In Yucatan war Tätowiren ein Vorrecht der Tapfern. D ie g o L o p e z C o go l lu d o ,
„Historia de Yucathan“ , Madrid 1688, schreibt in altmodischem Spanisch : „ihre Officiere
bearbeiteten sich das Gesicht, wo sie wollten, mit Farbe, die sie sorgsam trocknen
Hessen und dann zusammen mit dem Blut in die Haut hineinarbeiteten und zwar
allmälig wegen der grossen Qual und dennoch werden sie nachher krank, weil die
Stellen sich entzünden und sich Eiter bildet, aber gerade darum verspotteten sie die,
welche sich nicht bearbeiteten“ . 1
Das Muséum fur Völkerkunde besitzt mehrere kleine in Thon modellirte Köpfe
von Yucatan-Kriegern, deren Gésichter allerdings sehr „verarbeitet“ sind.
Neben den Incas und Mayas hingen denn auch die alten Mexicaner dieser Weltsitte
an (alle drei Nationen huldigten ausserdem dem viel barbarischeren Brauch, grössere
oder kleinere Pflöcke in Lippen und Wangen zu tragen): „se raiaban las caras“ , „sie
durchzogen ihre Gesichter mit Linien“ , wie T o rq u em ad a 3 sagt. „S e pintaban los pechos
y los brazos con una color que quedaba de azul muy fino, pintada en la misma carne,
cortândola con una navajuela“ .3
Der spanisch - christliche Einfluss hat diesen Gebrauch heute verdrängt, dafür
findet sich derselbe aber noch bei den mit Europäern weniger in Berührung ge kommenen
Pueblos4, den Neu-Mexicanern5 und dann überhaupt bei allen noch nicht
civilisjrten Eingeborenen No rd am erica s ,6 wenngleich bei der grossen Beliebtheit,
deren bei diesen die Hautbemalung sich erfreut, die Tätowirung oft nur auf das Ein-
punctiren des Totem oder einiger Schönheitslinien sich beschränkt. Von den Californiern
bemerkt schon V a n c o u v e r , sie wären „punctuated in the fashion o f thé South-Sea Isländers“
,7 ebenso B e e c h e y : „Tattooing is practised in these tribes by both sexes, both
to ornament the person and to distinguish one clan from the -other“ ;8 die heutigen
Dacota (Dakotah) „puncture the skin for ornament, as well as their arms and breast,
forehead or lips, but not often“ ,9 während bei den Chippeways und Apachen10 Tätowiren
noch allgemein ist.“ Die Bewohner des nördlichen America an der Ostküste
sowohl wie an der Westküste, von den Columbianern, Queen Charlotte-Insulanern,
1 pp. 186 u. 699. vgl. auch L anda, Diego de. Relation
de las cosas de Yucatan. Paris 1864. p. 82.
2 Monarquia Indiana. Madrid 1723. I. p. 255.
3 Sahagun (Bernardino). Hist. Gen. de las cosas
de Nueva Espaiia. Mexico 1829. III. Buch X. p. 133.
4 WuTTKE. p. 94; WaITZ. III. pp. 206, 325, 333.
5 Bancroft. p. 532.
6 Dasselbe behauptet der Americaner F letcher
1. c. p. 43; vgl. auch Möllhausen. Reisen in den
Felsengebirgen. Leipzig 1861. I. p. 124.
7 Voyage o f Discovery to the N. Pac. Ocean and
Round the World.- London 1798. I. p. 204 u. II. p. 246.
8 Narrative of a Voyage to the Pacific and
Beering’s Strait 1825—28. London 1831. p.4 0 1; vgl.
auch L angsdorff. 1. c. p. 144.
9 Schoolcraft. 1. c. p. 69.
10 Ausland 1886. p. 156.
11 Kirby im Smithsonian Rept. 1864. p. 219.
den HaidahV an bis hinauf zu den Eskimos der Beringstrasse3 tätowiren sich, theils
die Männer, theils die Frauen, heute noch gerade so, wie zu der Zeit, als die Europäer
zuerst mit ihnen bekannt wurden.
