E r k 1 a r u n g
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e i n z e i n e n T a f ë 1 n.
E r s t e T a f e l .
Sie ist bestimmt, die Formen der Nahningshöhle in der Klasse der Eithiere zu zeigen, .als in welcher
die,, merkwürdigsten Combinationen Vorkommen, indem sich auf iliren untersten Stufen häufig Massen von
immerfort zu einer Einheit verbundenen Individuen finden; — und wie denn alle Bildung, je näher ihrer ersten
Entstehung, sich mehr ins Schwankende und Ungewisse verliert, so wird es dann auch hier oft zweifelhaft,
welche Höhle als eigentliche Nahrungshöhle (Magen) zu betrachten seyn könnte. B - Am meisten ist
dies der Fall in den noch zwischen Pflanzen- und Thiernatur schwebenden Geschöpfen, welche ich bereits
in d. Einleitung zur 2. Ausg. meiner vergleichenden Zootomie 'in ein eigenes Zwischenreich (Protorganis-
men) zu vereinigen gerathen habe. — Aus diesen ist Fig. I—IV che Zitterkugel, Volvox, so wie aus den
Polypen eine Seefeder (Veretillum cynamorium) Fig. X H—X X dargestellt. — Die weitere Entwicklung eines
deutlichen Darmkanals aus unbestimmbar zeitigen Höhlen in den Infusorien zeigen dann bei Monas* Enchelys,
Leacophrys, Uydatina die Fig. V —X . |||- Endlich aber werden Beispiele einer nur einfach geöffneten, kugligen
Verdauungshöhle (bei Asterias) und eines weiter entwickelten gestreckten und doppeltgeöffneten Darmkanals
(bei Hoiothuria und Echinus) aus den hohem Eithieren gegeben.
E r k lä r u n g d e r e in ze ln en Fig u ren .
Fig. 1—IV.
Mikroskopisch vergrößerte Darstellungen des K u g e lth ie rs
oder der Zitterk u g el, Volvoix globator, eines der merkwürdigsten
und lehrreichsten Geschöpfe eben wegen seiner vollkommnen
Indifferenz zwischen Pflanzen- und Thiernatur. Das Ganze ist
eine zarthäutige, reinsphärische, ringsum geschlossene Blase, Fig. II,
von ^ Linie Durchmesser, mit in bestimmter Richtung oscil-
lirenden, nur bei stärkster Vergrösserung sichtbar werdenden Härchen
(Fig. I B. d und Flg. IV) besetzt und eine grosse Menge
rundlich grüner Körperchen in ihrer Wandung enthaltend, welche
(worauf Eh ren b erg zuerst aufmerksam gemacht hat) durch netzförmige'
Gefasse (? ) verbunden sind.'- An der Innenwand dieser
Blase wachsen 6— 8 ähnliche junge Blasen hervor, denen das
Diclitzusammenstehen der grünen Körperchen ein gleichförmig grünes
Ansehen giebt, und in welchen, wenn sie etwas mehr entwik-
kelt sind, man bereits die dritte Generation deutlich unterscheidet,
(s. Fig. III.), ;Sö wie die innem Kugeln wachsen, dehnt sich “die.
äussere Hülle aus; indem jedoch dabei die Zahl der grünen Körperchen
sich nicht vermehrt und dieselben immer weiter auseinandertreten,
wird' nun die Hülle immer dünner, bis sie endlich platzt und so
die alsdann schon innerlich abgelösten Kugeln (wie eine Schote
ihre Samen) austreten lässt (Fig. IV. ) . S i n d alle Kugeln ausgetreten,
so schwimmt die Hülle noch einige Zeit umher, stirbt
ab und löst sich auf.^S- Die Blase bewährt sich also als ein
Ganzes: a) durch die Erzeugung der Brut, welche in regelmässigen
Zahlenverhältnissen und gewöhnlich mehr in einer Kugelhälfte
hervortritt; b) durch das regelmässige Oscilliren der ganzen Kugelfläche,
in Folge dessen ein Wirbel im Wasser entsteht, welcher die
Kugel in der Richtung umgiebt, dass, zwei ruhige Pole frei bleiben.
