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 stiefmütterlich  behandelt,  so  widmen  z.  B.  die  beiden  neuesten  englisch-amerikanischen  
 Verfasser von Werken über Japan:  Griffis  in  „The~ Mikado’s  Empire.“   New-York  p.  32  
 und  5 12   und Is.  Bird.  „Unbeaten  tracks  in  Japan.“   New-York  1881  der  dort  herrschenden  
 sehr  merkwürdigen  Tätowirung  kaum  ein  Paar  oberflächliche  Zeilen  und  sogar  in  den  
 Mittheilungen  der  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien  vom  vorigen  Jahre  konnte  
 man  noch  Bemerkungen  wie  die  folgenden  finden:  p.  56.  „Auch  Japan  kannte  e in s t   
 diese  Gepflogenheit  (des  Tätowirens)“   oder  p.  55.  „(Ausser  den  Indianern)  ist  die  rothe  
 Tätowirung  nur  von  den  Birmanen  bekannt.“ 
 Spärlich. wie  die  in  Reisebeschreibungen  eingestreuten  Bemerkungen  über  die  
 Sitte  bei  den  einzelnen  Völkern  sind,  ebenso  spärlich  ist  die  Literatur  über  Tätowiren  
 im  Allgemeinen. 
 Ein  zusammenfassender Aufsatz  von W.  KRAüSE__„Vom Tätowiren“   im  I.  (einzigèn)  
 Heft  der  Mittheilungen  aus  dem  Göttinger  anthropologischen  Verein  (Leipzig  und  
 Heidelberg.  1874)  ist  nur  wenige  Seiten  lang;  Dr.  Casper  veröffentlichte  eine  Abhandlung  
 über Tätowiren  im  I.  Bd.  der „Vierteljahrsschrift  für  gerichtliche  und  öffentliche  
 Medicin“   §  274,  die  sich  hauptsächlich  mit  dem  Tätowiren  der  Europäer  beschäftigt.  
 In  der  englischen  Literatur  finden  sich  .Bemerkungen  in  L ubbock  „Prehistoric  Times“ ,  
 T ylor  „Primitive  Culture“   und  „Researches  into  the  Early  History  of  Mankind“ ;  
 J,  A.  F arrer  „Primitive  Manners  and  Customs“   u.  a. ;  ein  sehr  interessanter  Aufsatz  
 von  R.  Fletcher  erschien  in  den  „Transactions  of  the  Anthropolog.  Society  of  
 Washington“   1883  „Tattooing  among  civilized  people“ .  Von  Franzosen  haben  sich  mit  
 Tätowirung,  hauptsächlich  aber  mit  der  in  Europa  bzw.  von  Europäern  ausgeführten  
 beschäftigt:  Berchon  „Histoire  médicale  du  tatouage“   in  den  Archives  de  Médecine  
 navale  T .  X I  u.  XII.  Paris  1869,  Dr.  L acassagne  „L e s   tatouages“ .  Étude  anthropologique  
 et  médico-légale.  Paris  1881  und  Hutin  „Recherches  sur  les  tatouages“ .  
 Bull,  de  l’Académie  de  médecine  B.  XVIII.  p.  348.  Paris  1853.  Ces.  L ombroso  
 „ L ’Uomo  deliquente  in  rapporto  all’antropologia,  giurisprudenza  ed  aile  discipline  
 carcerarie“ .  Turin  1878  behandelt  in  einem  Abschnitt  die  Tätowirungen  europäischer  
 Verbrecher,  und  Prof.  Düben  in  Stockholm  veröffentlichte  im  vorigen  Jahre  in  „Ymer“   
 Tidskrift  utgifvën  a f  svenska  sällskapet  för  Antropologi  och  geografi.  Heft  3—4  p.  XII.  
 eine  zwar  kurze,  aber  sehr  lesenswerthe  Abhandlung  über  Tätowiren  im  Allgemeinen. 
 Schöne,  und  wissenschaftlich  werthvolle  Abbildungen  von  Tätowirten  finden  sich  
 u.  A.  in  L angsdorff,  G.  H.  v .,  „Bemerkungen  auf  einer  Reise  um  die  Welt  1803—/•“  
 Frankfurt  a.  M.  18 12   (hauptsächlich  Markesaner);  Kotzebue,  O.  v .,  „Entdeckungsreisen  
 in  die  Süd-See  und  nach  der  Berings-Strasse“ .  Weimar  18 2 1.  (Kalifornier) ;  in  dem  
 Atlas  zu  Spix  und  Martius,  „Reise  in  Brasilien  18 17—20.“   München  1823—3 1  in  
 R ugendas, Mor., „Malerische  Reise  in Brasilien.“   Paris  1835  (Brasilianer);  in  „Cruise of the 
 steamer  Corvin“ .  Washington  1883  (Japaner);  C.  Bock,  „Unter  den  Kannibalen  auf  
 Borneo.“   Jena  1882  (Dayaks); .^Anthropologisches Album des Museum  Godeffroy  in  Hamburg“ 
   (Süd-See-Typen);  O. F insch,  „Ueber Bekleidung,  Schmuck und Tätowirung u. s. w.“   
 in  den  Mittheilungen  der  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien.  B.  X V .  I.  p.  12  
 (Papuas)  u.  a.  a.  O. 
