Zusammentreffen mit Weissen sofort mit dem Tode büssen musste, ebenso wje ihn
die modernen Porträts auf Tafel IV—VI darstellen: „Eine der Seiten seines Gesichts
war bemalt mit spiralförmigen sehr regelmässig gezeichneten Linien. . . . Wir konnten
nicht umhin, die Kunst und Gewandtheit zu bewundern, mit der sie diese Flecken und
diese Furchen auf ihre Haut drucken. Die Male im Gesicht sind gewöhnlich spiralförmig;
sie sind mit viel Genauigkeit und' selbst Eleganz gezeichnet, wobei die einer
Seite genau denen der anderen entsprechen. Die Körpermale gleichen etwas dem
ornamentirten Laubwerk alter Ciselirung und den Schnörkeln von Filigranarbeit — nicht
Zwei trugen gleichen Schmuck.“ '
Aus den Tätowirmustern lassen sich also keine Anhaltspuncte für die W aitz sehe
Behauptung gewinnen und auch der sprachliche Beweis ist misslungen.
Tätowiren heisst auf Maori: „T a “ , „Möko“ oder „Kotiki“ (bei Frauen). Die ge trockneten
Köpfe „Mokomokäi“ oder „Mokaikai“ , die Eidechse dagegen „tuatara, rua-
tara“ , nur eine besondere kleine Species derselben heisst „mokomoko“ .’ Ebenso wenig
wie die Neuseeländer sich jemals Eidechsen auf den Leib stachen und gerade in diesem
Mokomoko das Symbol ihres verstorbenen Grossvaters sahen — denn der Vater lebte
doch wohl durchgängig noch zur Zeit, als die Jünglinge tätowirt wurden — ebenso wenig
soll ihre Tätowirung „moko“ ein Symbol des „Mokomoko“ s.ein, sondern die Maoris
wählten die Pluralform ihres Worts . für Tätowiren zur Bezeichnung d e^ kleinsten
Eidechsenart, (im Fall „moko“ und „mokomoko“ wirklich verwandt sind, was noch zu
beweisen wäre), höchstens darum, weil die huschenden Bewegungen der letzteren ihnen
die Linien ihrer eigenen Gesichtsschnörkel ins Gedächtniss zurückriefen.
Unhaltbar wie obige Behauptung sind ähnliche Phantasiegebilde, So führen
Gerland -Waitz auch die abergläubische Furcht gewisseFVölker vor Crocodilen u. s. w.3
und die oft göttliche Verehrung, die sie denselben angedeihen lassen, wiederum auf
den Glauben dieser Wilden zurück, die betreffenden Bestien seien „personificirte“ Geister
oder Götter, während der Gedanke doch viel näher liegt, anzunehmen, dass die Wilden
eine solche „Heiden“ angst vor den Crocodilen haben, nicht weil sie g l a u b e n , dass die
S e e l e n ihrer Vorfahren, sondern weil sie w i s s e n , dass die L e i b e r letzterer in
dieselben hineingefahren sind.
Dass auf den Atollen der Südsee die gefällige Cocospalme ein beliebtes Tätowir-
muster war und ist, lässt sich leicht begreifen, die angeführten Verfasser können aber nicht
„n d iir. zu vermuthen: „Vielleicht waren auch die häufig eintätowirten Cocospalmen von
geheimnissvoller Bedeutung, da — auch in diese die Götter sich häufig niederliessen.*
Weil auf Tonga die Leute sich mit dem ihnen am leichtesten zugänglichen, fertig
. R e l.d e voy. III. p. 47 u. 841 vgl. Derenbach. ' S V I. p. 36.
Travels in New-Zealand. London 1843. p. 33-
* Dieffenbach. 1. c.j Williams. Dictionary. 4 P* 39-
von der Natur gelieferten Instrument, einem Haifischzahn, die Haut zerkratzten, —
denken G e r l a n d -W a it z sofort wieder an „die Heiligkeit, ja Göttlichkeit des Hais“ .
(Dessen „Göttlichkeit“ auf denselben Grund zurückzuführen ist, wie die des Crocodils.)
Um den Leser nicht mit weiteren Beispielen zu ermüden, mag nur noch eins
angeführt werden, das auf das schlagendste beweist, welche Mühe man sich gegeben
und welche geographische Sprünge man gemacht hat, um die Heiligkeit der Tätowirung
zu beweisen. Auf Tonga lassen sich die Männer beschneiden und ihre blossgelegte e^el
tätowiren. Den Anblick dieses so verzierten Theils werden sie im gegebenen Moment dem
schönen Geschlecht nicht entzogen haben. Weil nun aber einmal eine M a r k e s a n e r in ( l ) .
über einen Matrosen empört war, der ihr seine (NB. n ic h t tätowirte) h^sX entblösst
gezeigt hatte, darum soll auf T o n g a die ei%eX „heilig sein und als lebenspendendes
Glied verdienen, das Bild der Gottheit zu tragen“ !1
Nach dieser Orgie von Phantasie ist es wirklich wohlthuend, die nüchterne E rklärung
der Tätowirung, z. B. der californischen Indianer zu hören: Bei diesen gilt
eine weisse Muschel als Werthmesser, je länger die Muschel, desto werthvoller ist sie.
Alle alten Indianer haben nun auf den Arm ein gewisses Längenmaass, ihren Privat-
Standard tätowirt, nach dem sie ihre Preise beim Ein- oder Verkaufen reguliren.2
1 Gerland-Waitz. VI. p. 28 u. 40. Zeichen gebrauchen sie als Richtschnur und Maass-
2 Bancroft. 347; Ausland 1884. p. 612: Diese stab beim Messen der Schnüre von Muschelgeld.
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