leben, weil wir ja von ihnen allen wissen, dass sie im Innern ihrer Hütten ganz nackt
oder wenigstens mit entblösstem Oberkörper einhergehen.
Eine weitere Ausnahme können dem oberflächlichen Beobachter die Birmanen zu
bilden scheinen. Der Reisende kann sich tagelang z. B. in Rangun aufhalten, ohne
jemals die Tätowirung eines Birmanen zu Gesicht zu bekommen. Eine weisse Jacke
bedeckt den Oberkörper und der Putso scheint eigens zur Verhüllung der tätowirten
Oberschenkel erfanden zu sein. Die Verhältnisse ändern sich aber sehr, sobald man
dem englisch-civilisirten Unter-Birma den Rucken kehrt, um den Irawaddy stromaufwärts
zu fahren. Hier sieht man nicht nur die broncefarbenen Schenkel und Hinter-,
backen durch den hochgeschürzten Putso in keiner Weise verhüllt, sondern auch der
nackte Oberkörper zeigt auf Armeni, Brust und RU ck e i^ ié : schönsten Tatowirungen.
Im Innern der Häuser und zumal bei ihren Spielen sind unverdorbene Byamma’s »stete
halb nackt mit eng zwischen den Beinen durchgezogenem Putsor Die Wechselwirkung
zwischen Tätowirung und Kleidung kommt gerade hier zu vollsten:Geltung, denn in
dem englischen Theil des Landes, wo die Leute nicht nur die Schenkel u. s. w., sondern
auch den Oberkörper bedecken müssen, stirbt die Sitte aus. Der Birmanische Schriftsteller
Shway Y oe sagt-darum: „E s ist wahr, dass es nicht wenige schwächliche Ran-
gurter giebt, geistlose Stadtjungen, die sich nicht mehr tätowiren lassên, a b e r * schämen
sich darübet und benutzen jede Gelegenheit dazu ihre Schwäche zu verbergen. Aber
es giebt keinen einzigen up-country Mann, der nicht mit jenen dunkelblauen Schnörkeln
verziert wäre.“
Auch in Japan tätowiren die Leute, welche jener-Sitte überhaupt anhängen, nur
die Körpertheile, die sie, im Gegensatz zur ganz bekleideten Classe, n ic h t bedecken.
Der Vornehme oder Spiessbürger, der das ganze Jahr hindurch in seinen -Kimono
gehüllt einhergeht} sieht mit Verachtung auf den Tätowirten herab, weniger weil derselbe
tätowirt ist, sondern weil er durch seine Lebensstellung und Thätigkeit als Pferdeknecht,
Packträger, Jinrikscha-Kuli u. s. w. gezwungen ist, den grössten Theil des Jahres hindurch
mit nacktem Oberkörper und Oberschenkeln herumzulaufen, und n u r d i e s e !
T h e i l e , nicht etwa die Hände oder Unterarme, bedeckt der „Betto“ u. s. w. mit Tätowirung.
Von dem Augenblick an, wo den Leuten verboten wird,-«ich in so,, ungenirter
Weise zu entblöjssgn, wird auoïËdie Sitte des Tätowirens in Japan aussterben und ein
K le id e r z w a n g würde dieser Originalität — einer der wenigen, die wir noch in dem
' e j n s t É É reizvollen Lande findenS#- 'schneller ein Ende machen, wie alle bisherigen
.Regierungserlasse oder Verbote:, „becäusert-liis is against civilisation.
' Ueber den Ursprung der Sitte in Japan weiss übrigens bis heute Niemand etwas
Bestimmtes zu sagen. Unmöglich ist es nicht, dass früher alle Classeh, auch die Vornehmen
tätowirten, denn im alten chinesischen Geschichtswerk ^i-tu-tsung-yao“ (von
1368 an), übersetzt von de Rosny, wird von den Japanern promiscue gesagt: „L e s Japonais
se. tracent des figures noires sur la face, se tatouent le corps,“ ' und heute noch werden
in den Märchen- und Heldenbüchern die alten Heroen stets über und über tätowirt
dargestellt.“ Demnach müsste jene Sitte, schon vor mehreren hundert Jahren obsolet
geworden sein - Kämpfer, dieser vorzügliche Beobachter, erwähnt dieselbe nicht S l
um später wieder in die. Gunst einer untergeordneten, wenn auch-sonst ganz achtbaren
Gesellschafts-Çlasse zu gelangen.- || l>ieselbe auf Brandmale u. s. w. von Verbrechern
-zurückzuführen ist. unsinnig, denn es wird keinem Menschen einfallen, sich aus Eitelkeit
mit einem Schandmal zu versehen und auch von den Aino werden die Japaner das
Tätowiren nicht angenommen haben, weil jene von den Eroberern stets als Barbaren
und „Hunde“ verachtet waren und es bis heute, geblieben sind.
Hätte a:n Ende des 17. Jahrhunderts die Tätowirung der unteren Ciassen in Japan
auch nur annähernd die R iffe gespielt wie heutzutage — schätzt doch B^elz die Zahl der
Tätowirten in Tokio allein auf über 3^.,°o°|jll|pil| würde sie Kämpfer jedenfalls bemerkt
und.-beschrieben haben. E r kannte den Gebrauch ganz gut, spricht er doch vom Tätowiren
der Leibwache des Königs von Siam in Ajuthia: „A n allen Thoren und Zugängen
^schwärmen- viele nackte Kerls umher, welche auf ihrer kastanienbraunen' jHaut mit
,|cfiwarzen, würfelweise eingeätzten Figuren gemalt sind, (gerade-wie man am heiligen’
Grabe zu Jerusalem, die Bilder einätzt), einige nur an den Armen, andere Uber den
ganzen Leib, bis auf die, nach Manier aller Siamer, mit einem Tuch bewundenen Lenden.
(Diese stets verhüllten Theile waren also nicht tätöwirtji Man nennj&ie portugiesisch
„bras pintades“ (brazos p:ntadt|j“ .' Später* spricht Kämpfer dann ausdrücklich von der
Nacktheit der Norimon-ü,:«: w. Träger in Japan, ohne eine Tätowirung derselben auch
nur mit einem Wort zu erwähnen. Auch in dem Werke: „Ambassades, mémorables etc.
vers, des Empereurs du Jap o ^ töM ) Amsterdam 1680,• hat Verf. nichts die tätowirung
der Japaner Betreffendes gefunden.
1 Mem- de Ia Soc- ^’Ethnographie. Paris 1873., 3 Geschichte von Japan. Cassel 1777. I. p. 39.
2 Baelz. 1. c. p. II. 4 II. p. 181.