Eine mehrjährige, anhaltend fortgesetzte Untersuchung*) der Skeletbildungen hat mir nun bewiesen:
1) dass die Unterscheidung dieser .drei Skelete, des Hautskelets, Eingeweideskelets und Nerrenskelets
die erste Bedingung sei,/um von den merkwürdigen erstarrten Bildungen des Thierleibes eine natiugemässe
Einsicht zu erhalten.
2) Dass, wie überhaupt die elementare Substanz des Organismus alle Mal die flüssige ist, und der
Uebergang aus derselben durch die Weichgebilde in die Festgebilde immer so allmälig erfolgen muss,, dass
mnft ganz scharfe. Gränze zwischen dem, wo das Weiche aufhört, und dem, wo das Harte, anfängt, niemals
nachgewiesen werden kann, so auch der Uebergang von weichen Äbgränzungen des Organismus zu wahrer
starrer Skeletbildung in der Natur, so viele Uebergängc zeige, dass eine ganz scharfe Abscheidung der eigentlichen
Skelete von den weichen Äbgränzungen unmöglich sei.
(So finden,wir denn, dass in der Natur allmälig in Reihen verwandter Gattungen, hinsichtlich des Hautskelets, eine blosse Epidermis
durch hornige Schilder oder kalkige 'Platten verstärkt wird, dass hinsichtlich des Eingeweideskelets ein zartes EpitheUum äll-
mälig in schwielige oder knorpelige Platten übergeht, oder seine Spitzen in harte, verschiedenartig gestaltete, gegen den Darminlialt
gerichtete Fortsätze (Zähne) umbildet, ja hinsichtlich, des Nervenskelets, dass, was'in einer Gattung bloss als ein knorpeliges Häutchen
erscheint, in ändern Gattungen zu festen Knochen erstarrt.)
3). Dass bei allen diesen Üebergängen doch jedem dieser Skelete, wenn es sich bis zu einem gewissen
Grade der Vollkommenheit gestaltet, also in den höhern Thierklassen, eine gewisse Bildungsweise um). Substanz
eigenthümlich sei, namentlich dem Hautskelet die Hornbildung, dem Eingeweideslcelet die Knorpelbildung,
dem Nervenskelet die wahre, durch phosphorsaure Kalkende bezeichnete Knochenbildung, da hingegen
auf niederen Stufen Haut- und Eingewreideskelet mehr als Versteinerungen durch Anhäufung kohlensaurer
Kalkende erscheinen.
4) Dass die Entwickelung eines eigentlichen Nervenskelets bedingt sei durch die Entwickelung von
einem höhern, durch Hirn- und Rückenmark bezeichneten Nervensystem, und desshalb mir den vier obern
Thierklassen (den Hirnthieren) und dem Menschen zukomme.
5) Dass ein jedes dieser Skelete- entweder für den ganzen Thierleib, wenn dieser (wie in den meisten
Protozoen, Radiarien und niedern Weichthieren) ungegliedert ist, aus e in e r sphärischen Grundgestalt
hervorgeht (da die Kugel die Urform aller organischen Körper ist); oder, wenn der Thierleib gegliedert ist,
d. h. aus mehreren besondern, einander wiederholenden Abtheilungen besteht (wie in den Articulaten und
sämmtlichen Thieren mit Hirn und Rückenmark) aus e in e r R e ih e oder Säule von sphärischen Grundformen
sich entwickelt.
6. Dass endlich die verschiedenen Elementartheile des Skelets, in welche eine solche sphärische
Grundgestalt sich sondern kann, sowohl' durch Theilungen als durch manriiclifaltige Wiederholungen dieser
Urform hervorgehen, und zwar nach einer Art und W e ise , welche in der geometrischen Constrttction der
überhaupt im Wesen der Kugelgestalt begründeten Theilungen und Weiterbildungen ihre Begründung findet.
Hinsichtlich der weitern Erörterung dieser Sätze im Allgemeinen und der letztem insbesondre, kann
ich nun liier nur auf das schon angeführte demnächst erscheinende Werk verweisen; einige der wichtigsten
Resultate jener Construclion jedoch, in so weit sie zur Verständniss der Grundgestalten des Skelets, und
der Einheit in der Mannichfaltigkeit seiner Formen nöthig ist, sollen hier noch angeführt werden.
Zur Erläuterung des Nachfolgenden werden folgende vier Schemata dienen:
Die Kugel und zwar, weil sie lebendige Weichgebilde umschliesst, als H o h lk u g e l, ist die Grund-
gestalt aller Skeletbildung, und von ihr aus wird eine dreifache Bildungs^eihe bedingt, indem 1) sie einfach
bleibt und sich in sich selbst nur weiter gliedert, oder indem 2). sie mehrfach wird und zu einer
Reihe von Kugeln sich vervielfältigt, und 3) indem diese beiden Gliederungen zugleich Vorkommen.
