Durchgehen der späterhin im Einzelnen erläuterten Beispiele verschiedener thierischer Entwicklungen von
besonderm Interesse seyn möchten.
B i l d . u n g s - G e s e t z e.
a ) Im A l l g e m e i n e n .
1) Alles Entstehen, alles sich Bilden ist seinem Wesen nach ein Hervorgehen eines Bestimmten aus
einem imbestimmten Bestimmbaren.
2 ) Alles Vergehen, alles Zurückgebildetwerden ist ein Auflösen eines Bestimmten in ein Unbestimmtes,
welches sofort wieder einer neuen Bildung fähig wird.
$..) *. In wiefern cilles in Zeit und Raum Bestehende durch Bildung entstanden und der Rückbildung
unterworfen ist, werden wir genöthigt, die gesammte Natur als ein unendliches, in ewiger Bildung und Umbildung
begriffenes, Ganzes zu denken.
4 ). : Das selbstthätige Entfalten eines Bestimmten aus einem Unbestimmten ist aber ursprüngliche und
stätige Erscheinung des L eb en s.
5 ) Jedes lebendige Wesen, inwiefern es aus sich selbst Mittel seiner verschiedenen ausübenden Wirkungen,
d. i. Werkzeuge, Organe erschafft, heisst O rg anismu s.
6 ) Die Natur ( das Bildende, (pvais von g>vm oder natura- von nascor ) , inwiefern sie rastlos neue Erscheinungen
ihres innern Lebens hervorruft, ist der Organismus schlechthin (Makrokosmus)v Iedes einzelne,
sich aus sich selbst entwickelnde Naturwesen, in wiefern es nur im allgemeinen Organismus der Natur bestehen
kann, sein Leben mir Ausfluss höhern Ur-Lebens ist, heisst Theilorganismus, endlicher, individueller Organismus
(Mikrokosmus), imd seine Entfaltung ist nur unter Einwirkung des allgemeinen Naturlebens möglich.
7 ) Jeder individuelle Organismus entwickelt sich nach dem allgemeinen Gesetze (1 ) aus dem räumlich
unbestimmten Bestimmbaren in einer bestimmten Zeit zu einem räumlich Bestimmten. Einen räumlich, semen
Grenzen nach, unbestimmt bestimmbaren Stoff nennen wir f lü s s ig . Das Flüssige (elastisch oder tropfbar
flüssiges) ist daher das Element aller organischen Entwickelung oder der natürlichen Bildung überhaupt.
8 ) Ist nun das Flüssige Element organischer Bildung, so folgt daraus, dass es überhaupt das ursprünglich
Lebendige sei-, wenn hingegen das Erstarrte als ein Produkt, oder Residuum dieses Lebens, in
welchem die lebendige Wirkung untergegangen zu betrachten ist, als ein Produkt, welches wieder in das
ursprünglich Flüssige aufgelöst werden muss, wenn es von Neuem lebendig erscheinen, und einer neuen
Gestaltung fähig werden soll.
9 ) Zwischen dem Flüssigen und völlig Erstarrten steht aber d a s W e i c h e mitten inne, in welchem
sich einzelne erstarrte Atome überall durchdrungen von Flüssigkeit zeigen. Hierin auch liegt nun m Vergleich
mit dem oben Gesagten der Schlüssel, um die Lebenserscheinungen weicher Theile zu begreifen.
Wir sehen nämlich in dem weichen Gebilde zwar schön eine gewisse feste Begrenzung des Individuums
erlangt, und in sofern nähert es sich dem völlig Erstarrten und Erstorbenen; allein anderen Theils ist auch
die Flüssigkeit als das ursprünglich Lebendige in ihr vorhanden, das Leben ist in seinem Produkte nicht
u n te r g e g a n g e n , es wirkt vielmehr fort und fort die Bestimmung des Ganzen, verändert die Form durch
Ausdehnen und Zusammenziehen, und stellt demnach das Weiche eben so bestimmt als O rg an d e s L e b
e n d ig e n dar, wie das Flüssige als E lem e n t desselben anzusehen war.
10) Der einfachste und reinste Ausdruck der gleichmässigen Beziehung gleichartiger Theile auf eh
nen gemeinsamen Mittelpunkt ist K u g e lg e s t a l t . Ein räumlich imbestimmt Begrenztes, ein Flüssiges,
muss daher, sobald es überhaupt als ein Besonderes existirt, d. i. in seiner Gestaltung frei durch ein inneres
Einheitsprincip, gleichsam durch einen innem Schwerpunkt, bestimmt wird, nothwendig die Kugelgestalt
annehmen, und eben deshalb wird d ie K u g e l z u g le ic h z u r u r s p r ü n g l ic h e n Form a lle s
O r g a n is c h e n , da die Beziehung eines vorher räumlich unbestimmt Begrenzten'auf eine innere Einheit,
ja die erste Stufe aller organischen Einheit ist.