Dieses merkwürdigean die magnetischen Pole der Erde erinnernde,
Verhältniss bedingt h ie r die Dehiscenz und das Austreten
der jungen Blasen, welche ihrer Seits dieselbe und zwar beim
Austritt äusserst lebhafte Bewegung haben, so wie überhaupt von
diesem Wirbel das ruhige Fortschwimmen der ganzen Zitterkugel
bedingt wird, welches in seiner Richtung insbesondere durch
einfallendes Licht geleitet zu werden, scheint * ) ; — c) dritter
Grund für die Einheit des Ganzen ist die netzförmige Verbindung
jener grünen Körperchen durch zarte Linien, welche unter 1000
maliger Vergrösserung bei Fig. I. B. b genau dargestellt sind
und vollkommen als Gefasskanäle etwa gleich denen der Medusen
erscheinen. — Offenbar ist nun die ganze Hülle des Volvox einsaugend,
denn die grossen Kugeln sind mit Wasser gefüllt, welches
in diesem. Maasse noch nicht in ihnen seyn konnte, als sie
klein waren, und dies Wasser konnte nur du rch die äussere
Hülle eindringen. Dies Einsaugeh geschieht vielleicht durch die
ganze äussere Haut (Fig. I B. c.) oder durch die Haare insbesondere
— immer aber gewiss ganz pflanzenartig. Was nun die grünen
Körperchen, in der Haut, betrifft, welche bald rundlicher, bald
länglicher sich darstellen und einen oder mehrere dunkle Punkte
enthalten (Fig. I. B. a. c), die denen gleichen, welche in den
*) Ich 8ah diese sonderbaren Geschöpfe sich stets an den beschatteten
Rand einer offnen am Fenster steheqden Schale ansetzen.
von Bory St. Vinc. Lunulina und TJrsinclla genannten verwandten
Wesen Vorkommen,, und eine rotlie Färbung zu haben^schemeji fwenn
dies Roth überhaupt nicht bloss als physiologische Färbung zu betrachten
ist), so fragt es' sich, ob sie nicht gleichsam Vorbereitende, die mit
dem Wasser eingesogene .organische Substanz mittelst der zu ihnen gehörigen
Kanäle weiter verbreitende;Organe sind? eine Ansicht, welche,
wenn sie auch nicht mit Bestimmtheit zu behaupten ist, doch
mindestens sehr wahrscheinlich . genannt werden ‘darf. — Es wäre
dies also ein Beispiel eines, mindestens nach den gewöhnlichen Ansichten,
noch unter die Thiere gerechneten Geschöpfs, welches
weder Mund- noch Afteröffnung, noch einen eigentlichen Darmka-
nal darböte, und welches man mit eben dem Rechte für. ,eine iso-
lirte oscillirende kuglige, nfeue Zellen erzeugende .Pflanzenzelle, als
für eine frei entstehende, neue Blasen erzeugende Dotterblase halten
könnte; eine oscillirende Dotterblase mit Gefassen und drüsenartigen
Organen in ihren Wänden, und aussen mit haarförmigen kiemenartigen
Organen', den oscillirenden Fibrillen der Eier der Gorgomen, oder den
einsaugenden Fäserchen auf dem Ei der Säugethiere vergleichbar,
besetzt. Eine abweichende Ansicht hiervon hat der um mikroskopische
Anatomie so hochverdiente E h re n b erg aufgestellt *), indem
er die grünen Körperchen in der äussern Hülle für einzelne nur mit
allen übrigen genau verbundene Thiere hält, von denen einzelne
durch immer weitere Theilung neue Kugeln hervorbrächten. (Ein
sich immer weiter theilendes Körperchen kann sich wohl zu einer
Fläche ausdehiien, aber nie ‘ durch solches Fortwachsen eine Hohl-
-kugel bilden!) Zugleich betrachtet er die roth erscheinenden^
Punkte in ihnen als Augen und hält die oscillirenden Härchen für
-die Rüssel dieser. Thiere. — Hiegegen bemerke ich jedoch, 1) dass
deutlich (s. Fig. I. B.) mehrere Punkte und von verschiedener Grösse
in einem Körperchen bemerkt werden, welches nicht wohl mit ihrer
Bedeutung als Augen stimmen möchte, 2) dass,, den bestimmten
Zusammenhang des oscillirenden Haars als eines Rüssels mit dem
grünen Körperchen nachzuweisen, schwerlich gelingen möchte (meine
genau nach dem Bilde des Mikroskops entworfene Zeichnung Fig. I.
