Bis heute ist- kein altegyptisches Wort, das „Tätowiren“ bezeichnet, bekannt,
ebensowenig wie noch an einer Mumie Spuren dieser Sitte bemerkt worden sind. Ob
dieselben bei genauerer Untersuchung nicht gefunden werden können, 'muss unentschieden
bleiben. Körperbemalung der Lebenden und Todten herrschte aber bei den
alten Egypterri'früher gerade so wie erstere noch heutzutage, denn auch die kürzlich
blossgelegte Mumie des Königs Ramses II. hatte rothgefärbte Hände und die nächsten
Verwandten und Nachkommen der Alt-Egypter, die Nubier und Deltabewohner, tätowiren,
zerfetzen und bemalen sich heute a l l e noch.
Dass die Assyrier der Sitte huldigten, beweist die Stelle bei L uciaN, Hegl z%
SvQiijg &sov Vol. III. Ed. stereot. Dindorf LX X II, 59: „es tätowiren sich aber Alle, die
Einen auf die Handgelenke, die Andern auf den Hals und daher tragen a l l e Assyrier
Tätowirungen (stigmata).“
Ob die alten Juden diesem Gebrauch anhingen, scheint, trotzdem die Behauptung
mehrfach aufgestellt ist, zweifelhaft. In Syrien kannte man allerdings die Sitte, auch in
Egypten mögen die Juden dieselbe kennen gelernt haben, dennoch müssen wohl die
schon angeführten Worte in Mose 3. 19. 20: „Ihr sollt kein Maal um eines Todten
willen an Eurem Leibe reissen, n o c h B u c h s t a b e n , an E u c h p f e t z e n “ , 1 deren
letztes Woijt (kaäka) im Talmud Makkoth p. 2 1 a allerdings mit „Punktiren der Haut
mit Nadel oder Messer, wodurch der farbige Stoff zwischen Haut und Fleisch dringt
und jener bleibt“ interpretirt wird, auf die Sitte der schon erwähnten Hautzerfetzungen
zum Zeichen der Trauer bezogen werden, denn die Interpretation ist eine verhältniss-
mässig moderne und würde es dem Charakter der Israeliten, die sich für das auserwählte
Volk hielten, viel mehr entsprochen haben, eine heidnische Sitte, die aber selbst in
Egypten, wie oben gezeigt, nur wenige Anhänger zählte, zu v e r a c h t e n , wie dieselbe
n a c h z u a hm e n . Andere Beweise für das Herrschen dieses Gebrauchs bei den
Juden besitzen wir nicht, dass diese aber, wenigstens die Vertreterinnen des schönem
Theils derselben, sich nicht ausschliesslich in Sack und Asche hüllten, sondern auch
damals schon den uns heute so modern erscheinenden-discreteren Toilettenkünsten nicht
abhold waren, beweisen die Namen zweier Töchter des alten Hiob, von denen die
eine „Kezia“ , „Augenschminke“ , die andere „Keren - Hapuch“ , „Schminkbüchslein“
hiess.2 „Kezia“ kann übrigens nach Prof. S tern auch als Qeei‘ah (welches sonst so
viel wie „Zimmtrinde“ bedeutet) von yup „einschneiden“ (arabisch jL s „schneiden“ )
hergeleitet werdén und so immerhin die „Geschnittene“ , „Tätowirte“ bedeuten.
1 nach der LuTHER’schen Uebersetzung; hebräisch,
in modern jüdischer Transcription: „uchesoweth
kaäka", „und eine eingedrungene Schrift nicht geben
an Euch, ich, Gott" oder „und Aetzschrift sollt Ihr an
Euch nicht machen, ich bin der Ewige“ ; „ketoweth",
„das Schreiben mit irgend einem Farbstoff auf die
Haut"; nach einer gütigen Mittheilung des Herrn
Rabbiner Dr. Frank in Köln.
