sonderbare Erklärung: „das tahitische Wort ,tatau4, von dem unser ,Tätowiren‘ abstammt,
ist ein Nachhall des Geräusches ,tat, tat, tat1, welches das Aufschlagen auf das
Tätowirwerkzeug, das gewöhnlich im Triolentakt geschieht, verursacht.“ Dieser merkwürdigen
Auffassung begegnen wir wieder u. A. in den Mittheilungen aus dem Göttinger
anthropologischen Vereine:1 „Das Geräusch des Tätowirungswerkzeuges, beim kunst-
gemässen Einstossen desselben in die Haut sich regelmässig wiederholend, wird durch
den Laut : ,tat-tat-tat‘ versinnlicht und daher der Name“ .*
Das tahitische Wort „tatau“ Tätowiren, zuerst erwähnt von C o o k , Voyages
autour du monde etc. Paris 1774. ed. I. Hawkesworth.3 Cap. XVII. p. 4 5 1 : „was man
,Tattaw‘ nennt“ , ebenso wie „tatau“ auf Tonga; „tatau“ , Tätowiren, „tätatau“ ,
Tätowirinstrument auf Samoa4, ist die reduplizirte Form der Wurzel „tau“ , entsprechend
dem Javanischen „tatu“ ,5 welche „Wunde“ , „verwundet“ bedeutet. Diese Wurzel finden
wir auch wieder im Dajak der Biadju, wo das Tätowirwerkzeug „tantu“ 6 heisst, im Worte
„tutang“ für Tätowiren bei den Olo Ngadju auf Borneo,7 im Luang-Sermata „iatau“ , 8
im Savu ..tata“ llfp tätowiren, „te tatau“ = Tätowirwerkzeug auf der Insel Nukuoro
(Carolinen) u. s. w.
Bevor dies Wort seit Erschliessung der Südsee bezw. seit der Entdeckung, der
Gesellschaftsinseln zu Ende des vorigen Jahrhunderts Aufnahme in wohl sämmtliche
europäischen Sprachen fand, nannte man Tätowirte meist „Bemalte“ , „Punktirte“ u. s. w.
Holländische Chronisten wenden das recht gut gewählte Wort „prickschilderen“ , „stechmalen“
a n ; 'Cook, F örster u. A. sprechen mit Vorliebe von „punctured“ , „punctuation“ ;
die Spanier schrieben „pintados“ und das alte~chinesische Wort für Tätowirte „W£n-
zin44,° dürfte auf „wen“ , „Ornament“ und „zin“ „Mensch“ zurückzuführen sein. Der geheim-
nissvolle chinesische Mönch und Reisende Hwui_Schän (a. d. 460) bezeichnet die Bewohner
eines Landes, das er auf seiner Fahrt „um das koreische Vorgebirge, zwischen
den Kurilen und Japan hindurch, an der Südspitze Kamtschatka^ vorbei, circa 2000 Seej
11 i pp
2 Es fehlt nur noch, dass man dieser Erklärung
beifugt: „Diese Operation verursachte den also
Behandelten heftige Schmerzen, in Folge deren sie
fortwährend „au” schrien, und aus „tat” und „au” entstand
dann „tatau.”
3 In Folgendem wird stets nach dieser Ausgabe
citirt, weil die englische: „A n account o f the Voyages
undertaken by the order of his present Majesty for
making-Discoveries in the Southern Hemisphere” by
John Hawkesworth. London 1773 dem Verfasser z. Z.
nicht zugänglich war.
* Pratt. Grammar and dictionary o f the Samoan
language, vgl. auch F r. Müller. Novara, p. 36. Note.
s Nach Prof. G. A. Wilken in Leiden. Derselbe
fügt bei: „Das t zwischen den beiden Vokalen ist
auf dieselbe Weise ausgefallen wie in „lau" oder
„rau” = 100, entsprechend dem malay. „ratus.”
6 d. h. tatu mit eingeschobenem n, wie oft vorkommt
7 Ausland 1885. p. 155.
8 Riedel, J. G. F . De sluik-en kroesharige rassen
tusschen Selebes en Papua. Haag 1886. Mart. Nijhoff.
P- 3i 3.
