Wenn wir nun diese Sitte überall verbreitet finden und uns änschicken die Frage :
w a rum bemal|jgsich denn die Menschen? zu beantworten, müSsin wir vor Allem den
Umstand im Auge behalten, dass der Act des Bemalens, Bevor er zu einer Sitte' wurde,
vorher von irgend einem australischen und africanischen und europäischen u. s. w. Indi-
viduum zum e r s t e n Mal ausgeführt werden'musste und die Frage würde also lauten:
wie haben wir uns das E n t s t e h e n jenes Gebrauchs zu denken?-
Die Erklärung ist nicht schwer und giebt es der Gründe, weiche- die betreffenden
Individuen, von den auf der denkbar niedrigsten Culturstufe istfltnden an, veranlassen
konnten, den Körper zu beschmieren, verschiedene. Allerdings: möchte Verf. §§er
bemerken;, dass er sich nicht den Anschauungen mehrerer Ethnologen, Anthropologen
und Alterthumsforscher anschliessen kann, die heutzutage die einfachsten Thatsachen und
Vorgänge in der Ethnologie weniger auf die einfachsten Grundgedanken, wié mit Zuhülfe-
nahme erstaunlicher Gelehrsamkeit und Belesenheit wenn irgend möglich auf eine mystischsymbolische,
methaphysische, psychologisch möglichst épomplicirte Grundlage zurückzu-
fuhren suchen. Verf. sieht z. B. im Reifen und im Ball nur harmlose Spielsachen, nicht
aber „Symbo|gd er Sonne'“ . Wenn ferner Knaben in Russland oder anderswo kleine
Brettchen mit darauf befestigten Licht-Enden in_einen Fluss set-zeiSr-um dieselben stromabwärts
treiben zu lassen und sich' darüber ergötzen, dass des: ^Genossen Licht eher
erlischt, wie das eigene, -so betrachtet Verf. dies wiederum als ein. ganz harmloses Spiel,
nicht aber als „eine Reminiscenz an das Untertauchen der Sonné in das Urmeer“ .
Verf. hält es nicht für richtig oder nothwendig; zur Erklärung dés Räusperns und
Spuckens oder , der abgeklecksten Faust eines jeden Wilden, gleich auf :# » t | rm e e r ,
den Urnebel oder den Urschleim zurückzugreifen.
Die Körpermalerei der Naturvölker und ihrer Nachfolger verdankt zweifellos ganz
natürlichen Trieben ihren Ursprung, zumal dem Wunsche, sich Feinde irgend welcher Art
„vom Leibe zu halten“ , und dem Ge schlechtstriebS A ls 'd ie einfachste und natürlichste'
Veranlassung, sich den Körper mit Erde oder mit Asche, die des -besseren Anhaftens-
wegen meist mit irgend einem Fett (oder Wasser, Harn u. dgl.j vermischt wird, kann
man die Absicht annehmen, sich durch das Bedecken mit dieser Schicht vor den Einflüssen
der Witterung, vor der Kälte .sowohl wie vor der Sonne und vor den Stichen
der Insecten zu schützen. Menschen, die in polaren Zonen wohnen, wird dies Mittel
> „Ostern im Lichte der Völkerkunde." (Vom Nordgestade des Pontus.) Ausland 188:5. P- 249.
allein natürlich keinen g e n ü g e n d e n Schutz bieten, doch kennt Verf. aus eigner Anschauung
in kaltem Klima lebende Völker, wie die Aino auf Ye sso1, die Orotschonen und
Manägirn am Amur2, die sich n ie in ihrem Leben waschen. Von den Hottentotten in
Süd-Africa, wo es auch empfindlich kalt werden kann, erzählt F ritsch, dass sie sich gegen
die Kälte mit Asche und Fett einreiben5; dasselbe berichtet Dampier von den Central-
Americanern4 oder Dobson von den Bewohnern der Andamanen: „Alle beschmieren
ihren Körper mit einer Salbe aus Schweinefett und gebrannter Erde; dieses beschützt
sie, wie sie sagen, gegen die Fliegen und die Kälte“ .5
In derselben Weise beschmiert man sich zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen.
Die Guajiros z. B. in Südamerica besprengen ihr Gesicht mit schwarzem Pulver:6
„They assert that it saves their complexions from the Sun. The last thing an Indian
do.es', on mounting horse . . . is to call for the powder-box and plentifully besprinkle
his face.“
Auf das engste verwandt hiermit ist der Gedanke, die Haut durch Bedecken mit
irgend einer für Insecten undurchdringlichen Schicht wie Thon, Oel u. s. w. vor den
Bissen derselben zu bewahren. Hier liegen ja auch Beispiele aus dem Thierleben vor:
Büffel, Elephanten, Nilpferde u. s. w. nehmen häufig Schlammbäder mit der unverkennbaren
Absicht, sich durch den irdnen Panzer vor Fliegen-, Mücken- u. s. w. Stichen zu
schützen. Dass also der Mensch dasselbe that, bezw. es noch thut, ist naheliegend.7
Auffallend bleibt es, dass die Betreffenden hierbei immer noch irgend eine Farbe verwenden.
Die Anwohner des Schingü in Brasilien z. B. reiben sich mit Cocosnussöl und
rother Farbe „zum Schutz gegen die Moscitos“ ein. Sollte die Farbe, während doch
Fett allein vollkommen genügen würde, nicht noch einem Nebenzwecke, dem des Ver-
schönerns dienen ? E s dürfte wohl wenig Völker geben, die sich zu dem angegebenen
Zweck nur mit Oel u. s. w. ohne Zugabe von irgend welchem Farbstoff, einrieben.
Als weiterer Grund der Körperbemalung muss die Absicht des Betreffenden angenommen
werden, dem Gegner, dem Feinde Schrecken durch dieselbe einzuflössen.
Der Wilde, der zum ersten Mal im siegreichen Kampf mit dem Nebenbuhler oder auf
der Jagd sich mit Blut und Schlamm besudelte, wird sicher bemerkt haben, welch
abscheu- und schreckenerregenden Eindruck er hierdurch auf seine Umgebung machte, die
ihrerseits diesen Zufall gewiss nicht vorübergehen liess, ohne flir eigene Zwecke Nutzen
daraus zu ziehen. War die Bemalung einmal Sitte geworden, so konnte wiederum nur
eine Uebertreibung oder Ausartung derselben nach irgend einer Richtung hin für den
obigen Zweck dienlich sein. Man findet diesen „war-paint“ nun bei den verschiedensten
1 vgl. d. Verf.: Ueber die Aino auf
Yesso 1. c. p. 181.
2 vgl. d. Verf.: Durch Sibirien, p. 78.
3 c- P- 275-
der Insel * 1. c. p. 386.
s Verh. B. A. G. 1873 p. 80.
6 Simons. 1. c. p. 794.
7 Schweinfurth. 1. c. p. 13.