B o u g a in v il l e schreibt von den Tahitierinnen: „S o wie die französischen Damen
sich die Backen roth anpinseln, so streichen die Damen in Tahiti den Hintertheil ihres
Leibes blau an . . . Die Gewohnheit sich anzustreichen, ist hier also eine Mode wie in
Paris“ ,1 ebenso C ook, der diese Sitte als erster Europäer studirte, und der darum gewiss
unparteiisch und vorurtheilslos- urtheilte: „Die Figuren auf den Hinterbacken befriedigen
ihre E i t e l k e i t , Männer und Frauen zeigen dieselben mit einem Gemisch von Prahlerei
und Vergnügen.“ “ Von den Osterinsulanern sagt er, sie tätowiren sich „as fancy leads
them“ , von den Markesanern: „sie sind von Kopf bis zu Füssen punctirt . . . die Figuren
scheinen mehr von Laune wie vom Herkommen beeinflusst zu werden“ u. s. w.
Auch L a n g sd o r f f ergänzt und unterstützt in jeder Weise die Ausführungen des
Verf.; er schreibt von den Markesanern auf Nukahiva: „obschon dieser Schmuck keine
persönliche Auszeichnung bedeutet, so bedienen sich doch besonders nur die Vornehmen
desselben, indem diese allein ihn zu bezahlen im Stande sind . . . Der Künstler, der
dieses verrichtet, erhält sowohl vorher als nachher mehrere Schweine zur Belohnung.
Wer den Tatuirmeister gut belohnt, erhält einen, der Bezahlung entsprechenden ■ Hautschmuck.
Dieser ist nach hiesigen Begriffen ein hoher Grad von Vollkommenheit des
K ö r p e r s c h m u c k s . “ 1 2 3
Das Volk, bei welchem dem Europäer die Tätowirung vielleicht am allerwenigsten
als Schmuck erscheint, sondern bei dem sie häufig wirklich schreckeherregend wirkt, sind
die Neuseeländer. Aber auch bei ihnen scheint letzterer Eindruck nicht beabsichtigt g e wesen
zu sein, zumal sie ja nur unter einander, nie mit einem fremden, n ic h t tätowirten
Volk Krieg führten, denn wir besitzen Zeugnisse von Leuten, welche vor ungefähr
60 Jahren lange Zeit unter den Maoris lebten, dass auch diese sich durch ihre Tätowirung
nur zu verschönern trachteten. Der Missionar E l l i s sagt: „it is ^considered
highly ornamental . . .; it was merely a personal adornment“ ,4 und der Maler E a r l E
betont diese Auffassung noch viel bestimmter: „a highly-finished face o f a chief from
the hands of this artist, (Aranghie, ein berühmter Tätowirkünstler) is as generally prized
in New Zealand as a head from the hands of Sir T hom a s L aw r e n c e is amongst us“ ;
dies beweist er auf das schlagendste: „ A neighbour of mine very lately killed a chief
who had been tattooed by Aranghie and appreciating the artist’s work so highly, he
skinned the chieftain’s thighs (Schenkel) and covered his cartouch box with it!“ 5
In ähnlicher Weise werden die Maoris die Schädel ihrer erschlagenen Feinde
theils als Trophäen, theils als Kunstwerke auf bewahrt haben.
F in s c h erklärt die Tätowirung „allenthalben in der Südsee für ein Verschönerüngs-
1 (| | P- |t|| 4 1. c • I. p. 3 i.
2 voyages etc. p. 451. ' 5 A narrative o f a nine months’s residence in
3 1. c. p. 101/103. N.-Z. in 1827. London 1832. p. 137 u. 138.
mittel, das weder mit Rang, Stand, noch Religion irgend etwas zu thun hat“ ; 1 in ähnlicher
Weise beantwortete ein Caroliner die Frage, wozu das Tätowiren da sei: „es hat
den Zweck, den Eure Kleider haben, nämlich den Weibern zu gefallen.“ “
Auch R ie d e l schreibt in seinem kürzlich erschienenen ausgezeichneten, schon
mehrmals angeführten Werke: „Die Männer tätowiren sich, um den Frauen zu gefallen“ ,3
oder „das Tätowiren geschieht zur Verschönerung“ u. s. w.4
B o c k , der sich lange, sowohl in Borneo wie im obern Siam aufhielt, sagt: „Wie
die Dajakmädchen sich tätowiren, um den jungen Männern zu gefallen, so lassen es die
Laos mit sich thun der Weiber wegen.“ 3
In Birma kennt man zwei Arten der Tätowirung, die blaue und die rothe; die
erstere ist ausschliesslich Körperzier, die letztere ist von den „sayah“ , den betreffenden
Künstlern, mit einem schwindelhaften Nimbus umgeben worden, der es ihnen ermöglicht,
ihren dümmeren Mitmenschen einige Groschen mehr aus den Taschen zu ziehen.
Mit Vorliebe stechen sie denen — natürlich nur gegen baare Bezahlung — kleine
schachbrettartige, mit Kreisen oder Rädern ausgefüllte Zeichnungen (vgl. die würfelartigen
Beigaben der birmanischen Tätowirmuster auf p. 30 und 53) in die Brust, die sie dann,
lange lebend, dem andern Geschlecht gegenüber unwiderstehlich, unverwundbar machen
sollen u. s. w. Dabei muthen sie den Betreffenden oft Unglaubliches zu, sie lassen
sie rohes Fleisch von Menschen kauen, die eine Zeitlang am Galgen gehangen haben
u. dgl.,6 im Grossen und Ganzen ist aber auch in Birma der Zweck desifetowirens ein
vorwiegend kosmetischer. *
Um den Leser nicht zu ermüden, mag zum Schluss nur hoch ein Volk erwähnt
werden, bei dem, wie schon bemerkt, die Kunst des Tätowirens noch in voller Blüthe
steht, die Japaner. Auch von diesen sagt Prof. B a e l z in seiner angeführten trefflichen
Abhandlung: „Die körperlichen Eigenschaften der Japaner“ 7: „Keine Feierlichkeit, keine
symbolische oder sonstige Bedeutung der Procedur, sondern rein k o sm e t i s c h e Zwecke
sind es, die uns hier entgegentreten,“ welcher Ansicht Verf., auf eigne Erfahrung gestützt,
sich voll und ganz anschliesst.
Verf. hat auf seinen zehnjährigen Reisen durch manchen Welttheil gar viele
Tätowirte beiderlei Geschlechts getroffen und gar oft die Frage an dieselben gerichtet:
„warum thut Ihr das? was denkt Ihr Euch dabei?“ Und stets lautete die Antwort: „wir
thun das, um uns zu v e r s c h ö n e r n “ oder „e s ist einmal so Sitte“ oder aber Verf.
wurde einfach ausgelacht: die Frage kam den Leuten eben zu einfältig vor, wussten
sie doch selbst nicht, warum sie sich beschmierten, zerfetzten oder tätowirten.
1 1- c. p. 26; Z. f. Ethnol. 12. p. 308. 5 Im Reiche d. w. Eleph. p. 136.
* Waitz. 5. p. 67.
3 Auf den Kei-Inseln. * Shwav Yor '• c- P; 5=-
4 Auf Lüang-Sermata und dem Babar-Archipel. 7 vgl. p. 49 Note 7.