die andere, oder auf ein Einführen derselben durch
ein und dasselbe Volk auf die beiden Inseln schliessen
lässt. Dann stimmen wieder die Namen für die Bein-
tätowirung auf Yap und Pelau (dalabecä, gilibecä
und dalabsäkl), was ein fernerer Beleg für die Annahme
sein könnte, dass in früheren Zeiten die beiden
Inseln durch ein Volk von derselben Herkunft und
Sitten bewohnt waren. Die heutigen Yaper sind
spätere Ankömmlinge, welche die Besitzer des Landes
unterjochten und sich deren Tätowirung ausschliesslich
aneigneten, wobei sie aber die ursprünglichere
Form, das Bein auf einer Seite zu bedecken, umängeführt,
gewöhnlich aber wird der „Jouenlok“ dazu berufen, da
die Durchtheilung des Funiculus spermaticus einige Vorsicht
erheischt. Es geschieht, dass Knaben, die eigenwillig die
Operation ausführen wollten, mit dem Aufschlitzen des Scrotum
und dem Bloslegen des Testikel fertig wurden, bei der Berührung
des Stranges aber, die sehr schmerzlich sein soll, den
Muth verloren und um Hülfe älterer Leute rufen mussten. Eine
Unterbindung des Stranges findet nicht statt, es wird darauf
geachtet, dass derselbe nicht gezerrt und nicht zu kurz abgeschnitten
wird, und der Geschnittene setzt sich in fliessendes
Wasser, wo er eine lange Zeit blutend verbleibt, was zur guten
Heilung beiträglich ist, indem es einer Entzündung vorbeugt
Mehr als die Operation selbst ist das Pflegen der entstandenen
Wunde gefürchtet Dieselbe bezweckt das Heilen des Inneren
der Wunde und soll verhindern, dass dieselbe von Aussen heilt
und das eiternde Innere einschliesst, was der Erfahrung gemäss
fatale Folgen nach sich zieht Zu diesem Zwecke wird die
Wunde fleissig in frischem Wasser gebadet und deren Inneres
mit dem Finger und später mit der Spitze einer Cordyline, die
darin herumgedreht wird, vom Eiter gereinigt. Die Heilung des
äusseren Mundes der Wunde wird also absichtlich verzögert und
manchmal wird des Nachts, um das Verkleben desselben zu verhindern,
der Finger in die Wunde gelegt. Der Ausgang der
Heilung ist immer ein günstiger und hörte ich niemals von
einem Todesfall, obwohl zwischen den mir bekannten Operirten
ein in den Vierzigern stehender Mann sich befand. Der entfernte
Testikel gehört beinahe immer der rechten Seite an, die
entsprechende Hälfte des Scrotum ist eingescbrumpft, die Narbe
sehr deutlich.
Es ist nicht unmöglich, dass diese Sitte polynesischen, Ursprungs
ist, und dass sie früher nur als Hülfsmittel gegen eine
gefürchtete Krankheit angewandt wurde. Jedenfalls musste sie
aber in früheren Zeiten nur mässig betrieben worden und die
allgemeinere Ausbreitung derselben erst neueren Datums sein,
weil immer noch alte Männer Vorkommen, die sich derselben
unterwerfen. Bei meinen Nachforschungen nach der Bedeutung
dieses sonderbaren Gebrauches erhielt ich zur Auskunft ausser
der Rücksicht auf das hässliche „ujele mac“ (Elephantiasis) noch
den Umstand, dass die F rau en den Um g ang mit h a lb entmannten
Männern vorziehen. Weshalb dieses der
Fall, konnte ich nicht positiv erfahren. Es wurde angedeutet,
dass solche Männer ausdauernder in coitu sein sollen.
A u f die Zeugungsfähigkeit der Männer scheint die Operation
keinen beschränkenden Einfluss zu üben, wie ich aus persönlicher
Kenntniss vieler operirten Väter mich überzeugen konnte.
derten. Die pelausche Form also, die die hintere
Seite nur des einen Beines, des linken bedeckt, wäre
eine spätere Verstümmelung der vollständigeren alten
Tätowirung. Aus dem Umstande aber, dass auf Ponape
eben wie auf Pelau die vordere Seite des Beines
frei gelassen wird und die oberen Extremitäten von
der Hand ab nach oben wie auf Pelau tätowirt werden,
darf man vielleicht schliessen, dass die Tätowirungen
dieser drei Inseln in früheren Zeiten in engerer Beziehung
zu einander standen, resp. durch ein und dasselbe
Volk auf alle drei Inseln gebracht wurden.1
Die Ordnung des Uebertragens der Tätowirung,
i Die sehr verwickelten Verhältnisse der Verwandtschaft
der carolinischen Völkerschaften würde eine umfangreichere eingehende
Betrachtung beanspruchen, die hier nicht am Platze ist.