2 Nach Rabbiner Dr. Frank: Vulgata: „cornu
stibii“ . In II. Reg. 9. 30 heisst es von der Königin
Isebel: „depinxit oculos suos stibio et ornavit caput
suum.“
Um noch eines der ältesten Culturvölker, die Chinesen, l g erwähnen, so hat, wie
nicht anders* zu erwarten, bei diesen die Tätowirung -schon seit Jahrhunderten aufgehört,
als Körperschmuck betrachtet oder geschätzt zu werden.’ Gerade die Chinesen, die sich
ebenso für ein auserlesenes Volk hielten, wie d ieB d e n , werden diese Siö§, sofern sie
derselben überhaupt je huldigten, bald abgelegt haben, um gip s von ihren barbarischen
Nachbarn, die derselben bis heute treu geblieben sind, zu unterscheiden; schwerlich
werden sie dieselbe jemals von ’letzteren angenommen haben. Bastian schreibt allerdings
inpfpiner Geschichte der Indochin’ese'ri' „Vofl Tschaipe und Tschong jong, den chinesischen
Gründern des Königreichs U (die auch von Einigen als Eroberer Japan’s betrachtet
w e rd en Sw ird gesagt, dass sie sich tätowirten und ihr Haar nach Art der
Wilden schnitten, die sie zu ciVilisiren kamen“ . 1 Dem Verf. ist es, tröfz|p|n er sich der
-gütigen Hülfe von D^fejuNKER von L angegg in London, des besten Kenners japanischer
Geschichte und Geschichten, erfreute, leidir nicht gelungen. Näheres Uber diesen Tschaipe
in Erfahrung zu bringen. Ihn hatte .wahrscheinlich Wuttke im A u g e ,j ;ä » er schrieb:
„A ls Taipe nach Japan kam, fand er die Insel von tätowirten Barbaren bewohnt“ .-
Beide Stellen’ sind nicht ganz klar, doch Scheint daraus hervorzugehen, dass der Sage
.nach ejpmal in grauer Vorzeit ein chinesischer Feldherr n a » Japan gefepmmen sein
und dort von den Aino die Sitte des Tätowireps angenommen haben soll..
(Mjtjpeutzutage werden nur^Poch Leute in Ghina tatowirt, die -.„gezeichnet“ werden
sollen und giebt der Charakter „Ring«f (Tsctiihg) mehr den Begriff des Brandmals wieder.
Während des letzten T ä ip iÄ Aufstandes?-wurden den Ueheff|ifern der Aufständischen
von den loyalen Truppen Buchstaben, bezw. Charaktere auf Stirn, Kinn und beide Backen
tätpwirt, eihestheils um ihre Rückkehr zum Feinde.-zu erschweren, zumal aber um die1
selbenpElm Fall sie dann ein zweites Mal gefangen werden Bl|ten|||sofort zu «kennen,
und zu Köpfen.3 E s handelt sich hierbei um richtige Tätowirung: die Schriftzeichen
wurden eingeritzt und dann wurde Tusche in die Wunden hineingerieben.
Merkwürdig ist es, dass Chinesinnen äüfflava, also einer. Insel, auf welcher die
Sitte des Tätowirens absolut nicht herrscht, es lieben, sich bläue Ringe um mehrere,
Finger nach allen Regeln der Kunst einzustechen.
Die Nachrichtensläie wir -über das Tätowiren der Europäer besitzen|*äollen,weiter
unten besprochen werden; die Sitte war denselben nie ganz unbekannt, aber erst durch die
Entdeckungen des 15. uhd dann wieder des- 18. Jahrhunderts und die damit verbundene
ungeahnte Erweiterung des bisherigen orbis terrarum nahm auch die Kenntniss der Europäer
vom Tätowiren zu, denn beinahe, alle neuentdeckten' Volker huldigten diesem Brauch.
1 Leipzig 1866. p. 129.
2 p. 92. Derselbe Satz findet sich natürlich
wieder in der schon erwähnten Abhandlung in den
Verh. der Anthr. Ges. in Wien XV. II. p. 5.6- »Als
Taipi (sic) nach Japan kam, fand er die Insel von
tätowirten Barbaren bewohnt.“
3 Nach einer gütigen Mittheilung des chinesischen
Generalconsuls Herrn Dr. Kreyer in Berlin.