Ein Reisender, der vorübergehend den Papua-Golf besuchte, ohne in Port Moresby
gewesen zu sein, würde von vereinzelter Tätowirung der dortigen Frauen berichten,
ohne zu wissen, dass dieselbe anderwärts gemacht wurde.
Ich habe die Tätowirung an der Südostküste nur bis Keppel-Bai (Aroma) verfolgen
können und weiss nicht, wie weit dieselbe weiter nach Osten verbreitet ist. Aber
ich war erstaunt, an der ganzen Nordostküste von Ostcap, mit den d’Entrecasteaux-
Inseln, bis Humboldt-Bai keine1 Tätowirung anzutreffen, mit Ausnahme der letzteren
Localität. Hier fand ich aber nur bei Frauen, übrigens im Ganzen vereinzelt, eine sehr
schöne, zwar nicht sehr reiche, aber in der Paterne sehr eigenthümliche Tätowirung,
aber ebenso häufig, wenn nicht häufiger Ziernarben und zwar nicht selten bei demselben
Individuum. Das Charakteristische der Zeichnung in Humboldt-Bai besteht in dem Vorkommen
von Bogenlinien, auch wird die ganze Zeichnung, die sich übrigens nur auf
Brust und Arme beschränkt, aus Linien gebildet, nicht aus den breiteren Streifen, wie
sie an der Südostküste üblich sind.
Bei den Männern in Humboldt-Bai habe ich keinerlei Tätowirung, wohl aber
Ziernarben in zum Theil sehr hübschen Schnörkeln auf Achseln, Schulter oder Brust
gesehen, solche aber auch vereinzelt an anderen Orten der Nordostküste.
Wir'kommen nun zu dem dritten Tätowirungs-Centrum, das schon deshalb ganz
besonders interessant ist, weil es sich auf einige kleine Inseln an der Ostspitze Neu-
Guineas beschränkt und so recht eigentlich einer Oase zu vergleichen ist. Nur durch
die Chinastrasse vom Festlande getrennt, zieht sich vom Südende der tief einschneidenden
Milne-Bai ein Archipel kleiner bergiger Inseln nach Osten, unter denen Basiraki (Moresby-
Insel), Urapotta (Basilisk-Insel) und Sariwa (Hayter-Insel) die grössten sind. Diese Inseln,
der Moresby - Archipel, sind weiter nach Osten mit dem Louisiade-Archipel verbunden,
der, wie dieses ganze Inselgebiet, einschliesslich der d’Entrecasteaux - Gruppe, mit zu
Neu-Guinea gehört. Und dies gilt auch bezüglich der Eingebornen, die, höchstens
durch die Sprache unterschieden, im Uebrigen so typische Papuas sind, als die Bewohner
des Festlandes. Ich hatte an der circa 1000 Seemeilen langen Küste von Humboldt-
Bai bis Milne-Bai keine Tätowirung gesehen und wunderte mich daher nicht, dass sie
auch in letzterer Localität fehlte, ich war daher äusserst überrascht, plötzlich auf Samarai
(Dinner-Insel) Tätowirung anzutreffen.
Samarai ist ein Inselchen in der Chinastrasse zwischen Sariwa und Rogia
(Heath-Inse|fe das früher unbewohnt, erst 1876 durch die Missionsstation eine geringe
Bevölkerung von circa 40 Köpfen erhalten hat. Letztere stammt meist von Rogia,
* Dieses „keine“ ist nicht völlig wörtlich zu
nehmen, denn ich habe allerdings an einigen wenigen
Puncten dieser Küste ganz vereinzelt Spuren von
Tätowirung beobachtet, aber so selten, dass si^ von
den Meisten übersehen worden sein würde.
O .F .
und Frauen ebendaher waren es, welche durch ihre so reiche Tätowirung meine Aufmerksamkeit
erregten. (Vgl. Tafel II nebst der Erklärung.) Dieselbe erstreckt sich über
das Gesicht, den Oberkörper, die Arme und Schenkel. Das Charakteristische der hier
üblichen Tätowirung besteht' in der eigenartigen Paterne. Sie wird auf Brust und
Rücken von Längslinien gebildet, welche eine verschiedenartige Querzeichnung, meist
Winkel- oder Grecmuster begrenzen und so breite Längsstreifen darstellen. Die
Anordnung dieser Streifen ist meist eine regelmässige, aber das ausfullende Muster
sehr verschieden und asymmetrisch, wie dies die Abbildung zeigt. Unter den Zeichen
des Musters sind stumpfe Winkel, verschobene N und Grecfiguren, also gerade Linien
vorherrschend, aber es kommen auch gebogene Linien und Figuren v o r , wie z. B. die
Kleeblätter auf der rechten Achsel der Abbildung.
Innerhalb dieser Grenzen herrscht grosse Mannigfaltigkeit und nicht zwei Individuen
sind gleich tätowirt, ganz wie dies in Port Moresby der Fall isfc. Wie dort verschwimmt
die nur leicht eingeritzte Zeichnung sehr häufig in den Conturen und verschwindet in
vorgerückteren Jahren durch Verblassen und Einschrumpfen der Haut fast ganz oder
wird doch mindestens sehr undeutlich. Aber der Zweck als V e r s c h ö n e r u n g sm i t t e l ,
namentlich flir junge Mädchen, um leichter einen Mann zu bekommen, ist ja dann bereits
erreicht worden, denn auch hier hat die Tätowirung keinen anderen Zweck. Selbst das
Auge des verwöhnten Europäers wird, wenn er längere Zeit unter solchen Stämmen
lebt, die Schönheiten der Tätowirung als Körperverzierung bald herausfühlen, und gut
ausgeführte Tätowirung von mittelmässiger und schlechter zu unterscheiden lernen. Es
kommt dabei ja ganz auf die Meisterschaft an, und obwohl fast alle Weiber zu täto-
wiren verstehen, so giebt es doch hervorragende Künstlerinnen und diese werden nie
unterlassen, ihr Zeichen, gleichsam als Schutzmarke, mit einzugraviren.
Wenn im Port Moresby - District noch der „Gato“ als Zeichen- für verheirathete
Frauen gelten darf, so fällt in diesem Gebiete auch dieses besondere Zeichen weg, und
jedes Mädchen, welches die Mittel dazu besitzt, lässt sich so reich als möglich tätowiren.
Ich sah kleine Mädchen, die noch nicht die Pubertät erreicht hatten, bereits theilweise,
sogar im Gesicht^ tätowirt, der beste Beweis, dass hier die Tätowirung nicht mit Geschlechtsreife
und dergl. zusammenhängt, noch weniger mit Religion, wie geistreiche
Compilatoren so gern herausklügeln wollen.1 E s wird nachgerade Zeit, dass diese wie
z. B . von W a it z , „on tHe fifeside“ gemachten Speculationen, der exacten Forschung an
Ort und Stelle weichen, in welcher Richtung ja leider ohnehin so wenig zuverlässiges
Material vorliegt.
* Solche und ähnliche Auffassungen haben für die
von mir bereisten Gebiete Melanesiens keine Berechtigung
und ich kann nur Allen, die dies nicht glauben
J obst, TStowiren.
wollen, mit dem gediegenen Kenner R omilly zurufen:
„Go there, and see for yourselvesl“
O. F.
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