' l l ) Ist nun ferner jede Bildung ein in bestimmter Zeit erfolgendes Hervorgehen eines Bestimmten
aus einem Unbestimmten, eines Mannichfaltigen aus einem Einfachen, einer Vielheit aus einer Einheit: so
ergiebt sich daraus auch, dass die Bildungen in G e g en sä tz en (polarisch) erfolgen müssen. Es sei nämlich
die Einheit gegeben, und sie soll zur Vielheit werden, so kann diess nur durch Theilung geschehen.
Nun ist aber die einfachste Art der Theilung, d ie T h e ilu n g in zw e i, welche durch abermalige Theilung
immer grössere Vielheit hervorbrihgt; und so wird also der Begriff des Gegensatzes, welcher kein anderer
ist, ah der aus einer Einheit in gleichem Maasse hervorgegangenen Zweiheit, vollkommen ausgesprochen.
Soll zwischen zwei Entgegengesetzten die Idee der ursprünglichen Einheit Statt finden, so entsteht hieraus
eine wesentliche Dreiheit; und wie nun überhaupt durch diese Vereinung der Entgegengesetzten die Diffc-
renzirung vollkommen beschlossen ist (s. Anmerk.) so erklärt sich nun durch Wiederholung dieses Verhältnisses
eine bestimmte Darstellung aller möglichen Zahlenverhältnisse. Jene ursprüngliche Dreiheit ist
aber in allen Denkformen als Thesis, Antithesis und Synthesis durchgebildet.
Anmerkung. Ein mathematisches Beispiel über die Nothwendigkeit dreifacher Theilung zur Darstellung eines Besondern giebt die
Theilung einer unendlichen Linie. Theilen wir nämlich eine solche Linie an irgend einer Stelle, so bleiben immer noch zwei einseitig
unendliche (also noch keinesweges räumlich begrenzte) Linien übrig. Theilen wir dieselbe hingegen an zwei Orten, so
erscheint nun erst zwischen den Theilungsstellen die bestimmte, d. i. endliche Linie.
12) Ist nur die ursprünglich organische Gestalt d ie K u g e l, und geschieht überhaupt eine jede weitere
Fnfaltung n a c h G e g e n sä tz e n d u r c h innereDifferenzirung, so ist eine nothwendige Folge, dass bei
fortschreitender Bildung die Kugel sich in a n d e r e Formen umändern müsse *)■, und von hier aus begreifen
sich nun die unendlich vielartigen Umänderungen, welche die ursprüngliche Kugelgestalt während der
organischen Entwickelung durchläuft; Umänderungen, welche jedesmal nach dem Wesen der sich gerade
zur Ausbildung drängenden Ideen verschieden seyn müssen.
Nach dieser Betrachtung der Gesetze organischer Bildung im Allgemeinen wird jetzt näher in Erwägung
zu ziehen seyn, welche besondere Gesetze der Entwicklung wir ausfindig zu machen vermögen für die
Entstehung jener lebendiger Wesen, welche wir insbesondere mit dem Namen der Thiere belegen. Es sey
jedoch hierbei gleich am Eingänge bemerkt, dass überhaupt jehe Absonderung einer gewissen Reihe von
Lebendigen unter einem besondern Namen nie einen zu sehroffen Begriff von Trennung d ie s e r Organismen
von ändern veranlassen darf, denn, wie die Griechen réeht schön das Thier C<Sov nannten, weil gattv ihnen
Leben hiess, und im Thier das Leben am reinsten hervortrat, so verdient zwar auch bei uns das Thier
den Namen des Lebendigen ganz vorzüglich, (unsre Sprache legt deshalb nur dem Thiere einen L e ib zu,
welches Wort eben so von L eb en abzuleiten ist wie Z<3ov von- i®«") ohne jedoch deshalb seiner innern Natur
nach von den übrigen Lebendigen, heisse es nun Pflanze oder Weltkörper, wesentlich verschieden z.u seyn.
b) G e s e t z e d e r t h i e r i.s c h e n E n t w i c k l u n g , i n s b e s o n d e r e . .
