Es giebt wohl keinen Theil des Körpers, der nicht irgendwo auf der Erde täto-
wirt werde; auch die allerempfindlichsten Stellen, wie die Zungenspitze, Lippen, Genitalien,
Brustwarzen, Augenlider u. s. w. werden nicht verschont.
Merkwürdig ist auch der Brauch des Durchnähens, der .sowohl zum Zwecke der
Narbenzeichnung wie der Tätowirung Anwendung findeLL,/,
Verf. hat denselben nur bei Natalkaffern bemerkt, bei welchen den Mädchen der
Bauch ober- und unterhalb des Nabels mit 4 Parallellinien von 6— 8 breiten Stichen,
die aber dicht unter der Epidermis durchgehen, durchnäht wird, gerade wie man etwa
einen Sack mit einem Pfriem zunäht. Nachdem diese Operation, die nicht allzu schmerzhaft
ist, vollendet, fährt man mit einem Messer den unter der Haut liegenden Stücken
des Fadens entlang, letzteren so wieder freilegend. Die zerfetzten Stellen verheilen
dann zu Ziernarben. Das Durchnähen mit einem mit Russ geschwärzten Faden, also
ein dem Punctiren sehr nahe verwandter Process, findet nach P lo s s bei den Eskimos
statt und zwar thun es die Mädchen „aus Furcht, sie möchten sonst keinen Mann bekommen“
.1 Die Indianer im Mississippigebiet und andere Nordamericaner,1 2 3 die Eskimos,3
Grönländer und die Tschuktschen fahren mit einer pfriemartigen Nadel oder Ahle unter
der Oberhaut weg und ziehen dann durch den geöffneten Canal einen mit Russ oder
Kohlenpulver und Thran getränkten Faden, oder eine Sehne. Der Farbstoff bleibt unter
der Haut zurück in der Wunde und schimmert blau durch.4
Die Frage, ob Tätowiren schmerzhaft ist oder nicht, lässt sich nicht so ohne
Weiteres beantworten, da dies vollkommen von den bei der Operation verwandten
Instrumenten, sowie von der Art und Weise, wie letztere gehandhabt werden, abhängt.
In Neuseeland z. B., wo den Leuten vollkommene Furchen durch das Gesicht gezogen
wurden, — und zwar durch wiederholte Ueberarbeitung derselben Stelle — musste die
Operation äusserst schmerzhaft sein. Dieffenbach schreibt: „Das Tätowiren wird ent-
1 Fr. Muller. Allgem. Ethnographie. p. 203.
2 Hearne (Samuel). Journey from f r. of Wales
Fort to the N. Ocean. London 1795. p. 306.
3 Beechey. 1. c. p. 263.
4 Wuttke. p. 86; vgl. auch FLETCHER-Washington.
weder mit dem scharfen Knochen eines Vogels oder mit einem kleinen Meissei, „uhi“ (a)
ausgeführt. Der Candidat für diese Auszeichnung legt seinen Kopf auf die Knie des
Operateurs, der den Meissei mit seiner Hand in die Haut schlägt. Jedes Mal ist derselbe
in eine Farbe, „narahu“ getaucht, die durch Verkohlen des Harzes der Kaurifichte
Tätowir-Instrumente von Neuseeland
(natürliche Grösse).
hergestellt wird; und nach jedem Einstechen wird das Blut abgewischt. Das Tätowiren
der Lippen ist der schmerzhafteste Theil der Operation.“ *
C o o k schildert den Vorgang auf Tahiti ebenfalls als einen schmerzhaften: „Sie
stechen die Haut, so tief wie sie können, ohne derselben Blut zu entziehen, mit einem
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