1) D ie e in f a c h e H o h lk u g e l hat zuvörderst die Neigung, durch ihr Mass, welches ein grösster
Kreis ist, sich in vier Segmente zu theilen, da nach bekannten Lehrsätzen die Fläche des grössten Kreises
einer Kugel absolut gleich ist dem Viertheil der Kugelfläche. Sie t h e i l t S ich daher entweder durch einen
senkrechten grössten Kreis I. a. in zwei Seitenhälften, oder durch einen wagerechten grössten Kreis I. b. in
obere und untere Hälfte, oder durch beide zugleich oder durch unbestimmt viele Zonen, deren Zahl jedoch
am häufigsten durch die Fünfzahl bestimmt wird I. c., und diess sind die Theilungen der einfachen Kugel.
*) Ausführlicher sehe man die Resultate dieser Untersuchungen in dem bald erscheinenden Werke von den Ur-Thcilen des Knochen- und
Schalengerüstes.
2) D ie K u g e l w ir d m e h r fa c h , indem sie sich d) in g le ic h e r D ig n it ä t in e in e r u n b e -
b e s t im m t e n M e h r z a h l w ie d e r h o l t , wodurch eine Reihe von in einander geschobenen Hohlkugeln entsteht,
wie bei II. Nothwendig bleiben dann von den mittlern Kugeln blosse ringförmige Abschnitte, wie
H. a. übrig. Diese sind es., welche das Vorbild abgeben für alle, gemeinhin mit dem Namen W ir b e l belegten
Gebilde , und welche desshalb von mir überall, wro sie als Umschliessung des gesammten Umfanges
vom Thierleibe Vorkommen, um so wenig als möglich neue unverständliche Namen zu bilden, Ur-Wirbel
genannt worden (z. B. bei IV. a. a.)^.,^b) D ie K u g e l w ird m e h r fa c h , in d em s i e s ic h in od er an
s ic h s e lb s t in g e ä n d e r te r D ig n itä t in n ie d e r e r o d e r h ö h e r e r P o t e n z w ied e r h o lt. Diese Wiederholungen
stellen wieder die oben erwähnte Dreiheit der gesammten Bildungsreihe ,der Kugel (deren höherer
Grund immer das Gesetz der Thesis, Antiihesis u nd,Synthesis ist) auf das Vollkommenste dar, indem
zuerst die Ur-Kugel I. A. in ihrerWesenheit bleibt, zweitens die erste Wiederholung I. B. oder I. B‘. die
Ur-Kugel in zweiter Potenz als Secundarkugel darstellt, welche sich in Antithese zur ersten Thesis setzt,
und drittens die zweite Wiederholung I. C. oder I. O. die Urkugel in dritter Potenz als Tertiarkugel darstellt,
welche als Synthesis die Verbindung zwischen Urkugel und Secundarkugel vermittelt. — Hiermit
wären also die zweierlei Wiederholungen und Vervielfältigungen der Kugel geschlossen.
3) D ie K u g e l t h e i l t s ic h in s i c h s e lb s t u n d w ird z u g l e ic h m e h r fa ch , sowohl in gleicher
Dignität als in den die Urgestalt in verschiedenen Potenzen wiederholenden Secundar- und Tertiarkugeln.
Hieraus entstände uns also der Begriff einer Ur-Kugelsäule, oder (wie wir nun auch sagen können, da
nach Obigem die mittleren Urkugeln als Wirbel anzusehen sind,) e in e r Ur w ir b e is ä u le umgeben mit Secundar
und Tertiarkugeln, welche, als solche, ebenfalls vervielfältigt, zu Secundar- und Tertiar-Ivugelsäu-
len, oder aus gleichem Grunde, wie bei obigen, zu S e c u n d a r - u n d T e r t iä r -W ir b e ls ä u l e n werden.
Hierbei ist nun noch 1) der Ort, wo sich die Secundar- und Tertiär-Wirbelsäulen entwickeln, 2) die
Richtung derselben, 3 ) die Bildung derselben zu erwägen.
