zu bezeichnen sein. Wie leicht konnte sich ein Mensch beim-Anfachen des I'cuers oder
beim Bereiten der Speisen die Hand an einem halbverbranntem Born ritzen. Die kleine!
Verletzung war kaum geheilt., als. ein blauer Fleck an ihrer Stelle auf der Haut
sich zeigte, dessen ungewohnte Farbe gewiss nicht nur den ersten. "S ä g e r derselben,
sondern auch seine Genossen zur Nachahmung und Wiederholung des Versuché anfeuerté.
Die Erfindung oder Entdeckung der Tätowirung auf den verschiedensten, unter einander
in keinerlei Verbindung stehenden Puneten der Erde kann auf diese einfache Weise
erklärt werden.
Unfreiwillige Tätowirung kommt heutzutage noch häufig genug vor : „An unintentional
case of tattooing occurred not long since. A gardener feil from his laddér and
severely excoriated one side o f his nôsé on the gravel. --He was working with charcoal
that day, -and from time to time rubbed the aggrieved member with his blackened
fingers, until the result was a beautiful piece of ineradicable tattooing oh the side of
his nose.“ '1
B e r c h o n “ schreibt: „ J ’ai vu plusieurs tatouages accidentels'çOhez des mécanU
ciens et chauffeurs qui s étaient violemment ^fptus ou blessé le visage en -tombant sur
le charbon des soutes des- steamers de guerre ou de-commerce. “ • .-'
Neben diqsem unfreiwilligen, kann man auchHin unbewusstes Tätowiren. täglich
bei unserer Schuljugend beobachten, die, wie es seiner Zeit, der Verfasser auch gethan,
ohne.-die geringste Ahnung von dem Bestehen einer Tätowirsitte o d ^ -g a r . von dem
Namen selbst zu haben, sich mit in Tinte getauchten Stahlfedern: allerhand Zeichen
und Buchstaben in den Unterarm oder die Hand-sticht;, weil dièse Male eine Zeit lang
■ - die Tinte jfflrd erst Bmählich re so rbir tB - unverwischbar “bleiben. - »
Diese Spielerei des Dornstechens, die dem Zufall ihre Entstehung.verdankte, wird
rasch allgemeine Aufnahme gefunden haben, da ihre Folgen verschönernde waren Und da
man in ihr das Mittel entdeckt hatte, die bisherige Körpermalerei in vollkommen unabwaschbarer,
unauslöschlicher Weise auf die Haut anzubringen — aber eine Spielerei*
abhängig von der Liebhaberei des Einzelnen, ist das Tätowiren beinahe überall in der
Welt bis auf den heutigen'Tag geblieben. Beinahe überall wird man, sobald man sich
die Mühe giebt, näher zuzusehen, finden, dass jedes Individuuii-sich tätowiren lassen kann,
so viel und so wenig es will, und an welchem Körpertheil, sei es nun Nasenspitze oder
Fusssohle, es Lust hat. Dass bei demselben Volk oder Stamm im Laufe der Jahre ge . ’
wisse Zeichnungen und Ornamente, zumal auf Inseln, typisch wurden, ist selbstverständlich.
Hiermit soll aber nicht in Abrede gestellt werden, dass an einzelnen Puneten der
Erde im Laufe der Jahre und Jahrhunderte in die Tätowirung Begriffe hineingelegt
■ Fletcher in Transactions ot the Washington • Histoire médicale du tatouage. p . » 3. '
Anthrop. Soc. p. 58.
werden konnten, die ursprünglich mit derselben gar nichts zu thun hatten. Je mehr
das ursprüngliche Dornstechen sjch: .zu einer Kunst entwickelte, zu der u. A. viel Schönheitssinn
und Zeichentalent erforderlich war, von desto Wenigem wurde diese allmählich
verstanden und ausgeübt und es ist leicht erklärlich, dass diese Wenigen dann anfingen,
aus der Aüsübung ihrer Kunst einen Lebenserwerb zu machen, sich dafür bezahlen zu
lassen1 und dass dann gerade gewisse Kasten, die in der ganzen Welt keine Feinde des
schnöden Mammon sind, die P r i e s t e r darnach trachteten und es erreichten, das
Tätowiren als Monopol in ihre Hände zu bekommen.
Gerade so leicht ist es zu verstehen, dass, nachdem das Tätowiren einmal ein
Schmuck geworden war, der bezahlt wurde, der also dem Reichen und Mächtigen eher
zu Gebote stand wie dem Armen, dem Sklaven, dass da die Tätowirung im Allgemeinen
ein V o r r e ch t des Mächtigen, Herrschenden wurde,3 und dass eben so gewisse Zeichnungen
oder Ornamente, Abzeichen B also eine Art Wappen —• der höheren Klassen wurden,
welche der Niedrigstehende oder Sklave nur tragen durfte oder vielleicht tragen musste,
um sein Abhängigkeitsverhältniss von dem Reichtätowirten anzudeuten. Letzteres konnte
auch den Frauen, zumal den durch Raub erworbenen geschehen, die auch zeitweise
gebrandmarkt wurden. So bemerkt Castelnau von der Guaycuru-Frau : „eile porte sous
l’omoplate gauche la marque de son mari, qui est appliquée au fer chaud sur tout ce
qu’il possède, depuis sa femme jusqu’à ses chevaux et ses chiens.“ 3
An anderen Orten, zumal auf tropischen Inseln mit geringer, dabei leichtlebiger
und fauler Bevölkerung konnte die Tätowirung eine so allgemeine werden, dass vornehme
Stutzer anfingen, sich ihren Schmuck auf einer fremden. Insel zu holen, gerade
so wie Amerikanerinnen ihre Toiletten aus Paris beziehen. Bei den eigenthümlichen
Tabu-Bestimmungen durfte auch zuweilen auf der betreffenden Insel kein Blut oder
wenigstens nicht das Blut gewisser Personen fliessen und wurden die Leute dadurch
veranlasst, sich auf Nachbarinseln nach fremder Mode tätowiren zu lassen. Zum Schluss
konnte dann die Sitte eine so allgemeine, bezw. gemeine werden, dass der Allervornehmste
plötzlich anfing, s i c h g a r .n i c h t mehr tätowiren zu lassen.4
Von dem Augenblick an, wo sich diese Auffassung geltend machte, war auch das
Schicksal des Tätowirens an dem betreffenden Orte besiegelt. Da Niemand gezwungen
wurde, tätowirt zu werden, sondern das Ganze nur Geschmacks- und Modesache war,
so wurde diese Mode, sobald der Vornehmste anfing, sie nicht mehr mitzumachen,
auch von allen anderen Anhängern derselben, die eben so vornehm sein wollten wie
1 „Wer am besten zahlt, erhält die schönste Tätowirung“.
L angsdorff. Ii p. 103.
3 »Je vornehmer und älter ein Markesaner ist,
um so reicher ist er tätowirt.“ Porter, Journ; o f a
cruise made to the Pac. Océan. N. York 1822. II. f t;
vgl. Wuttke. p. 107.
3 Vues et Scènes. II.
4 Der Tui-tonga, der höchste Herrscher von Tonga,
war ganz frei von dieser Operation. Waitz. V I. 33.