vorherrscht, als die Erscheinung eines Culturstromes
betrachten, welcher die erwähnten vier Inseln zu einer
früheren Zeit von Ponape-Kusaye her berührte.
Wie dieser Einfluss von Süd-Osten, von Polynesien
her anlangte, ist nur zu vermuthen, aber eine ähnliche
Vertreibung, wie sie vor 600—1000 Jahren zur Ansiedlung
von Nukuoro aus Nukufetau führte, konnte
auch polynesische Einwanderer nach Ponape und den
umliegenden Inseln bringen, finden wir ja auf Ruk
sogar den Gottheiten geweihte, deren Sitze vorstellende
Nerin’s, die die polynesischen Doppelcanoes, auf
welchen die ersten Einwanderer ankamen, wiedergeben.
Bei der früher bestehenden Seefahrt der Polynesier
aber, besonders bei den Fahrten nach Oahu,
die in Doppelcanoes stattfanden, musste es oft Vorkommen,
dass Fahrzeuge nach dem Westen vertrieben,
und dies musste besonders günstig für die Zerstreuung
des polynesischen Einflusses auf die nördlichen
Inseln wirken. Nimmt man dann an, dass die
Polynesier als Urmalayen ursprünglich aus dem Westen,
aus Malayasien kamen und auf den meisten Inseln
eine Bevölkerung antrafen, so ergiebt sich für die
Inseln des nördlichen Mikronesiens das Resultat, dass
bei den ethnographischen Forschungen auf denselben
sich die Merkmale der Vorzeit in drei Hauptgruppen
eintheilen 'lassen müssen: Die erste wird die Epoche
der Urbevölkerung event. der vormalayischen Bevölkerung
umfassen; die zweite wird Spuren der Einwanderung
vom Westen des nördlichen Zweiges der
Malayen aufweisen, und die dritte endlich sich auf
die Erscheinungen des Zusammentreffens auf den
Carolinen resp. den übrigen Archipelen Mikronesiens
der Einflüsse des südlichen, zu Polynesiern gewordenen
Zweiges der Malayen mit den Völkern des
nördlichen Zweiges beziehen. Zu der ersten dieser
Gruppen würden alle melanesischen Merkmale gehören,
also: Dolichocephalie und sämmtliche physisch
der Papua-Rasse zukommenden Eigenschaften und
ethnischen' Eigentümlichkeiten wie auch Sprachele-
mente, die dem Urmalayischen sich nicht arifügen.
Die Zweite würde sich in malayischen, dem polynesischen
Wesen fremden Culturerscheinungen kundgeben
und sich mehr an die im Westen der Carolinen
gelegenen Archipele anlehnen, oder auch ursprünglich
gemeinschaftlichen Charakter der beiden Zweige aufweisen.
Die Dritte würde die verhältnissmässig re-
centen Einwirkungen der Polynesier auf die Mikronesier
umfassen und auf diese würde ich zwischen
anderen Erscheinungen auch die „dalabasakal“ -Täto-
wirung beziehen.
Eben wie die vier hohen Inseln Pelau, Yap, Ponape
und Kusaye in Hinsicht auf die Tätowirung zusammenstimmen,
thun es die Inseln der Central-Caro-
linen von Uleay bis Mortlock darin, dass sie die beiden
Extremitäten nicht tätowiren. Vergleicht man die
Tätowirungen von Ruk und Umgegend mit z. B. der
der Marschall-Inseln und wieder diese letztere mit
denen der auf Kingsmill-Inseln üblichen, so möchte
man geneigt sein, eine Verwandtschaft der Zeichnung,
eine Wahrscheinlichkeit der Abstammung von einander
anzunehmen.
