
 
		ich  nie,  dass  Zigeuner  tätowiren  oder  sich  tätowiren  lassen.  Bei  den  unter  Serben  und  
 Romanen Wohnenden kommt  hier und  da  das Bemalen  vereinzelt  bei Mädchen vor,  doch  
 selten,  und  gilt  auch  nicht  als  anständig,  da  dieses  Volk  auf  seine  dunkle  Farbe  sehr  
 stolz  ist  und  selbst  Abkömmlinge  gemischter  Rasse  nicht  besonders  liebt.“  — 
 Wenngleich  in  vorliegender  Arbeit  nach  der  ursprünglichen  Absicht  des  Verf.  
 nur  das  Tätowiren  der  aussereuropäischen  Völker  behandelt  werden  sollte,  so  mögen  
 zum  Schluss  noch  einige  Bemerkungen  über  dieselbe  Sitte  bei  Europäern  bzw.'?.jäber  
 die  Verbreitung  derselben  in  Europa  folgen,  die  um  so  kürzer  gefasst  sein  dürfen,  als*  
 wie  eingangs  bemerkt  (vgl.  p.  4),  schon  mehrere  Arbeiten  hierüber  vorliegen. 
 Die  Frage,  ob  unsere  Prähistorier  tätowirten,  kann,  wie  schon  erwähnt  wurde,  
 heute  noch  nicht  beantwortet  werden.  L a r t e t   (Annales  des  Sciences  naturelles  4 .  ser.  
 Zoologie  XV)  hat  allerdings  verschiedene,  im  Jahre  1852  in  der  Höhle  von  Aurignac  
 (Haute  Garonne)  gefundene  Gegenstände. aus  Knochen  und  Rennthierhorn,  zumal  einen  
 sehr  spitzen  Pfriem,  für  Tätowir-Werkzeuge  erklärt,  er  dürfte  aber  mit  dieser  Ansicht  
 ziemlich  vereinzelt  dastehen. 
 Aus  verhältnissmässig  neuerer  Zeit  ^besitzen  wir  zahlreiche  Belege,  dass  den  
 Griechen  und  Römern  die  Sitte  wohl  bekannt  war,  wenn  auch  die  Wahrscheinlichkeit  
 gross  ist,  dass  sie  von  Asien  her  eingeführt  wurde,  denn  das  europäische  Klima  konnte  
 durchaus  n ic h t   dazu  beitragen,  die  Idee  der  Tätowirung  bei  den  Europäern  e n t stehen*' 
  zu  lassen. 
 P l in iu s   berichtet  von  den  Daciern  und  Sarmaten  (im  heutigen  Polen,  Südrussland,  
 Ungarn,  der  Wallachei  u.  s.  w.),  dass  die  Männer:  „cörpora  sua  inscribunt“ . 1  H e ro d o t   
 meldet  von  den  Thraciern,  die  er  das  grösste  Volk  nach  den  Indern  nennt,  weil  ihre  
 Sitze  weit  in  das  heutige  Russland  hineinreichten,  dass  bei  ihnen  Tätowirung  als  Zeichen  
 der  Ed ein,  der  Mangel  als  Zeichen  der  Gemeinheit  galt;*  C ic e r o   erwähnt  ebenfalls  
 einen  tätowirten  Thracier  als  Leibwächter  des  Alexander  Pheraeus:  „compunctum  notis  
 threiciis“ .1 2 3  Auch  die  thracischen  Frauen  kannten  diese  Sitte:  „subulis  (Pfriem)  corpora  
 sic  notarunt  ut  picturata  viderentur“ .4  Aehnliches  berichten  H e ro d o t , 5  S t r a b o 6  und  
 P omponiu s   Mela  von  den  Agathyrsen  (im  heutigen  Siebenbürgen):  „ora  artusque  pingunt  
 sic  ut  ablui  nequeant“ .7  Von  den  Mossyriöken  in  Kleinasien  erzählt  X eno pho n ,  dass  
 sie  ihren  Kindern  den  Rücken  bemalten,  denselben  aber  auf  die  Brust  Blumen  tätowirten  
 (.  .  tauyfitvoi  .  .)8 
 1  Hist.  nat.  X XII.  1.  1  IV.  104. 
 2  v -  6;  vgl.  auch  Strabo VII. 5.  § 4.  p. 315 .  6  v n   3I4 
 3  Off.  II.  7.  25. 
 4  A u m a «  in Deipnosophistarum XII.  Ed.  Lugd.  1   Slta  orbis  1 1   I -  8  I a 
 *583-  P- 39°-  |  Anäb. V.  4,  32. 
 Auch  im  Westen  Europa1 s  herrschte  die  Sitte. 
