Gruppen die Sitte als herrschende, oder wenigstens Reste und Spuren einer solchen
vorfinden können. Vor Allem sind hier die Dayaks auf Borneo hervorzuheben,1 dann
die Bewohner von Seram,1 2 Ambon, dem Kei-, Aaru-, Tenimber-Archipel3 u. s. w. Schon
Cook berichtet über kunstvolles Tätowiren auf Savu (südlich von Flores).4
Was die unzähligen Inseln des Stillen Oceans betrifft, so hält es schwer, unter
all den Tausenden auch nur ganz vereinzelte herauszufinden, auf denen zur Zeit ihrer
Entdeckung eine oder die andere Hautzier n ic h t im Schwange gewesen wäre. Es ist
indess falsch, die Südseeinseln als „Heimath“ der Tätowirung zu bezeichnenl|g||f| die
Heimath ist jedenfalls viele, oft mehr wie ioo Grade westlich auf dem asiatischen
Continent zu suchen. Aus ethnologischen und sprachlichen Gründen sind wir zu der
Annahme berechtigt, dass den Malayopolynesiern der betreffende Gebrauch schon bekannt
war, bevor sie vom gemeinsamen Stammlande auf dem Festlande aus, ihre Fahrt
antraten, die sie Tausende von Meilen über den unbekannten Ocean nach den fernsten
Eilanden hin bis nach Hawaii, der Osterinsel oder gar nach Madagascar fuhren sollte,
weil der Umstand, dass Stämme, die heute so weit von einander geschieden wohnen,
zur Bezeichnung derselben Sitte (wie oben nachgewiesen) d a s s e lb e W o r t gebrauchen,
nicht anders zu erklären ist.
^ in e Aufzählung der am stärksten tätowirenden Völker des Stillen Oceans wäre
ermüdend und zwecklos; zur Zeit der Entdeckung waren es wohl die Markesas-Bewohner,
die hierin eine ganz ausserordentliche Fertigkeit erreicht hatten und beinahe keine Stelle
des ganzen Körpers unbedeckt Hessen — heute ist die Sitte in der ganzen Südsee am
Aussterben: in Polynesien zumal in Folge des Eifers der americanischen Missionare,
die überhaupt gar nicht genug Gesetze aufstellen konnten, um so viele Uebertreter derselben
wie möglich bestrafen, d. h. zu Frohndiensten für die Mission heranziehen zu
können. So verboten sie auch den Leuten das Tabakrauchen. Wer auf Tahiti oder
Huaheine tätowirte, musste zur Strafe eine gewisse Menge Steine heranschleifen, ein
Stück Mauer bauen u. s. w.5 Die katholischen Missionare sind in dieser Beziehung, wie
in mancher andern, viel duldsamer und vernünftiger gewesen: auf Rotumäh erlauben sie
z. B. den Leuten heute noch, sich einen Christus am Kreuz auf den Arm tätowiren zu
lassen.6
In Melanesien entwickelte sich die Sitte wie schön oben angedeutet, nicht in
solchem Maasse, obgleich auch hier, bei den, wohl in Folge von Rassenvermischung sich
1 Bock. Unter den Cannibalen auf Borneo.
Jena 1882. p. 75, 150, 158, 215.
2 vergl. d. Verf. Aufsatz in Verh. B. A. Ges. 1882.
p. 65; ebenda. 1877. p. 119.
3 Riedel. De sluik-en kroesharige Rassen etc.
P- I39> 75» 2J 9* 25h 280.
4 Relat. etc. IV . p. 191.
5 E l l is . 1. c. II. p. 463; vgl. auch Globus 50. p. 5.
„4 0% der Geldstrafen (wegen Unsittlichkeit) fliessen
in die Tasche des Missionars.“ ' (Auf den Hervey-
Inseln.)
6 Nach einer Mittheilung von Dr. Finsch.
häufig innerhalb desselben Volks findenden, Unterschieden der Hautfarbe, die helleren
Individuen der Tätowirung durchaus nicht abgeneigt sind.
In Mikronesien wird heute noch verhältnissmässig ziemlich viel tätowirt, wie aus
den weiter unten folgenden Abhandlungen von O. Finsch und J f_S. Kubary hervorgeht.1
Auf der Osterinsel hat sich die Sitte bis jetzt erhalten,2 auf Hawaii scheint sie
gänzlich ausgestorben zu sein und auch auf Neu-Seeland, wo sie sich in so eigenartiger
Weise entwickelt hatte, nähert sie sich ihrem Ende; um so mehr Interesse dürften die
Tafeln IV-—VI beanspruchen, als sie alle Portraits von noch heute Lebenden darstellen.3
In Australien hat sich, wie aus den Ausführungen auf Seite 32 erklärlich ist,
niemals einer der schwarzen Söhne des Landes tätowirt.
Kehren wir zu den Sunda-Inseln zurück, so finden wir hier, zumal auf Java und
Sumatra, S - ; abgesehen von den dunklen Battah’s — keine Anhänger der Tätowirung.
Die Cultur der Reiche Madjapahit und Menangkabau hat diesen „barbarischen“ Brauch
vergessen gemacht; den Verschönerungskünsten der Körpermalerei blieben aber Javanen,
Malayen u. s. w. bis auf den heutigen T a g treu.
Auf dem asiatischen Festlande ist es zumal Hinterindien, dessen Söhne
dem Tätowiren heute noch anhängen, während weder die Chinesen, wie oben aus-
gefuhrt, noch die Centralasiaten, aus später anzufuhrenden Gründen, derselben huldigen.
Auch das Tibethische besitzt kein Wort für „Tätowiren“ ,4 wohl aber hängeji die Bewohner
der chinesischen Insel Hainan diesem Brauche jetzt noch an. H e n r y sagt in'
seinem jüngst erschienenen Werke „Ling-Nam, or Interior Views of Southern China, in-
cluding travels in the hitherto untraversed Island of Hainan“ :3- „Die Frauen der L e
(Aboriginer) sind ohne Ausnahme mit blauen Streifen etc. tätowirt . . . im Allgemeinen
werden Blumen, Insecten oder Fische durch die Tätowirung nachgebildet.“
Früher, unter König Uthong, der allerdings von den Laos stammte, sollen auch
die Siamer am untern Mekong tätowirt haben,6 heute sind es zumal, die Laos7 und dann
die Birmanen, bei denen die Tätowirung noch an fast sämmtlichen männlichen Individuen
in höchst kunstreicher Weise ausgeführt wird. Bei den Letztgenannten beschränkt sich
der Schmuck meist auf den Theil des Körpers zwischen Hüften und Kniekehlen und
wird dieselbe so sorgfältig und dicht eingestochen, dass nackte Individuen auf viele
Beobachter, auch auf den Verfasser, den Eindruck gemacht haben, als wandelten sie in
europäischen Badehosen einher;8 die Schan dagegen sind jetzt noch über den ganzen
1 vgl. auch Wilkes. 1. c. V. p. 108 (Kingsmill);
'7 (Duke o f York); 40 (Ellice A.); K otzebue. 1. c. p. 63,
76, 81 ff., 94 (Marschall-Inseln).
2 Weisser. Oster-Insel. Berlin 1883. Mittler, p. 36.
3 Ausführliches über Polynesien bei Waitz. VI.
p. 29—41.
4 Nach Dr. Grünwedel.
5 London 1886. Globus 50. p. 329.
6 Bastian. Gesch. der Indochinesen, p. 112 .
7 Ausführliches mit Abbild, bei Bock: Im Reiche
des weissen Elephanten. p. 136 ff.
8 D. Verf.: Besuch beim Könige von Birma.-p. 11 .