pudert. An der Wand des Hauses, vor dem getanzt wird, links und rechts von einem
Spiegel, befinden sich nämlich zwei grosse Flecken, der eine weiss, der andere roth.
Die Tänzerin reibt mit den flachen Händen darüber hin und streicht sich dann die Farben
über die Wangen und Stirn, sei es weiss oder roth, je nach Bedarf“ — und dennoch
handelt es sich nur um einen bulgarischen „Horo“ , einen Tanz, der in verfeinerter Form
nach der Vossischen Zeitung vom 13 . Februar 1887 im Militär-Club von Sofia aufgefuhrt
wurde und zu welchem „der ganze fine fleur“ (sic!) von Sofia eingeladen war. —
Ist Körperbemalen einmal Sitte eines Volks geworden, so kommt es wohl vor,
dass die Farben symbolische werden, d. h. dass der Mensch, je nachdem er vergnügt
oder traurig ist, sich mit verschiedenen Farben bemalt.1 Vor Allem spielt diese Sitte
eine Rolle als Zeichen der Trauer beim Tode eines Verwandten (man denke auch an
'd ie alten Juden), des Häuptlings u. s. w, Die Farbe der Trauerbemalung ist nun immer
eine andere, wie die im gewöhnlichen Leben gebräuchliche (zahlreiche Beispiele im
Journal of the Anthropol. Institute of Gt. Britain and Ireland XV. p . 64— 1 0 1 , F r a z e r :
Certain burial customs as illustrative of the primitive theory o f the soul.)a und dürfte
diese Sitte auf die Furcht der Betreffenden vor der wandernden oder umherflatternden
Seele des oder der Verstorbenen zurück^uführen sein. Die Leute suchen, um den Verfolgungen
der bösen Geister zu entgehen, sich für diese unkenntlich zu machen,_ indem
sie sich mit einer für sie selbst ungewöhnlichen Farbe bemalen. Dieselbe Furcht bewegt
auch oft Schwangere, sich mit einer eben solchen Farbe anzustreichen, um das erwartete
Kind vor den bösen Geistern zu schützen;3 auch das neugeborene Kind wird vielfach
zu diesem Zweck bemalt.
Vielleicht dürfte auch unsere Sitte des Tragens einer Trauerkleidung, deren
Farbe und auch Schnitt ja ebenfalls im Gegensatz zu den im gewöhnlichen Leben
üblichen stehen, auf denselben Grundgedanken Zurückzufuhren sein.
Hier mag auch der zumal in Vorderindien herrschende Gebrauch, zu asketischen
oder Busszwecken den ganzen Körper oder. Theile desselben, mit Asche u. dgl. einzureiben,
erwähnt werden. Schmerzen sind hiermit nicht verbunden, es soll nur, ganz im
Gegensatz zu der vorher besprochenen Sitte, die E r t ö d t u n g der Eitelkeit bewiesen
werden. In analoger Weise lassen sich strenggläubige Katholiken (z. B. in Aachen und
Cöln) nach toll durchrastem Carneval am „Ascher“ -Mittwoch vom Priester ein Aschenkreuz
auf die Stirn malen, gerade wie es der indische Fakir'vom Brahminen heischt. —
Wenn es nun, wie wohl schwerlich bestritten werden wird, statthaft ist, aus Sitten
und Gebräuchen heutiger oder erst jüngst dahin geschwundener Naturvölker auf solche 1 2
1 Ueber die Symbolik der Farben, vgl. Waitz. I.
P- 363-
2 vgl. auch Bancroft. p. 184, 370. .
3 vgl. K lemm. Culturgeschichte III. p. 284 und
Wilken G. A. lieber das Haaropfer 11. s. w. Revue
Col. Internat. October 1886.
der Prähistorier, also unserer urgeschichtlichen Vorfahren zurückzuschliessen, so darf
wohl mit Sicherheit angenommen werden, dass auch diese ihren Leib bemalten, zumal
wir wissen, dass die Prähistorier ebenso wie manche heutigen Wilden durchaus keine
Anfänger mehr in der Kunst des Malens resp. Bemalens waren. Auch das Entstehen
letzterer Fertigkeit kann auf einfache Weise erklärt werden. War nicht jener Urmensch
der e r s t e M a le r — neben den sich immer mehr entwickelnden Körperbemalern —,
der zuerst seine mit Blut, Koth oder Erde besudelte Hand auf einer Felswand abklatschte?
Ihm folgten Andere, welche die eine Hand auf dem Felsen oder dergleichen ausbreiteten
und dieselbe dann mit Hülfe der anderen mit irgend einer Farbe bedeckten ein
Büschel Haare, ein Thierschweif waren von der Natur gelieferte Pinsel — so dass beim
Abheben der Hand die Form derselben sich gefällig vom farbigen Grunde abhob;
Andere konnten wiederum vorziehen,ynHir den Conturen der Hand zu folgen, nur die
Umrisse derselben auf den Fels zu zeichnen, um dann allmählich dazu überzugehen, auch ?
ändere Gegenstände, belebte und unbelebte zu bemalen oder nach der Natur zu zeichnen.
Oft entwickelt sich denn diese Liebhaberei zu einer wahren Leidenschaft: ausser dem
eigenen Körper werden erst die Waffen, die Geräthe, die Schmucksachen bemalt, dann
die Wände der Höhlen und Felsen, selbst die Gebeine und Schädel der Verstorbenen
werden angestrichen,1 und bis zu welch künstlerischer Vollkommenheit und schlagenden
Naturwahrheit sich die Malerei bei manchen Wilden aus dem eben angedeuteten Ur-
anfano-e entwickeln konnte, davon liefern die hochinteressanten Fresken jenes so lange
verachteten Volkes der Buschmänner im südlichen Africa den glänzendsten Beweist
Neuerdings hat man indess begonnen, auch allen jenen harmlosen Handklexen,
die sich überall finden, wo Naturvölker gelebt haben oder noch leben, in America und
Australien3, in Neu-Guinea4 und den Kei-Inseln5 u. s. w., eine tiefgehende symbolische
Bedeutung zu verleihen. Während S m y t h 6 im Jahre 1878 noch schrieb: „Among the
back-country blacks, ät the Barrier Ranges, there is a custom of making „rock-paintings“ ,
that is, the figure of an out-streched hand, sometimes colored, sometimes plain on a
colored ground. When the former, the hand is daubed with red ochre or pipeclay and
printed off. The latter mode is to place the extended hand on the rock, and to squirt
color over it out of the mouth; on the hand being removed the print is left an a
colored ground“ , hat ein bedeutender, dem Verf. persönlich sehr nahe stehender Gelehrter7
* Im South Kensington Museum in London befinden
sich mehrere mit Ocker roth bemalte Australier-
Schädel.
2 Abbildungen bei Fritsch und in Verla. Berl.
Anthr. Ges. X III. p. 342; vgl. auch des Verf.: $Jm
Africa. p. 133.
3 A ndree R. Ethnograph. Parallelen und Vergleiche.
p. 285. 289. 290. 299.
4 Tijdschrift voor Indische Taal-, Land-, en
Volkenkunde. Th. X X IX . p. 582—96.
5 Verh.'B. Anthr. Ges. XVII. p. 407 (mit Abbild.).
6 The aborigines o f Victoria etc. London 1878.
II. p. 309 (mit Abbild.).
7 Prof. G. A. Wilken in Leiden: Jets over de
beteekenis van de Ithyphallische Beelden etc. in By-
dragen tot de T. L. en V. v. N.-Indie. 5e Volgr. I.