 Das  beste  und  reichhaltigste  Material  hat  Heinrich  Wuttke  in  seinem  Werk:  
 „Die  Entstehung  der  Schrift,  die  verschiedenen  Schriftsysteme  und  das  Schriftthum  der  
 nicht  alphabetisch  schreibenden  Völker.“   Leipzig  1872  (das  Buch  ist  aber  schon  1855  
 geschrieben)  p.  70—140  zusammengestellt;  ausgezeichnetes  findet  sich  auch  bei  Gerland-  
 Waitz  im  VI.  Bande  der  „Anthropologie  der Naturvölker.“   Beide Autoren  haben  indess  
 für  das  Tätowiren  Erklärungen  gefunden,  die  in  einzelnen  Fällen  gewiss  richtig  sein  
 können,  die  aber  durchaus  nicht  als  allgemein  gültig  angenommen  werden  dürfen. 
 An  Wuttke  hat  sich  dann  der  eine  oder  andere  neuere  Autor  theils  mit,  theils  
 ohne  Quellenangabe  mehr  oder  minder  eng  „angelehnt“ ,  wobei  zuweilen  merkwürdige  
 Schnitzer  mit  untergelaufen  sind1. 
 Wuttke  erklärt  die  Tätowirung  als  die  rohen  Anfänge  einer  bildlichen  Schrift.3  
 Gerland  fasst  die  Zeichnungen  als  Sinnbilder  der  Schutzgötter  der  Betreffenden  auf,  
 durch  welche  diese  sich  der  besonderen  Gnade  ersterer  empfehlen.  Andere  sehen  in  
 der  Tätowirung  den  Anfang  oder  die  Ursache  der  Bekleidung,  theils  um  die  Blösse  zu  
 decken,  theils  um  die  „heiligen“   Zeichen  profanen  Augen  zu  entziehen.  Andere  halten  
 sie  wiederum  einzig  und  allein  für  Körperschmuck  u.  s. w. 
 Wenn  man  nun  versucht,  diese  vorhandenen  oder  scheinbaren  Gegensätze  zu  
 versöhnen,  so  wird  man  unwillkürlich  dahin  gebracht,  auch  in  der  Bemalungs-  und  
 Tätowirungsidee  nur  einen  Funken  jenes  Gedankens  zu  erblicken,  den  Bastian  als  den  
 V ö l k e r g e d a n k e n   bezeichnet  hat.  Bei  inductiver  Behandlung  des  Stoffs  wird  es  
 allerdings  nicht  gelingen  nachzuweisen,  dass  dieser  Gedanke  sich  aus  innerer  Noth-  
 wendigkeit  heraus  bei  allen  Menschen  entwickeln  m u s s t e ,  wohl  aber  darf  der  Versuch  
 gewagt  werden  zu  beweisen,  dass  derselbe  Gedanke  in  bekannter  Weise  durch  das  
 anthropologische  oder  geographische  „milieu“   modifizirt,  auf  der  ganzen  Erde  bei  allen  
 Völkern  und  Rassen  und  bei  beinahe  jedem  einzelnen  Individuum,  diesem  selbst  unbewusst, 
   sich  entwickelt  h a t.  — 
 Was  das  heutige  deutsche  Wort  „Tätowiren“   betrifft,  so  giebt  Wuttke3  die 
 1  So  weiss  z.  B.  der  schon  angedeutete Verf.  von  
 „Ueber  die Verbreitung und den Sinn der Tätowirung”  
 in  den  Verh.  der Wiener  A. G.  1885,  I I.  p.  53,  heute  
 noch  nicht,  dass Japaner  und  Buschmänner  sich  tätowiren, 
   weil  Wuttke  das  im  Jahre  1855  auch  nicht  
 wusste.  Aus  Wuttke’s  Worten  (p.  92):  „Die  rohen 
 Man  im südlichen China  auf Hinterindien  zu  tatuirten  
 sich  an  der Stirn”,  macht  er:  „so  gilt  noch  in Gegenwart  
 die Sitte  bei  den rohen Man  im  südlichen China,  
 auf Hinterindien, (I)  bei  den  Laos"  u.  s.  w. 
 *  li  c.  p.  101, 
 3 Wpc,  p.  91.