B. zeigt eine weit stärkere Vergrösserung als die von E h ren b erg
a. a. O. gegebene, und dennoch sieht man keinen Zusammenhang
beider Organe), 3) dass, wenn wir solche Organe für einzelne Thiere
halten wollen, allerdings auch alle Saugarme eines Rhizostoma Und
alle Blutkörperchen, ja alle besondern Eingeweide für einzelne Thiere
gehalten werden könnten, 4) und endlich, dass die. obigen die Einheit
der ganzen Blase bezeugenden Gründe dawider sprechen. —
Uebrigens ist es auch Sin Grund mehr, die völlige Indifferenz dieses
Geschöpfs zu erweisen, dass man Cs mit einer gewissen Walirschein-
lichkcit bald so bald so deuten kann. So ist eben auch deshalb
mit die Kugel als Urgestaltung schlechthin anzuerkennen, weil man
sie, • von jeder Seite betrachtet, immer in kreisförmigen Contour
sieh ti^ r Niemand hat indess den wahren Begriff der Kugel, der
darin blos den Kreis sieht, hierzu gehört'die tiefere Auffassung ih-
' fer nach allen Seiten hin ganz gleichmässig ausgedehnten Bildung **).
Nun noch die einzelnen Figuren! —_ Fig. I. A. Ein jüngeres
mässig stark Vergröss'ertes Exemplar von Volvox, mit noch nicht reifer
Haut, zerschnitten, um die freie Höhle seines Innem zu zeigen,
welches nur die kleinen Kugeln enthält, von Welchen eine ausgetreten
ist. Fig. I. B. Ein Stückchen der Peripherie desselben bei
. *) Organisation in der Richtung des kleinsten Raumes 3s Heft.
I** )W REMt vielem Interesse habe ich gelesen, was der treffliche Forscher
Ehrenberg bei Gelegenheit dieser seiner fortgesetzten Untersuchungen
gegen einige von mir gemachte Bemerkungen über nothwendig anzuerkennende
Einfachheit im Baue der tiefsten Organismen gesagt hat.
Es ist hier zu einer ausführlichen Erörterung nicht die Stelle, allein
ich <>iu vor der Hand - zufrieden, dass auch nach seiner Meinung
„Nachdenken, Vergleichen und Scliliessen leicht zur Bestätigung meiner
Sätze führe“ ; da ihm aber nur das nachgewiesene Wirkliche
liier gültig erscheint, so muss ich abwarten, bis in den Rliizostomen,
Medusen, Monaden, Bacillarien u.'s. w., so wie im Ei selbst alle wesentlichen
Gebüde höherer Thiere im physiologischen Zusammenhänge
nachgewiCsen sind, um mich, dann zu. überzeugen, dass eine wahr-
, liaft philosophische Spekulation etwas ganz anderes als die Wirklichkeit
ergeben könne. — Dass gegen das angegebene Beispiel einer
IY.
| lOOOmaliger Vergrösserung, a grünes Körperchen mît einein, c mit
( mehreren dunkeln rothscheinenden' Punkten. b Verbindungskanäle,
1 zuweilen gespalten, d oscillirende Haare, e Oberfläche. Fig. II.
( Ein ähnliches Exemplar wie Fig. I A. unverletzt von £'// Durch-
/ messer. Flg. HI. Ein älteres, Exemplar von y Durchmesser mit rei-
' fer Haut im Innern, an welchem die’ dritte Generation bereits er-
) kennbar ist. Fig. IV. Ein etwas stärker vergrössertes Stück eines
< Volvox mit ziemlich reifer Brut, um das Austreten der jungen Kugeln
j zu zeigen, welches da erfolgt; wo die beiden Ströme des durch die.
r Pfeile bezeichneten "Wirbels Zusammentreffen.