Ebenso wie die ruksche Tätowirung für den Osten
der Central-Carolinen massgebend, ist auch diejenige
der M a r s ch a ll- In s e ln für sämmtliche Bewohner derselben
charakteristisch. Bezeichnend für dieselbe ist,
dass sie ebenfalls die Extremitäten auslässt. Dieselbe
fängt an am Halse in der Gegend über den Schlüsselbeinen
mit concentrischen aus X kreuzen zusammengesetzten
Streifen. Die vordere Seite des Brustkastens,
von den Schlüsselbeinen bis über die Mitte
der Länge desselben, ist mit einem aus schräg gegen
die Mittellinie herabsteigenden, abwechselnd endigenden
Strichen (a) ausgefüllten Dreiecke bedeckt,
dessen Basis auf den beiden Schultern liegt. Nach
aussen sind die beiden Seiten dieses Dreieckes mit
einem nach unten
sich erweiternden,
dann aber wieder
in eine Spitze auslaufenden
aus Strichen
b zusammengesetzten
Beleg umgeben,
dem sich c t a
von der Höhe der
Achselhöhle noch ein zweiter aus schräg nach aussen
herabsteigenden rechtwinkeligen Zickzacklinien anlegt,
so dass das Ganze das Ansehen zweier in sich geschobener
Dreiecke erhält, deren Spitzen nach unten
gerichtet und von denen die unterste etliche Centimeter
über dem Nabel sich befindet. Bei manchen
Insulanern sind eben nur die beiden Dreiecke ausgeführt.
A uf dem Rücken entspricht der vorderen
Zeichnung ein Dreieck, welches aus Zickzacklinien
besteht, die von der Mittellinie des Rückens nach
aussen und unten herabsteigen. Die Spitze dieses
Dreiecks is,t durch die verticalstreifige Tätowirung
des Rückens und der Seiten auf der Höhe der Schulterblattspitzen
abgeschnitten. Eben diese Dreiecke erinnern
an die ruksche Tätowirung, indem die etwas
verkürzten Querbinden der Brust und des Rückens
der letzteren aus ihnen entstehen konnten. Die übrige
Tätowirung der Marschaller besteht auf den Seiten
des Leibes aus horizontalen Zickzacklinien, die bis
an die Dreiecke nach vorne antreten. A uf dem
Rücken dagegen befinden sich elf doppelte verticale
Streifen, die aus abwechselnd schrägen, an den Enden
entgegengesetzt punctirten Strichen bestehen, welche
sieh auch in der Tätowirung der Kingsmill-Inseln
wiederfinden. Gerade in der Höhe des Nabels beginnt
die den Bauch bedeckende Zeichnung. Diese besteht
aus parallelen, aus verticalen Strichen der Form e
zusammengesetzten Streifen, die längs
der Mittellinie des Bauches durch
einen reinen Streifen Haut geschieden
bis nahe an. den Schamhügel
anlangen und hier durch eine einfache
Zickzacklinie abgesäumt sind.
Die Streifen des Rückens reichen
niedriger hin bis zur Hüfte und sind
beiderseits durch eine Netzbinde, die
die Mitte des Rückgrates frei lässt,
begrenzt. Auf den Beinen lässt dié
Tätowirung die innere Seite des Oberschenkels frei
und erstreckt sich nur auf die äussere und auf die
Hälfte der vorderen und hinteren derselben, von der
Netzbinde bis circa zur Hälfte seiner Länge reichend.
Die Tätowirung ist hier mit einer das ganze Bein
umkreisenden Binde und einem äusseren Zickzacksaum
abgeschlossen. Auch auf dem Oberarme befindet
sich eine einfache schmale Binde aus Kreuzen.
Diese volle Tätowirung eines Mannes wird bei einem
Häuptling noch auf den Hals und das Gesicht erweitert,
indem der erstere eine horizontale und die
Seiten des letzteren bis zur Schläfe verticale Streifung
erhalten.
Bei den Frauen erstreckt sich, die Tätowirung
nur auf die obere Extremität und zwar besteht sie
aus vier quer über die Schultern gehenden Binden,
die nach vorne sich in spitzen Winkeln treffen, nach
hinten dagegen einfach und in Pfeilköpfe auslaufen.
