Gebieten. Und in diesem s p o r a d i s c h e n Auftreten von Tätowirung bei den melanesi-
schen Stämmen liegt der Kernpunct der interessanten F ra g e , warum gerade hier die
Tätowirung auf Gebiete von so geringer Ausdehnung beschränkt ist? Ich will mich nur
auf meine eigenen Erfahrungen in Neu-Guinea stützen, dessen Küsten ich vom Papua-Golf
im ganzen Südosten und Nordosten bis Humboldt-Bai nebst den d’Entrecasteaux- und
einigen Inseln vor Ostcap kennen lernte. E s finden sich in diesem sehr ausgedehnten
Gebiete drei hervorragende Centren für Tätowirung, Oasen zu vergleichen, nämlich an
der Südostküste: der P o r t M o r e s b y -D i s t r i c t und etwas weiter nach Osten bis
Keppel-Bai; im Osten: e in ig e In s e ln s ü d ö s t l i c h v o n O s t c a p , und an der ganzen
Nordostküste: nur H u m b o ld t -B a i .
Bei der allgemeinen Betrachtung müssen zunächst folgende charakteristische Puncte
hervorgehoben werden:
1 . jedes dieser T ä t o w i r u n g s - C e n t r e n h a t s e in e b e s o n d e r e n E i g e n t
ü m l i c h k e i t e n in Betreffs Zeichnung und Muster;
2. k e in s d i e s e r M u s t e r s t im m t m it s o l c h e n d e r o c e a n i s c h e n h e l l f
a r b ig e n S t äm m e d e r S ü d s e e ü b e r e in .
Dieser letztere Punkt ist deshalb wichtig, weil, er die Annahme widerlegt, dass
die hier wie an so vielen andern Puncten der Erde s p o n t a n entstandene Sitte des TätOr.
wirens bei den Papuas durch zurückgebliebene hellfarbige Malayopolynesier eingeführt
wurde. Wäre dies der Fall, so würde sich ohne Zweifel in der Anordnung der Zeichen
wie der Paterne selbst, leicht ein Zusammenhang nach weisen lassen.. Aus diesem Grunde
ist die Tätowirung zur Erklärung der Verbreitung der-Rassen von ungemeinem Interesse
und wie in gerade diesem Falle sehr bedeutungsvoll.
Ueber die Tätowirung der Motu in Port Moresby und anderer benachbarter Küstenstämme
habe ich mich a. a. O.1 ausführlicher geäussert und die dort eigenthümlichen Muster
durch Skizzen veranschaulicht. Mit wenigen Ausnahmen* ist die Zeichnung, wie bei
allen Papuas, a s ym m e t r i s c h , schon deshalb, weil sie zu verschiedenen Zeiten und von
verschiedenen Personen ausgeführt wird. Das Charakteristische der Tätowirungs-Paterne
bei den Motu besteht in gewissen schriftartigen Zeichen, die zuweilen so frappant sind,
dass ein englischer Forscher eine neue Art Keilschrift in ihnen entdeckt zu haben
glaubte, deren Lösung sich indess bald als unausführbar erwies. Das Zeichen des
Kreuzes und zwar ein unserem Landwehrkreuz ähnliches, ist in diesem Theile Neu-
Guineas ebenfalls häufig vertreten. Selbstredend wird dasselbe aber Niemand auf Christ-■
1 „Ueber Bekleidung, Schmuck und Tätowirung
der Papuas der Südostküste von Neu-Guinea“ in : „Mittheil.
der Anthropol. Gesellsch. in Wien“ 1885. — Ins
Französische übertragen in: „Revue d’Ethnol.“ 1886
2 Hierzu gehört die junge Frau von Maupa/
Fig. 35» welche eine durchaus symmetrische Zeichnung
aufweist und eine Paterne, die von der in Port Moresby
üblichen sehr abweicht.
liehen Einfluss zurückführen wollen, denn es wurde bereits angewendet, ehe Missionare
ins Land kamen. Ich habe mir grosse Mühe gegeben, die Bedeutung der verschiedenen
Zeichen und ihrer Anwendung zu erforschen, kam aber nur zu dem Resultat, dass der
„Gato“ , ein von den Achseln bis zur Brustmitte herabgehender spitzwinkeliger Streif
als Zeichen der Verheirathung Bedeutung hat, da er die verheirathete Frau wie das
verlobte Mädchen ziert. Alle übrigen Zeichen haben keine besondere Bedeutung und
werden nur nach den betreffenden Körpertheilen benannt. Wie es scheint, hängt in
dem kleinen Districte von Hood-Bai die Tätowirung der Schamtheile mit vollendeter
Reife zusammen, aber ich habe mir in diesem heiklen Capitel nicht aus eigner Anschauung
Gewissheit verschaffen können. Aber das kann ich als sicher behaupten, dass
die Tätowirung der Weiber in diesem Gebiete l e d i g l i c h d en Z w e c k d e r K ö r p e r v
e r z i e r u n g hat, und weder besondere Rangstufen noch Ereignisse bezeichnet. Trotz
der grossen Aehnlichkeit der Paterne wird man bei genauerem Studium bald herausfinden,
dass kaum zwei Individuen ganz gleich und an demselben Individuum selten beide Körperseiten
genau in demselben Muster tätowirt sind. Auch wird in der Jugend nicht als
Regel mit denselben Körpertheilen angefangen, sondern alles dies ist willkürlich. Das
Gesagte bezieht sich übrigens nur auf das weibliche Geschlecht, welches Tätowirung am
häufigsten, aber keineswegs ausnahmslos verwendet. Da das Tätowiren bezahlt werden
muss, so ist es erklärlich, dass arme Mädchen und Frauen weniger opulent verziert
sind als reiche, aber den „Gato“ trägt wohl jede verheirathete Frau. Es kann übrigens
auch bei Unverheiratheten Vorkommen, dass eine Verlobung rückgängig gemacht wird,
die Verlobte muss in diesem Falle natürlich den Gato behalten.
Bei Männern ist Tätowirung sehr selten und meist auf eine Brust- oder Schulterseite
beschränkt. Hier haben die einfachen, aber keineswegs übereinstimmenden Muster
in den meisten Fällen eine gewisse Bedeutung und zwar bezeichnen sie den Helden, der,
meist hinterlistig, seltener offen, einen Feind erlegte. Aber auch diese Bedeutung ist nur
sehr beziehentlich, da z. B. schon Derjenige, welcher seine Waffe an einem bereits todten
Feinde gebrauchte, sich mit der Tätowirung des Helden schmückt, ja sogar der Sohn
eines solchen Helden sich dieselbe zulegt. Man kann sich also in dieser Richtung sehr
irren und nicht jeder Mann mit Tätowirung ist deshalb ein erprobter Kämpe, ebenso
wenig als man die Zahl der erschlagenen Feinde ohne Weiteres an der Tätowirung
erkennen kann.
E s verdient Beachtung, dass die Tätowirung der Motu keine allgemeine Verbreitung
bei den Nachbarstämmen gefunden hat, obwohl sie von Allen schön gefunden
wird. So lassen sich die Weiber aus dem Binnenlande, wie namentlich die aus den
Küstendörfern des Papua-Golfs, welche geregelt mit der Sago-Handelsflotte Port Moresby
besuchen, gewöhnlich die eine oder die andere Körperpartie tätowiren, weil sie so ihren
Männern besser gefallen, oder als Erinnerungszeichen an die Fahrt.