In Hinsicht auf Ponape und Pelau, denen auch wahrscheinlich
Yap zugezählt werden dürfte, bestehen ausser der Ueberein-
stimmung in der Tätowirung noch folgende Umstände:
1 . Manche Namen von Pflanzen, die auf beiden Plätzen zu
den eingeborenen Formen gehören und deshalb in allerfrühesten
Zeiten schon benannt worden sein müssen, stimmen bei genauerer
Untersuchung auf den beiden Inseln überein. So heisst eine
und dieselbe Art einer sehr dickfrüchtigen (nach dem Genuss
den Urin gelb färbenden) Musa-Art auf Pelau: „karäsak“ , auf
Ponape: „karac“ . Das Arum macrorhizon, das auf beiden Inseln
wächst, auf Ponape in zahlreichen Sümpfen, auf Pelau in
mässigem Grade angebaut, heisst auf Ponape „man“ , auf Pelau
hat es als allgemeinen Namen „prak“ , von dem polynesischen
„pula“ stammend; eine Art desselben heisst indessen auf Pelau:
„yubukman“ . Das Zuckerrohr heisst auf Pelau: „dep“ , auf Ponape
„ceu“ ; eine ponapsche Ausdrucksweise dafür ist auch „nencep“ ,
und da der pelausche Name „gerdeu“ (für einen Baum) auf Yap
zu „geciu“ und auf Ponape zu „kaciu“ wird, so ist das pelausche
„dep“ mit dem ponapschen „cep“ identisch. Dergleichen Ueber-
einstimmungen dürfte es bei genauem Vergleiche der Sprachen
noch viele geben.
2. Die Fahrzeuge der beiden Inseln haben das gemeinschaftlich
charakteristische, dass sie nur für das Befahren des Ufers
bestimmt sind, und eine genaue Vergleichung der Details der
Construction zwischen dem.pelauschen „kotraol“ -Canoe und dem
nur in einer Form auftretenden ponapschen „war“ lassen unzweifelhaft
nur einen Erfinder für die beiden annehmen.
3. In den Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens
stimmt vor Allem das Vorkommen von unveränderlichen
und stufenweise geordneten Titeln: Nanmoreke, Naneken,
Wajay, Took, Nooj u. s. w. die den pelauschen Titeln
No. I, H, HI, IV u. s. w. in der Gemeinde entsprechen. Zu
den Eigenthümlfthkeiten der heidnischen Religion auf Ponape
gehörte das Sprechen des „Kaciani“ hinter einem Vorhänge hervor,
wie es noch heute auf Pelau Sitte ist. Das Trinken des „joko“
(des polynesischen Ava) auf Ponape findet sein Gegenstück auf
Pelau in dem öffentlichen Austheilen in Nussbechem des „kar“ ,
eines süssen, nicht berauschenden Getränkes.
Schon diese Uebereinstimmungen beweisen das Uebertragen
einer Cultur von einer Insel nach der andern, denn das Bestehen
einer ursprünglich gleichen auf den beiden scheint durch
andere Umstände nicht zugelassen zu werden.
sammt anderen Uebereinstimmungen, die auf den
beiden Inseln Vorkommen, also ob dieselben von
P e lau nach P o n a p e gebracht wurde, oder umgekehrt,
ist schwer zu bestimmen. Am allernatürlichsten würde
die Annahme erscheinen, dass dies von Westen nach
Osten geschah. Indessen nothgedrungen und unabweisbar
ist diese Annahme nicht. Die Bevölkerungen
der beiden Inseln sind, wie es die Fahrzeuge beweisen,
keine Seefahrer wie die Caroliner, sie konnten
bei dem verhältnissmässigen Reichthum ihrer Heimathen
die Seefahrt aufgeben. Trotzdem waren beide
Völker in gleichem Grade Vertreibungen durch die
Meeresströmungen ausgesetzt.
Die Resultate des Vertreibens sind ebenfalls für
beide Inseln gleich, eine bestimmte Wahrscheinlichkeit
des Vertreibens nach dem Osten besteht nicht.
Die östliche Strömung, welche die Carolinen durch-
fliesst, ist südlich von einer westlichen begrenzt und
der Sonne folgend verschiebt sich die Grenze der
beiden bedeutend nach dem Norden und ausserdem
kommt bei der Vertreibung nicht nur die Wirkung
der Strömung allein, sondern auch die des Windes
und das Verhalten der Vertriebenen zur Geltung.