Fig. V—IX
| (nach Ehrenberg, Organisation, Systematik u. s. w. der Infusions-
) thierchen. Berl. 1830) sind bestimmt, das erste Auftreten bestimm-
) terer Verdauungszellen zu zeigen. -Fig. V. Kuglige Tropfen^
) Monade von Durchmesser, Monas gutlula, mit von eingc-
\ ‘ saugtem Indig gefärbten Nahrungszellen. Der Körper zeigt liier nur
5 eine einzige Oeffnung. Flg. VI. Ein Walzenthier chen (Enche-
| lys pupd) von -fy" Länge mit dem die Nahrungsöffnung umge-
f benden Wirbel. Man erkennt hier auch eine Nahrungsreste aus-
v stossende Oeffiiung, und deshalb hält Eh ren b erg den Darmkanal
j dieser Thiere für organisirt nach dem Schéma, wie es Fig. VII dar-
j stellt. Fig. VIII. Ein Wimperthier chen (Leucophrys patüla)
I ;'Von Länge, in welchem Mund- und Afteröffnung, so wie
) Richtung des Nahrungskanals und der ihm änhähgenden Zellen
s deutlicher werden. Flg. IX. Der schematisch einzeln gezeichnete
i Darmkanal.
Fig. X.
> (ebenfalls nach Eh ren b erg ) Darmkanal des C ry s ta llth ie rc h e n s
\ (Hydatina sentd). Man bemerkt den Schlundkopf mit den beiden
5 breiten Zähnen, dann den kurzen engem Schlund, zu dessen’beiden
? Seiten die Magendrüsen, ; sodann den durch Nahrungsstoffe ge-
\ sehwelltén Dauungskanal, welcher nach unten in die Cloake (a) sich'
( endigt, welche von einem;Schliessmuskel (6) umgeben ist; in sie ént-
< leert "sich der Ovidukt (d) und tlas, was von E. für Samengefdsse
( gehalten wird, c ist nach E. als Rest des austreibenden Muskels
r des Sperma zu betrachten.
Fig. XI.
5 Zeigt den sehr einfachen Darmkanal des F ed e rb u sc h -P o -
j ly p en (Plumatella [auch Alcyonelld] calcaria). Man sieht bei c
1 dië vorstehende Lippe dter Mundöffnung, bei b den Oesophagus, . bei
i c den Magen und bei d .den Mastdarm. — Merkwürdig war bei
5 dem hier unter eiijer schwachen Vergrösserung des Mikroskops ge-
> zeichneten lebenden Exemplare ein äusserst deutliches Cirkuliren der
1 feleine Flocken enthaltenden Flüssigkeit um den übrigèns freiliegen-,
) den Darmkanal herum. Es verlief in der durch die Pfeile bezeich-
| neten Richtung und bildete bei e eine wirbelnde Bewegung. Walir-
! schèinlich muss liier wie bei den einen Darm zeigenden Infusorien
\ angenommen werden, dass die Darmwände die Flüssigkeit unmittelbar
( in die Leibeshöhle üb erfuhr en,. sowie etwa die Haut des Volvox die
I äussere Flüssigkeit in die Kugelhöhle hinüberführt. Dasselbe gilt wahr-
| scheinlich auch von den folgenden Formen.
i . - Fig. XU—XX.
1 Zergliederung der Ernährungsorgane einer Seefeder {Vere-
\ tillvm cynomorium, g liedförm ige K ié lf e d $ r^ ;# ig . XII. a
) Der ganze frei entwickelte Polypenstock in natürlichen; Grösse, b Die
/ in der Mitte des untern Stengelendes entwickelte Spina' öder Andeu-
5 tung eines innerh Skelettes. — Fig. XIII. XIV. XV gemachte Durch-
| schnitte des Polypenstockes bei * ♦ * ,;* * und * Fig. XII, um die
1 viergekammerte innere Safthölile desselben zu zeigen, um Velche
verfehlten spekulativen Voraussetzung ganz andere scharf treffende
gestellt werden könnten, und dass in den. wichtigsten Dingen die
Idee erst der Leitfaden für das Sinnliche werden musste, bedarf wohl
kaum der Erwähnung.
K l