1) D en Ort für Entwickelung von Secundar- und Tertiarwirbeln betreffend, so sind-dergleichen Entwickelungen
ursprünglich in unbestimmter Vielheit überall am Urwirbel möglich. Jede innere Unbestimmtheit
ist aber Merkmal eines niedern Typus, .und die höhere Bildung wird stets durch ein bestimmtes einwohnendes
Gesetz bezeichnet. Die gesetzmässigern Entwickelungen werden desshalb vqn den Theilungsstellen des
Urwirbels bestimmt, ungefähr, wie schon an der Pflanze die Theilungen (Knoten) des Stängels* die Hervorbildung
secundärer Stängel (Zweige) und Blätter andeuten. Die ursprüngliche Skeletkugclfläche aber theilt
sich aus oben erwähnten geometrischen, in der Wesenheit der Kugel bedingten Gründen: d) durch zwei
rechtwinklig gelegte grösste Kreise I. .a. b. in vier Segmente. Hieraus entstehen denn im Urwirbel, als einem
mittlern Kugelsegment, :vier Theilungspuhkte IV. 1. 2. 3. 4 ., und diese werden also zuvörderst für
Hervorbildung secundärer und tertiärer Wirbelgebilde sich eignen. — b) Der grösste Kreis der Kugel
selbst ¡aber theilt sich am einfachsten eben-so wie die Kugel durch ihr Mass, d. i. den grössten Kreis, durch
s e in ursprüngliches Mass, d. i. den Radius, in s e ch s Theile; und so entstehen dann am Urwirbel wieder
s e c h s Theilungspunkte, von welchen jedoch zwei mit zwei der frühem zusammenfallen, s. ;IV. 5. 2. 6. 7.
4. 8 . Da also von der Vier- und Sechstheilung zwei Punkte zusammenfallen, so erhalten wir im Ganzen
acht Theilungspunkte des.Urwirbels, von welchen aus secundare und tertiäre Gebilde sich entwickeln,
und in Wahrheit sehen wir in allen höhern und bestimmten gegliederten Skeleten nie anders, als von diesen
acht Punkten aus dergleichen Entwickelungen zu Stande kommen. — So weit denn von dem Orte für
diese Weiterbildungen des Urwirbels! ■:—
Was 2) d ie R ic h tu n g d er S e c u n d a r - o d e r T e r t ia rw ir b e lS ä u le n b e t r if ft , So kann sie in
Beziehung auf die Urwirbelsäule II. b. c. zweierlei sein, entweder nämlich ihr p a r a ll e l H. a. ß., oder r a d
iä r von. ihr abweichend II. y. S. — Ist die Ur-Skelelkugel einfach, so sind natürlich bloss radiäre Ausstrahlungen
möglich (s. I. £•), da hingegen in einem Urwirbel, der zu einer Reihe; oder Säule von Urwir-
beln gehört, parallele und radiäre Secundar- und Terliarwirbelbildungen zugleich Vorkommen können. —
Hier ergibt sich nun ferner als strenge Folge des Vorigen: d a ss d ie p a r a ll e le n W ir b e ls ä u l e n b i ld u n -
gen s ic h n am e n t lic h a u f d ie v ie r u r s p r ü n g lic h e n T h e ilu n g e n d e r S k e le tk u g e lf lä c h e (s. IV.
1.2. 3 .4 .) , d ie r a d iä r e n W ir b e ls ä u l e n b i ld u n g e n h in g e g e n s ic h , ih r e r Natur g em ä s s , a u f d ie ,
dur ch d en R a d iu s des g r ö s s t e n K r e is e s b e s tim m te S e c h s th e ilu n g , s. IV. 6. 7. 4'. 8. 5. 2'., bez
i e h e n müssen. — In Wahrheit finden wir denn auch in allen höhern, gesetemässig gegliederten' Skelet-
forrnen, d. i. in allen Haut- oder Nervenskeleten der Polymerien, Insekten, Fische, Lürdhe, Vögel und Säu-
<*ethiere s äm m t lic h e p a r a l l e l e W ir b e l s ä u l e n nur als obere und untere, seltner und nur angedeütet
(wegen des Antagonismus’zu den stark entwickelten vorigen) als rechte und linke .Säulenbildung vor;, hingegen
alle a u s s t r a h le n d e u n d d ie E x is t e n z d e r G liedm a s s e n b e d in g e n d e s e c u n d a r e öd e r
t e r t iä r e W ir b e lb i ld u n g nur als seitlich untere (Bedingung der FüsseJI?seitlich obere (Bedingung der
InsektenflügeFu. s. w.);,j mittlere obere (Bedingung der Rückenflossen u. -ss.! w.), mittlere untere (Bedingung
der mittlern untern [Anal] Flossen u. s. w.) entwickelt.
Was endlich 3 ) d en u r s p r ü n g lic h e n T y p u s d e r B ild u n g d ie s e r e in z e ln e n W ir b e l betrifft,
so sind a) d ie U rw irb e l, wie wir gesehen haben, ringförmige Segmente; von Hohlkugeln,* welche
sich nach den angegebenen Theilungszählen, zuhöchst in acht Theile, in ihrem Umfange zerfallen. Alle
vollkommene, oder unvollkommene ringförmige Gebilde, welfche den Leib der h ö h e r gegliederten Thiere, und
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