Wo in des Meers Abgründen sie safs bey dem grauen Erzeuger.
Laut nun schluclizete sie; und die Göttinnen eileten ringsher,
Alle, so viel Nereiden des Meers Abgründe bewohnten. 6)
W ir führen absichtlich diese ganze Beschreibung
des Dichters an, um unsre Leser
zu einer Vergleichung aufzufordern, wie der
redende, und wie der bildende Künstler ihren
Gegenstand behandelt haben. Homer zeigt
seinen Helden im vollsten Ausbruch des Schmerzes,
der keine Gränzen, kein Bewufstseyn
mehr kennt. Achill liegt am Boden, Haupt
und Gewand mit Asche bestreut; der Freund
ist bang er möchte sich am eigenen Leben vergreifen,
und hält ihm weinend die Hände.
Welch’ ergreifenderes Bild des Schmerzes einer
Heldenseele könnte der Dichter uns bieten?
— Aber war dieselbe Darstellung auch
für den bildenden Künstler passend? Durfte
er die Gestalt des Helden im Bilde zeigen,
wie sie der Dichter beschreibt? — Das Gefühl
des Edlen und Schicklichen verneint diese
Frage — und wir bewundern die Weisheit
des Künstlers, wie er sich so bescheiden in
den ihm zugemessenen Gränzen gehalten, und
dennoch in seine ruhigere Darstellung den
Ausdruck des tiefsten Schmerzes zu legen ge-
wufst hat. — W ie er in traurigen Gedanken
über das Schlachtfeld blickend safs, so sitzt
Achilleus noch. Es ist der nächste Augenblick,
nachdem er die Botschaft von Antilochus gehört.
Aber von tödtlichem Schrecken durchzuckt
ist er zusammengesunken, mit der Rechten
bedeckt er Stirn und Augen, die Linke
liegt schlaff auf dem Knie. Antilochus athem-
los und weinend, stützt Arm und Haupt auf
die Säule; er wollte mit der linken Hand die
des Freundes ergreifen, um den bittern Schmerz
seiner Seele zu lindern, aber noch ist er nicht
stark genug die eigene Betrübnifs zu beherrschen,
die Hand sinkt auf halbem W e g ent-
IX. Heft. 11