Stelle des früheren Brandmarkend) im Gesicht tätowirt; in Frankreich ebenso die zu
ewiger Zwangsarbeit (T. F . „travaux forcés“ ) Verurtheilten, in England die Soldaten
(B. C. „bad character“ ), die wegen Verbrechen u. s. w. aus der Armee ausgestossen wurden.
Auf früheres Brandmarken ist auch das tätowirte Kreuz, das die Kopten in
Egypten heute noch durchgängig am Arme tragen, zurückzuftihren, weil nach Prof.
Stern1 die koptischen Mönche im Anfang des 8. Jahrhunderts von den arabischen E r oberern
mit eineiti eisernen Stempel auf die Hand gebrannt wurden; wer ohne dieses
Brandmal betroffen wurde, dem wurde die Hand abgehauen.
Sowie Tätowirung ein entehrendes Abzeichen wurde, begannen natürlich auch
die Versuche, sich dieser Male zu entledigen. Von Hippocrates an bis’ auf unsere Tage
hat man sich hiermit beschäftigt; kein Recept” von zerriebenem Taubenmist und Weibermilch
an bis zu den zusammengesetztesten Chemiealien ist unversucht geblieben, aber
dennoch ist bis heute kein Mittel gefunden worden, eine r ic h t ig eingestochene Tätowirung
aus der Haut zu entfernen. Ist der Farbstoff z. B. nur in die Epidermis gedrungen,
so kann er im Lauf der Jahre mit dieser abgenutzt, , abgeschuppt werden, oder bestand
die Farbe aus leicht resorbirten Stoffen, wie Tinte, Indigo u. dgl., so wird die Zeichnung
ebenfalls allmählig verblassen bzw. verschwinden,' ist aber der richtige Stoff, Kohle
in fo rm von Russ, Tusche, Schiesspulver u. dgl. einmal in die richtige Hautschicht, die
Lederhaut, eingeführt, aus welcher er durch die Epidermis blau hindurchschimmert,-so
dürfte die dadurch hervorgebrachte Tätowirung unauslöschlich sein und auch den ge-
priesensten Mitteln, wie Nachpunctiren mit Säuren u, dgl.,- erfolgreich widerstehen.
Die ferneren Gesichtspuncte, die sich bei der Behandlung der Sitte des Täto-
wirens in Europa noch eröffnen, z. B. den medicinischen, ob nicht oft gewisse Krankheiten
den Betreffenden eingeimpft werden oder ob man das Tätowiren nicht als Mittel
zur Färbung oder Entfärbung gewisser Hautflecken anwenden kann u. s;> w., ebenso den
criminalistischen, ob z. B. das Vorhandensein oder nicht mehr Vorhandensein einer
Tätowirung wirklich unfehlbare Schlüsse über die Identität eines Individuums zulassen,
wollen wir, als ausserhalb des Rahmens dieser Arbeit liegend, hier nicht weiter behandeln.
Wie schon bemerkt wurde, ist die eben 'besprochene Tätowirung nur als eine
Abart der ursprünglichen Sitte zu betrachten; im Grossen und Ganzen spielt sie
auch in Europa die Rolle, die ihr zukommt, die eines allbeliebten Körperschmucks.
Auch der Europäer lässt sich gerne, sei es nun in der Fremde oder im Vaterlande, täto-
1 Allgem. Encyclopädie der W. u. Künste von 2 ein Verzeichniss findet sich bei Berchon. p. 452
E rsch & Gruber. Sect. II. Bd. 39. 1886. u. 463.
wiren. Vor Allem sind es Seefahrer und Reisende, Gelehrte und Kaufleute, Pilger und
Soldaten, die es lieben, zur Erinnerung an ferne Länder eine Probe dortiger Tätowirung
in die Heimath mitzubringen. Zwei ritterliche Männer, die beide berufen sind, als Kaiser
und Könige über viele Millionen Europäer zu herrschen, haben sich in Jerusalem das
„el-Qods“ gerade so in den Arm tätowiren lassen, wie unzählige gewöhnliche Sterbliche
vor und nach ihnen. Zumal bei den Marineofficieren aller Nationen erfreut sich dieser
Brauch allgemeinster Beliebtheit.
Kürzlich1 erschien im londoner „Graphic“ ein Bild: „Tattooing an officer in Japan“
und im begleitenden Text schreibt ein Marineofficier: „Tätowiren kann als eine hervorragende
und perennirende, mit Japan verbundene Manie bezeichnet werden. Alle jungen
Marineofficiere sind von derselben angesteckt. Der betr. Künstler hat seiner Zeit auch
die Söhne eines europäischen Mikado tätowirt.“ Mit letzterer Bemerkung sind die
beiden Söhne des Prinzen von Wales gemeint, deren erste Frage, nachdem sie Japan
betreten hatten, wie uns Baelz berichtet, zum Entsetzen” der Japaner, die nach einem
Tätowir-Künstler war.
Fischer und Matrosen, Bewohner der Meeresküste überhaupt sind es, die sich
mit ausserordentlicher Vorliebe tätowiren lassen. Wir können das zumal an der französischen.
und italienischen Mittelmeerküste, oder in Istrien und Dalmatien beobachten,
aber .auch unsere deutsche Küstenbevölkerung macht, ebenso wie die englische oder
Scandinavische, keine ■ Ausnahme.
Betreffs der deutschen Marine hatte Herr Generalarzt d. M. Dr. Wenzel, an
den der Verf. sich zu wenden erlaubte, die 'Güte, demselben Folgendes mitzutheilen:
„Statistisches Material über die Anzahl von tätowirten Leuten in der Marine existirt
nicht. Die Sitte des Tätowirens ist in der Marine sehr verbreitet. Man muss da unterscheiden
zwischen Einstellung von Recruten und Entlassung von Reserven. Bei der
Einstellung findet sich unter den für die Matrosen-Division bestimmten Leuten, soweit
es Seeleute, See-, Fluss- und Haff-Fischer sind, eine ü b e rw ie g e n d g r o s s e Zahl von
Tätowirten; dagegen ist bei den zu vierjährigem Dienst in die Matrosen-Divisiori eingestellten,
der Landbevölkerung angehörigen Leuten die Tätowirung selten. Bei der Entlassung
sind die Marine-Mannschaften in d e r M e h r z a h l tätowirt; meist schliessen sich
die aus der Landbevölkerung hergekommenen Leute .sehr rasch der Sitte an, um ihre
Eigenschaft als Seebären damit vollgültig zu beweisen.“
Ob in der deutschen Armee viel tätowirt wird, darüber ist Verf., trotzdem er in
verschiedenen Regimentern gedient hat, nicht in der Lage Näheres mitzutheilen. Die
Zeit des deutschen Soldaten ist durch den Dienst so sehr in Anspruch genommen, dass
ihm die zum Tätowiren nöthige Müsse fehlt, dennoch ist dem Verf. von verschiedenen
[3. Novbr. 1886. 2 weil der vornehme Japaner sich nie tätowirt.