13) Wie das Organische überhaupt sich nur aus dem Flüssigen entwickeln kann (s. Ges. ¡j|ip$!so
auch insbesondere das Thier. Daher rührt es, dass nicht nur alle Thierbildung sich bis auf das Element
des Flüssigen zurück verfolgen lässt, und im Flüssigen geschieht, sondern auch, dass die nur zu einer niedrigen
Stufe der Entwicklung gelangenden Thiere zeitlebens Wasserthiere bleiben und nur im tropfbar Flüssigen
leben können.
14) Diejenige Art des tropfbar Flüssigen, welche wir. Eiweissstoff nennen, ist das besondere Element
der Thierbildung.
15) Da das Thierflpeöfc jedem Organischen aus einem Einfachen1 ein Mannichfaltiges wird (Ges.
H .) , und die einfachste Gestalt'die Kugel ist (Ges. lo |g is o muss auch für das Thief die primitive Gestalt
die Kugelgestalt seyn. — Die aiis EistofE gebildete, zu weiterer t h i e r i s c h e r Entwicklung bestimmte, primitive
Kügel nennen w i r á ’ ■■■
16) 'Das Ei entspricht dem,-was wir an der Pflanze das Samenkorn nennen, wie man aber an der Pflanze
erkannt hat, dass'das Samenkorn und Knospe, Knolle, Zwiebel u. dergL nur verschiedene Gestalten eines
und/desselben sind, s o Ä auch am Thiere anzüerkennen: nicht diejenigen Gebilde allein, welche gemeinhin
mit dem Ñamen Eier bezeichnet werden, verdienen diesen Namen, sobald wir ihn inr obigen Sinne
(-Ges; 15) nehmen, sondern jedl: Abtheilung des Eistofles, in welcher sich organische Weiterbildung als
Streben nach Darstellung eines neuen Individuums regt**). "Es verhalten sich demnach einzelne Körpertheil-
chen der sich aus jedem Stuck wie*der erzeugenden Hydra und die Sprossen oder Knospen der Tubujariea und
Hydren zum gemeinhin sogenannten E i, wie Knospe der Pflanze zum Samenkorn derselben, d. i. ,p,e sind im
Wesentlichen eins und dasselbe. Der minder wesentliche und einzige Unterschied, welcher dem
gemeinhin sogenannten Ei und diesen knospenartigen Gebilden statt findet, ist, dass das ersten! nur an emer
bestimmten Stehe des schon entwickelten Individuums sich erzeugt, welche Eierstock genannt wird.
Anmerkung. Diese Ghnchbedeutung der Eier mit jenen Sprossen fest im Auge zu behalten ist wichtiger, als esfflr den ersten Anblick
scheinen möchte; denn nnr von hie, ans wird man die richtige Auflassung des Verhatnisses von einer Generation zur folgenden g |
neration gewahr werden. - Wie nämlich am Stock einer Hydra die »in hervorkommenden Individuen anfangs deutlich integnrende
Theile und dann gleichsam Gliedmanssen des mütterlichen Tiñeres, welche erst später sich Sblosen, sind, so erkennt man
in höliem Geschüpfen und selbst im Menschen, dass eine neue Generation nichts anders séy¡ als ein un d derselbe fortwachsende,
nur immer mehr siäi zertheilende, Leib der frühem, und so zurück Ml auf die früheste uns unbekannte Entstehung; de» ersten
Organismus dieser Art. Anstatt also sicKjede Generation als ein nnter Zusammenwirkung der Geschlechter neu Entstandenes
zu denken, wird man sie sich etwa unter dem Bilde einer Wadnng vorznstellen haben, welche durch Einwnrzeln und slhnählig
selbständig werdin der Zweige ejnes Baumes (etwa wie bei Heus räigiosa) entstanden ist, und wo jeder junge Baum wahrhaft
nur der fo rte ew a ch sen e Stamm des ersten m ü tte rlich en Baumes ist.
17)' - Vergleichen wir jenen ursprünglichen Zustand aller Thiere als Ei mit dem ausgebddeten Zustande
der verschiedenen Thiere, so finden wir einen A b s ta n d der B ild u n g , welcher um ^ g rö sse r ist,
je höher die Ordnung welcher das Thier angehört. Je höher also die Organisation; desto weitlaulhger und
länger die Reihe organischer Differenzirungen, und (was durch dieselben gegeben) orgamsc er etamor
, *> Bl- hierher war dio Barateli«», dieser Gesetz, entlehnt au. dm ln m e in em „B r -T h e ll.n des Knochen- und Schalenenüste.“ (h.ipai, 1828)
aufgestellten Vorbegriffen.
**) Nur in d ie s em Sinne ist der alte Spruch wahr: „ omne vivum ex ovo.“