 Der heilige  Isidorus  schreibt:  „Scoti propria  lingua  nomen  habent  a  picto  corpore,  
 eo  quod  aculeis  ferreis  cum  atramento  variarum  figurarum  stigmate  annotentur,“ 1  ebenso  
 die  Picten.  Herodian  berichtet  von  den  Britanniern  (deren  Name  vielleicht  von  „brith“  
 =   „bunt“   stammt) :*  „Den  Körper  bemalen  sie  mit  eingeätzten  bunten  Bildern  und  
 Gestalten  verschiedener  Thiere.  E b e n   d e s h a lb   b e k l e id e n   s i e   s i c h   a u c h   n ic h t ,  
 um  d i e s e   M a l e r e i   a u f   ih r em   K ö r p e r   n ic h t   zu  v e r d e c k e n . “ 3 
 Eine  höchst  originelle Verwendung  der Tätowirung  im  Alterthum hat  uns Herodot  
 überliefert:  Aristagoras  von  Milet  denkt  an  Abfall  vom  persischen  Reiche  und  erhält  
 von  seinem  gleichgesinnten  Freunde  Histiaios  aus  Susa  Botschaft  durch  einen Mann,  dem  
 die  betreffende  Nachricht  auf  die  rasirte  Kopfhaut  tätowirt  (ariyfiara)  ist.  Der  Bote  
 wurde  natürlich  erst  abgesandt,  als  die  Haare  wieder  gewachsen  waren,  während  Aristagoras  
 dieselben  einfach  abzuscheeren  hatte. 
 Eigenthümlich  ist  die  Stellung,  welche  die  christliche  Kirche  dem  Tätowiren  
 gegenüber  eingenommen  hat.  Während  im  Mittelalter  oder  gar  in  diesem  Jahrhundert  
 die  christlichen  Priester  diese  heidnische  Sitte  mit  allen  ihnen  zu  Gebote  stehenden  
 Mitteln  zu  unterdrücken  suchen,  scheinen  eingebrannte  und  gestochene  Male  in  den  
 ersten  Zeiten  des  Christenthums  geradezu  ein  Abzeichen  der  Christen  gewesen  zu  sein;  
 „quod Christi nomen  permulti,  vel  crucis signum,  in  palmis  aut brachiis  inuri sibi  curarent.“ 4  
 Diese  altchristliche  Sitte  wurde  s.  Z.  von  nestorianischen  Missionaren  aus  E u ro p a   nach  
 dem  fernen  Osten  gebracht.  Daher  fanden  die  Griechen  im  6.  Jahrhundert  bei  g e fangenen  
 Türken  die  Stirn  der  Sclaven  mit  dem  christlichen  Kreuz  tätowirt  und  erfuhren  
 zu  ihrer Verwunderung,  dass  „fremde Wohlthäter ihnen  dies  Zeichen  aufg'edrückt  hätten“ .5  
 Ein  ebensolches  tätowirtes  Kreuz  tragen  die  Kabylen  heute  noch  auf  der  Stirn,  vielleicht  
 in  Nachahmung  jenes  ursprünglich  altchristlichen  Brauchs.6 
 Constantin  untersagte  das  Tätowiren  des  Gesichts,  weil  letzteres  Gottes  Ebenbild  
 sei,  und  später  wurde  der  Gebrauch  überhaupt  von  den  Kirchenvätern  und  sogar  auf  
 einem  Concil  (a.  787  zu  Calcuth  in  Northumberland)  als  dem  Seelenheil  gefährlich  verboten: 
   „quisquis  ex  superstitione  gentilium  id  agit,  non  ei  proficit  ad  salutem.“ 7  Von  
 T ertullian  wird  das  Verbot  für  Mädchen  in  folgender  eigenthümlichen Weise  motivirt:  
 „Certi  sumus  Spiritum  sanctum  magis  masculis  tale  aliquid  subscribere potuisse si  feminis  
 subscriptisset.“ 8 
 1  Isidorus  Hispalensis.  Etymologica  XIX.  32.  7. 2  L êgonidec.  Diet,  breton-frangais. 
 3  Kaisergesch.  III.  14.  J ustus  S olinus.  Poly-  
 hist.  c.  25. 
 *  Procopii sophistae Christiani variarum  in Esaiam  
 prophetam  commentationum  Epitome.  Paris  1639.  
 p. 496. 
 5  vgl.  J adrinzew.  „Der Nestorianismus  in Asien.  
 Globus  51.  p.  123. 
 6  FLETCHER-Washington.  p.  62. 
 7  Wuttke.  p. 92  und  734. 
 8  De  virginibus  velandis.  Paris  1675.  p.  178.  ’