Ueber die Beringstrasse oder der Kette der Aleuten entlang können wir die
Sitte nach dem asiatischen Continent hinüber zu den Tschuktschen und nach Kamtschatka3
verfolgen, demselben Wege nachgehend, den die Sitte — vielleicht — einst
von Westen her gewandert ist. Die Aleuten punctiren sich das Kinn, den Hals und die
Arme und reiben dann den mit Urin angemachten Kohlenstaub in die Punctirung ein;
die Männer reissen sich sorgfältig die Barthaare aus, während die Frauen sich eine Art
von Schnurrbart bis um das Kinn tätowiren, so dass es in einiger Entfernung das Ansehen
hat, als hätten sie einen blauen Bart.4 Im nördlichen Asien tätowiren ferner
Ostjaken und Tungusen.5 Von Kamtschatka aus zieht sich der Brauch südlich den
Kurilen entlang über Sachalin und Yesso nach Japan. Die Aino-Mädchen lieben ebenfalls
tätowirte Schnurrbärte und verzieren ausserdem ihre Hände und Unterarme in recht
geschmackvoller Weise.6 In Japan ist der Gebrauch auf eine bestimmte Classe der
Bevölkerung'beschränkt und zwar auf eine der niederst stehenden, dennoch muss Japan
als das Land bezeichnet werden, in welchem h e u t e am s c h ö n s t e n und k u n s t v
o l l s t e n t ä t o w i r t w ird . Näheres hierüber folgt weiter unten.7 Von Japan zieht
sich die Linie weiter über die Liukiu-Inseln, wo die Männer die Hände tätowiren, die
Frauen das Gesicht mit Figuren von Drachen und Schlangen bedecken,8 und über
Formosa nach den Philippinen. Auf Formosa9 tätowiren sich beide Geschlechter der
Eingeborenen5 zumal die Frauen durch einen breiten Streifen über den Mund, quer
durch das Gesicht von Ohr zu Ohr und auf den Philippinen können wir die interessante
Thatsache constatiren, dass hier, wie oben begründet wurde, die dunklen Negritos Anhänger
der Narbenzeichnung, die helleren Igorroten u. s. w. solche der Tätowirung sind,
während die christlichen Tagalen die heidnische Sitte längst vergessen haben.
Von den Philippinen aus erreichen wir den Malayischen Archipel mit den Moluccen,
wo wir heute noch beinahe auf jeder der grösseren und kleineren Inseln oder Insel-
1 vgl. Kotzebue. 1. c. p. 159; Langsdorff. p. 204;
Bancroft, p. 159, 182, 210, 229.,
2 Choris. Voyage Pittoresque. III. p. 5; Beechey.
1. c. p. 263; Fr. Müller. Allgem. Ethnographie, p. 203;
F orster-Coök. II. p .8 4,156,179 (mit schönen Abbild.).
'<■ 3 Forster-Cook. II. p. 156, 179.
4 L angsd.orff. II. p. 38.
s Virchow. Verh. d. A. Ges.. 1877. p. 333. 6 vgl. des Verf.: Ueber die Aino u. s. w. Verh. B. A.
Ges. u . März 82; Siebold, H. v. Ethnolog. Studien
über die Aino. Berlin 1881. Parey.
^ Ausführliches findet sich in der vorzüglichen
Arbeit von Prof. Baelz: „Die körperlichen Eigenschaften
der Japaner." Yokohama 1883. II. p. 7—n .
8 Hoffmann. Bijdr. tot de T-L-en V-K. van N-Indie.
3 volgr; vgl. auch Müller-Beeck, „Geschichte der
Liukiu-Inseln.“ Verh. B. A. G. XV. p. 139; Beechey.
1. c. p. 468: „we noticed some (women) who were
tattooed on the back o f the hand" (1827); ,,ils se tracent
des figures noires sur les mains." De Rosny, Ti-tou-
tsoung-yao.
9 vgl. des Verf.: Ueber die Eingeb. von Formosa.
Verh. B. A. G. XIV. p. 58.