Ausser von Rogia lernte ich die Tätowirung noch auf Chas (Teste Isl.) kennen,
einer kleinen, etwa 4 km langen Insel, welche den äussersten nach Süden vorgeschobenen
Posten des Moresby-Archipels bildet und kaum 300 Bewohner zählt. Die Tätowirung
stimmt hier mit der von Rogia beschriebenen überein, nur kommen vielleicht etwas
mehr gebogene Linien vor, besonders im Gesicht. Da die Teste-Insulaner mehr als
anderswo an Hautkrankheiten, besonders Ichthyosis leiden, so tritt bei ihnen die Tätowirung
gewöhnlich nicht so scharf hervor.
Wie im Port Moresby-Gebiet sind vorzugsweise nur die Weiber tätowirt, die
Männer dagegen nur ausnahmsweise. Man findet dann bei ihnen auf der einen Brustseite
oder dem Schulterblatte ein einfaches Muster, ganz in ähnlicher Weise wie bei
Männern an der Südostküste. Auch hier bezeichnet diese Tätowirung die Thaten des
Kriegers, denn die Teste-Insulaner, wie sämmtliche Bewohner des Moresby - Archipels
waren früher arge Raufbolde und — Menschenfresser. Aber die Tätowirung hat mit
Menschenfresserei nichts zu thun, denn die Motu in Port Moresby sind keine Cannibalen.
Ausser den beiden genannten Inseln ist, nach meinen Erkundigungen, Tätowirung
auch auf den übrigen Inseln des Moresby-Archipels üblich und reicht westlich bis Südcap,
bekanntlich eine Insel, Stacy-Island, kommt aber nicht auf dem Festlande vor, wie
ich dies in Milne-Bai selbst beobachtete. Diese engen Verbreitungsgrenzen eines Gebietes,
welches kaum mehr als ein paar Tausend Bewohner zählt, ist in hohem Maasse
interessant, denn nach meinen Erkundigungen fehlt Tätowirung auch auf dem nahe
gelegenen Louisiade-Archipel. In der That wird es schwer, für diese Isolirtheit eine
genügende Erklärung zu finden. Wie wir gesehen- haben, sind die Eingeborenen des
Moresby-Archipels echte Papuas, die aller Wahrscheinlichkeit nach vom Festland herüberkamen,
weil Inseln stets grösseren Schutz gegen feindliche U eberfälle gewähren. Obwohl
die Bewohner dieses Archipels treffliche seetüchtige Canus besitzen, so erstrecken sich
ihre Reisen doch nur nach Gebieten, wo keine Tätowirung vorkommt, wie nach den
d’Entrecasteaux, der Louisiade und dem Festlande Neu-Guineas bis Stacy-Island, aber
nicht bis in den über 200 Seemeilen entfernten Port Moresby-District. Die lange Inselkette
von den Neu-Hebriden bis auf die Salomons bildet überhaupt eine gewaltige
Grenzscheide zwischen der melanesischen und oceanischen Rasse der Südsee und macht
eine Einwanderung von Osten her ziemlich unwahrscheinlich, noch mehr aber würde
dieser Annahme die besondere Art der Tätowirung dieses kleinen Gebietes selbst
widersprechen.
Nicht allzulange und auch hier wird, durch den regeren Verkehr von Schiffen
und den alle Originalität schnell zersetzenden Einfluss der Mission, die Sitte des Täto-
wirens verschwunden sein, wie bereits an so vielen anderen Orten der Südsee. O. F.
Was das Alter der Sitte des Tätowirens, d. h. des Einstechens irgend eines Stoffs
in die Haut betrifft, so hat Verf. sich vergeblich bemüht, dasselbe annähernd zu
bestimmen. Hautstücke der Prähistorier sind uns nicht erhalten geblieben und aus
dem Funde e in z e ln e r Instrumente, die wohl zum Tätowiren hätten dienen können,
auf das Herrschen einer solchen urgeschichtlichen Sitte zurückzuschliessen, dazu kann
sich der Verf. heute noch nicht entschliessen. Die Philologie weist uns häufig den
Weg, den dieser Brauch gewandert ist, bevor er unter dem betreffenden Volke heimisch
wurde, aber auch die Philologie ist nicht unfehlbar. So kann man z. B. noch lange
nicht mit Sicherheit behaupten, dass ein Volk die .Tätowirung nicht kenne oder nicht
gekannt habe, weil es „kein Wort dafür besitze“ , denn der Umstand, dass (uns) Philologen
das betreffende Wort nicht bekannt ist,- ist kein Beweis, dass es nicht existirt
oder nicht existirt hat, ebensowenig wie man aus der Thatsache, dass manchen Völkern
wirklich das Wort fehlt, darauf schliessen darf, dass ihnen nun auch die Sitte selbst
unbekannt sei: Wir Deutsche müssten sonst Tätowiren erst seit 100 Jahren kennen,
da wir nie ein anderes Wort dafür besessen haben.
Man ist nun im Allgemeinen gewöhnt, wenn man eine Sitte als eine recht alte
darstellen will, auf die alten Egypter zurückzugreifen; bei diesen lässt sich aber die
des Tätowirens nicht nachweisen. Hätte eine solche jemals geherrscht, so würden
wir das aus den so sorgfältig ausgefuhrten Wandgemälden u. s. w. ersehen können.
Das ist aber nicht der Fall und bei einem Volk, das schon vor Tausenden von Jahren
einen ausserordentlich hohen Grad von Cultur erreicht hatte,1 auch gar nicht auffallend.
F letcher-Washington sagt allerdings: „In ancient Egyptian tombs similarlyshaped
instruments (i. e. tattooing implements) of iron as well as of bone, have been
discovered, and, from their appearing in pictorial représentations also, have been clearly
determined to have been used for the purpose named“ *; ebenso Berchon: „ c étaient
des poinçons, des alênes, des pointes de fer fines et aiguës dont on a retrouvé des
spécimens dans les sépultures les plus anciennes de l’Egypte“ 3 (Shaw); beide bezeichnen
aber nicht ihre Quellen genauer und die Stelle bei Wuttke: „In Africa zeigen die alten
Malereien von Tep in Egypten, dass der lichtgemalte Menschenschlag, der sich nur in
Thierfelle hüllte, Tätowirung hatte“ ,4 beweist nichts, weil man nicht weiss, um welchen
„Menschenschlag“ es sich da handelt.
1 vgl. p. 28. 3 )• c- P- 33-
4 p. 92 nach Domeny de Rienzi. II. p. 21 (von
einem Grabstein 1 1 e. p. 42. in Bitan el Moluk).