9 Cook. Voy. IV. 291.
10So wird wohl das von Wuttke, p. 92, angeführte:
„Wen-tschin" zu erklären sein, eine Interpretation,
die Prof. G. v. d. Gabelentz, dessen Transskriptionsweise
ich hier folge, für gewagt hält.
meilen in nordöstlicher Richtung erreichte (wahrscheinlich die Aleuten) als Land der
,Wan-Schän‘, der ,Gezeichneten Körper4.“ 1
Bei d en Völkern aber, die selbst der Sitte des Tätowirens huldigen, bezeichnet
das Wort meist die Art der Operation, dabei dennoch häufig durch den Anklang an
„Malen“ oder „Zeichnen“ auf die dem Tätowiren zweifellos beinahe überall vorausgegangene
Körperbemalung hinweisend.
Das Japanische „Horimono“ bedeutet „das Einkratzen, Einstechen44;* das Birmanische
J-ho-gyin-thö“ „Figuren u. s. w. in abrundender Weise einstechen“ ; 3 Malayisch
„mentjatjah“ heisst „Jemanden .leicht stechen, prickeln“ , „mentjoreng“ „voll unregelmässiger
und durch einander laufender Streifen sein“ .4
Die Sanscrit-Sprachen besitzen kein Wort für Tätowiren.
Der arabische Ausdruck dafür ist „wasm“ , der sich schon bei alten Dichtern häufig
findet.5 Die arabischen Lexicographen erklären denselben: „acu punctam in summa
cute insparso glassi aliusve rei pulvere p in x i t manum, aliamve corporis partem.“
„Tatouage fait sur une partie du corps à l’aide de l’acupuncture et de la poudre
d’indigo dont on saupoudre les piqûres.6“
Die Wurzel „tik“ (wohl am bekanntesten durch das Javanische „batik“ , das
Bemalen des Kattun), welche „zeichnen, malen“ bedeutet, findet sich in verschiedenen
Wörtern, die im Malayischen Archipel, in Melanesien, sogar auf Madagascar „Tätowiren“ ,
bezeichen, so Tagalisch ,,batik“ ; Visaya und Ibanang „batok“ (batik wurde wohl erst
batek, dessen e nach bekannten Analogien dann in o überging); im Dayak der Olu-
Ngadju heisst der Stift, der zum Tätowiren gebraucht wird* „pantok“ . Im Alt-Dayak,
das nur noch in der „basa-sangiang“ oder Geistersprache von den Priesterinnen oder
„balian“ bei gottesdienstlichen Handlungen gesprochen wird, bedeutet „bapatik“ tätowirt.
Vgl. auch Buginesisch „mapati“ , Tätowiren (das k ist abgestossen) ; Fidschi „bati“ ,
Werkzeug zum Tätowiren; Madagassisch: „tentina, pentina“ , Tätowiren u. s. w .7
Die Papua auf Neuguinea nennen Tätowiren: „räwaräwa“ , „zeichnen“ (wohl auch
1 E. P. E vans. Neue Beiträge zur Entdeckungs-
geschiehte Amerikas. Münchener Allgem. Z. 1886.
No. 278.
* von „Hori“ carve, engrave, sculpture, tattoo.
Hepburn, Dictionary.
3 „T aw” to make letters, figures, marks etc. -on
any substance, to engrave, cut in wood stone etc.;
„gwin“ , to bend or make into a ring, make circular;
„taw gwin“, a tattooed spot; „taw gwin taw“ , to tattoo.
Dr. J udson.
4 Nach Prof. Wilken. Pijnappel: Mal-Nederduitsch
W-book sagt: mentjoetjoek = doorboren, aaneenrijgen.
5 Nach Prof. Stern. Derselbe schreibt ferner:
„Im Arabischen findet sich auch „daqq", das eigentlich
„reiben” bedeutet. Im Türkischen findet sich der
arabische Ausdruck „na’144 angewandt, der wohl eigentlich
auf ein weisses Abzeichen Bezug hat; ausserdem
„häge nisane, damghalama44 und „benekleme“ . Im
Berberischen gelten die Ausdrücke „tisrät und a‘del.“
6 P. Cuche. Dict. arabe-frangais.
7 „Zoo heeft men 00k in het Alfoersch van de
Minahassa: papantik = schrijfstift, mahapantik =
schrijven (Tombulu-Dialekt) en matik of mapatik =
schrijven (Tondano; vgl. des Verf.: Die Minahassa.
Revue Coloniale Internationale. Amsterdam. August
1886) in het Tagalsch tiktik = letter, geschrift; in
het Javaansch titik = teeken enz.” Prof. G. A . Wilken
in einer privaten Mittheilung.