Darunter befinden sich auf der äusseren Seite des
obersten Theiles des Oberarmes drei viereckig längliche,
im Innern schwarz ausgefüllte Binden, die das
Glied ebenfalls in die Quere umspannen. Hierunter
ist der Arm gänzlich mit Tätowirung bedeckt und
zwar bis unter die Mitte des Vorderarmes mit Längs-
Streifen und weiter nach unten mit Querstreifen, die
sich bis über die Finger erstrecken. Hier findet sich
zuerst östlich von den Carolinen die Arm-Tätowirung,
die als Ausgangspunct für die ponap - pelauschen
Formen dienen könnte, leider jedoch sind mir
weder die Details der Zeichnung, noch die Nomen-
clatur der marschallschen Tätowir-Technik bekannt
und ohne dieselben sind genauere Vergleiche unmöglich.
Vorläufig möchte ich nur andeuten, dass ich die
T ä to w iru n g de r ö s t lic h e n C e n t r a l-C a r o lin e r
J obst, Tfitowiren.
au s d e r m a r s c h a lls ch en a b le it e n m ö ch te und dén
Ausgang für die den vier hohen Inseln gemeinschaftliche
„dalabasakl“ -Tätowirung e b e n fa lls im Osten
su ch en würde. Es wäre nicht unmöglich, dass eingehende
Vergleiche mit den Tätowirungen der einzelnen
Gruppen der Kingsmill- oder Gilbert-Inseln zu
Aufschlüssen führen könnten. Bekanntlich hat sich
hier die Tätowirung noch in einem hohen Grade der
Vollständigkeit erhalten und die Männer bedecken noch
heute, übereinstimmend mit nördlicheren Bewohnern
von Coralleninseln, d en ganzen K ö rp e r und zwar
auch die Extremitäten. Die männliche Tätowirung der
Makin-Inseln z. B. bedeckt die vordere und die hintere
Seite des Leibes mit verlical verlaufender Querstreifung,
die durch die quere Abschneidung, vorne
etwas über der Achselhöhe, hinten quer über die
Schulterblätter, und durch den reinen Streifen auf
der Vorderseite sich an das marschallsche Muster
anschliesst. Ferner aber sind die Beine bis zu den
Knöcheln tätowirt und, an den reinen Theil der
Vorderseiten in den Bein-Tätowirungen der hohen
Inseln der Carolinen erinnernd, befindet sich von
dem Knie bis zum Fusse eine die vordere Seite
des Unterschenkels freilassende reine Binde. Genaue
Vergleiche mit Rücksicht auf die Nomenclatur der
Technik der Tätowirung wird sicherlich interessante
Aufschlüsse geben, denn die Tätowirung ist ein ethnographisches
Merkmal, welches über die Vorgeschichte
des Volkes Aufklärung geben könnte.
Eigenthümlich ist es, dass die Uebereinstimmung
in dem Bedecken des ganzen Körpers auf den
niedrigen Inseln so innegehalten ist, dass eben die
Inseln Mukil und Pinelap, die sich sprachlich an
Ponape anlehnen, nicht die ponapsche Tätowirung,
sondern eine an den Osten sich anlehnende aufweisen.
Dies mag die Folge des Umstandes sein, dass in
früheren Zeiten Vertreibungen nach den Marschall-
Inseln und umgekehrt nicht selten waren und noch
bei meiner Ankunft in 1870 brachte der- König von
Mukil eine nach seiner Insel vertriebene Gesellschaft
von Marschall-Insulanern zurück, was ein ferneres
Beispiel eines. Vertreibens nach dem Westen liefert.
Wenn es also bis jetzt nicht für erwiesen betrachtet
werden kann, dass die carolinische Tätowirung
von Osten kam, so sp re ch en d o ch m an che
Um s tän d e fü r die W a h r s c h e in lic h k e i t e in e r
s o lc h e n A n s ic h t, die noch verstärkt wird, wenn
man berücksichtigt, dass die Tätowirung am entferntesten
von ihrer Quelle den geringsten Umfang
aufweisen wird. So tätowiren auf Ponape die Männer
beide Vorderarme und beide Beine, auf Yap finden
wir nur dié Beine, auf den Pelaus sogar nur noch ein
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