Zu derselben Zeit erhielt ich von Herrn Geheimrath Bastian ein Manuscript über
„Das Tätowiren in Mikronesien, speciell auf den Carolinen“ von J. S. Kubary, dem als
ethnologischen Sammler und als unstreitig besten Kenner der mikronesischen Inselwelt
rühmlichst bekannten Naturforscher, welches ich ebenfalls gerne in diesem Bande veröffentliche,
weil die Ansichten des Verfassers über Sinn und Zweck der Tätowirung
nicht nur vollständig mit den meinen übereinstimmen, sondern zumal weil Zeichnungen,
mit solch peinlicher Sorgsamkeit durchgeflihrt und von solch überraschender Naturtreue
wie die Kubary’s* bisher wohl nicht aus jenen fernen Eilanden veröffentlicht
worden sind. Beide Abhandlungen erhielt ich, wie schon bemerkt, nachdem icfh 'mein
Manuscript abgeschlossen hatte; da ich mich nicht für befugt hielt, Aenderungen in
ersteren anzubringen, so möge der Leser, (ebenso wie bei den vielen Gitaten, die.
ich in möglichst unveränderter Form zu bringen bestrebt war), verzeihen, wenn die
Orthographie nicht eine streng einheitlich durchgeflihrte i s t .—
Bei meinem Besuche der vorjährigen „Indian and Colonial Exhibition“ in London
sah ich in der neuseeländischen Abtheilung mehrere Porträts von tätowirten Ma,oris.
Nach meiner Rückkehr nach Berlin veranlasste ich Herrn Preissler (Dresden) sich
nach London zu begeben und dort nach eingeholter Erlaubniss des betreffenden Aus-
stellungs-Comit6s Copien mehrerer Oelbilder, Photographien, ethnographischer Gegenstände
u. s, w. anzufertigen. Herr Preissler hat sich dieser Aufgabe mit Liebe und
Lust und ebenso künstlerischem wie wissenschaftlichem Verständniss entledigt.
Die Zinkätzungen stammen aus der Feder der Herren Kubary, Preissler und
meiner Frau, welch letztere ebenfalls die Tafeln W ill und IX nach den Originalen auf
meinen Armen zeichnete.
Zum Schluss freue ich mich, auch den Herren A. Asher & Go., sowie Herrn
C. L. Keller in Berlin, aus dessen Atelier die Farbendrucke hervorgegangen sind, für die
Bereitwilligkeit, mit der sie jedem meiner Wünsche entgegenkamen, sowie für die Sorge,
mit der sie sich die Ausstattung des vorliegenden Buchs angelegen sein Hessen, hier
meine wärmste Anerkennung aussprechen zu können.
B e r l in , Öctober 1887.
WILHELM JOEST.
Der Gebrauch, die Oberfläche des Körpers, wie sie die Natur dem Menschen
verliehen hat, durch B em a lu n g , durch N a r b e n z e i c h n u n g oder durch farbige
T ä t o w i ru n g zu verändern, findet sich bei den verschiedensten über den ganzen Erdkreis
vertheilten Völkern. Diese Hautverzierungen bezw. Verletzungen, sowie die Art
und Weise, wie sie beigebracht werden, entsprechen näturgemäss, abgesehen von
geographischen und anthropologischen Modificationen, dem Culturstandpunct, den die
betreffenden Menschen selbst einnehmen: bei rohen, wilden Naturvölkern wird auch
die Operation grausam, blutig sein, während bei zivilisirteren Völkern zur Ausführung
derselben schon fein gewisser, oft sogar ein hoher Grad von Kunstsinn und Geschmack
erforderlich ist.
Heute, wo der Alles durchdringende europäische Einfluss jeder Eigenartigkeit auf
dem Gebiet der Ethnologie ein Ende zu machen droht, heute können wir noch in
letzter Stunde jene merkwürdige Sitte in allen ihren Stadien, sei es im Entstehen, im
Schwange oder im Verfall, beobachten, ebenso wie wir aus Spuren und Resten, die
anscheinend wenig oder gar nichts mit jenem ursprünglich barbarischen Gebrauch zu
thun haben, auf ein früheres Herrschen desselben auch bei den heute allerzivilisirtesten
Völkern sehliessen dürfen.
Bei der Behandlung des reichlich von allen Seiten heranströmenden Materials
ist nun, auch wenn man die beste Absicht hat, das vorgesteckte Ziel auf dem nächsten,
geradesten Wege zu erreichen, die Versuchung eine beinahe unwiderstehliche, auf