Deshalb kann man je nach Jahreszeit und Umständen
auf den Carolinen vom Osten nach dem Westen oder
auch umgekehrt vertreiben und ich eonstatirte hierüber
folgendes:
Vom Westen nach dem Osten kamen: 1. Kurz
vor meiner Ankunft auf Ebon in 1870 einige Fahrzeuge
aus Yap. 2. Vor meiner Ankunft auf Ponape
trieb dorten ein Mann von Kabenmajlan (Pikiram der
Caroliner, Greenwich J ds) an, mit dem ich mich unterhalten
konnte. 3. Auf den Pelau-Inseln fand ich ein
Fahrzeug aus Pulo Anna (Bul), das vor einigen Jahren
mit seinen Insassen, 4 Mann, hier antrieb. 4. Während
meines gegenwärtigen Aufenthaltes trieben in Arakolon
(Pelau) 3 Malaien von der Insel Banca an.
Die mir bekannten Fälle des Vertreibens vom
Osten nach dem Westen sind folgende: 1. Der Häuptling
Nooj aus Metalanim auf Ponape vertrieb bei seiner
Flucht nach Natik und kam im Westen auf der Insel
Uola der Ruk-Gruppe an. Er kam in einem Schiffe
nach seiner Heimath zurück, wo ich ihn sprach, dagegen
fand ich die Nachkommen der Angetriebenen
bei meinem Besuche der Ruk-Inseln auf Uola. 2. Bei
meinem Besuche der Mortlock-Inseln in 1877 vertrieb
der Häuptling Manin von Satoan nach dem Westen.
Er wollte nach Ruk, kam aber auf Suk an. Als ich
dann in 1878 in Ruk war, brachte der Häuptling von
Suk seinen vertriebenen Stammesgenossen nach Hause.
3. Ein Eingeborener von Nukuoro, Namens Rua, wollte
im December 1876 nach Ponape. Er litt an einer
schweren (europäischen) Krankheit und hoffte in Ponape
Hülfe zu finden. Er nahm Abschied von allen
Freunden und ging ganz allein auf seine verlorene
Fahrt, nur eine Katze und Cocosnüsse mit sich
nehmend. E r kreuzte 17 Tage lang gegen den N.O.-
Wind, indem er aus einer Decke ein Nothsegel
machte, welches er jedoch des Nachts immer einzog.
Endlich gelangte er an Land, es war aber das östlich
von Rük gelegene Minto-Riff, auf welchem er einige
Gocospalmen findend, sein Leben bis September 1878
fristete, bis ihn der Schooner „Lotus“ zu mir nach
Ruk brachte. 4. Derselbe Schooner „Lotus“ wurde
nachträglich von dem ihm eignenden Geschäfte des
Herrn Ca p e l l e in Jaluit an die Eingeborenen verkauft,
die ihn zu ihren Reisen zwischen Inseln der Ralik-
Kette benutzen wollten. Bei einer Reise von Jaluit
nach Ebon vertrieben die ohne einen weissen Seefahrer
fahrenden Eingeborenen und trieben endlich,
nachdem sie die Insel Kusaye verfehlten, bei Uleay
an. Hier erhielten sie von einem Schiffe einen Steuermann,
der sie über Ponape nach Hause brachte.
5. Ein Fahrzeug von Uleay trieb in Molegoyok auf
Pelau an. Die Insassen beiden Geschlechtes lebten
mehrere Jahre auf Pelau, bis sie von Heimweh ergriffen
ein Fahrzeug stahlen und heimlich in die See
gingen. 6. Ein einzelner Eingeborener von Yap trieb
vor ein paar Jahren in Naranasan auf Pelau an.
7. Wenn in Yap in Folge der epidemischen Influenza
eine grosse Sterblichkeit, herrscht, so werden die
Leichen einzeln auf kleinen Bambusflossen in die See
gelassen. Es trifft sich, dass dergleichen Flosse nach
den Kayanl-Inseln treiben. 8. Das Vertreiben der
Marschall-Insulaner nach dem Westen ist nicht selten
und die wirkliche Veranlassung z u ' dem Einfiihren
der Mission gab eine Vertreibung einer ganzen Flotte
nach Kusaye, was ungefähr um 1854 stattfand.
Aus diesen angeführten Beispielen ist es ebenso
wahrscheinlich, dass der Mensch auf den Carolinen
vom Osten nach dem Westen wanderte, wie umgekehrt,
und auf der in der Mitte des Archipels liegenden
Ruk-Insel finden wir Belege1 für beide Richtungen.
Die Namen für die Stämme „Sau Oley“ und „Men Azau“
bezeichnen zwei ganz entgegengesetzte Heimathen
der Einwanderer, das westliche Uleay und das östliche
Kusaye. Die Entscheidung also, ob die Tätowirung
von Pelau nach Ponape kam oder umgekehrt,
muss sich auf Betrachtungen anderer Umstände stützen,
als nur auf die der Möglichkeit des Hingelangens von
einer dieser Inseln auf die andere, denn dieses ist,
wie gesagt, nach beiden Richtungen hin möglich.
Aus dem Umstande, dass das pelausche Kar-
Trinken dem ponapschen Joko-Trinken entsprechen