
Movpcn aus Oer Solmnr von Leuten, clio mir ilu'O Dienste miboten einen
nuswiilileii, Oc»acn Oosiclit uiir um ujulsteii zusagte; «lioser sucht aicli
(laun wieder seineriitorgcbcncu aus, fur die er zupleicli cliovolU' Ilnftuiig
übcniimnit. Der eine war also mein vernntnortliclier Preinicr-Miiiisler
uiid slclltc Bich dann sein, au» neun Personen bestehendes Bureau zusununen.
Die ofTixiellen Titol der in einer iudiselien Ilaushallaug uncntbelirliolistcn
Diener sind; der Hukadar, der die „Hukn" genannte Pfeife
v.\i reinigen, zu stopfen, anzuzünden, iiberliaupt alles daiu Gehörige zu
besorgen hat; der Sedm'bar, Reeluiunssfülirer uud Bosclilicsser in einer
Person; der Sciiobednr, eine Art FaUtotinn, das zu allerlei Gängen in
der Stiidt verwendet wird, und daher auoli iinnior einen Stock in der
Hand trügt; der Tscburibednr, der seinem Herrn au lieisaen Tagen Luft
zufiichck und beim Speisen hinter dessen Stuhle steht; der Adar hat
•\Vein nud Wusser einzukUhlen und bei Tische aufzutragen; der Uihlskti
tragt in einem, um den Leib gewundeneu ledernen Schlaueli das zum liadeu
notliwentilge Wasser; der Dobi eine Wäscherin in niRnnlieher Gestalt;
der Dirsehek oder Schneider, der im Vorbause sitzt und uübt; das
Stubemniideben oder AJa in halb euro|>iiiscber, iialb indischer Tracht, ein
sehr nothn-eudiges Individuum beim HiUise; endlich der Mather, n-eleber
Zinimerfeger, Misttniger und der Diener aller Diener ist. üebrigens besitzt
dieses triige Sklavenliecr, wciches keiuen andern Gott keimt als
da« (Jehl, und dvucluuis nichts Schlechtes zu thuii glaubt, wenn es den
Fremden iiintcn und vorne betrügt, doch wenigstens eine gute Eigenschnft,
niimlicb: dass ca vom ersten Augenblicke au b!« auf die unbccleutendaleu
Eiuzellieiten zu erft.rschcn bcmiibt ist, was soin Herr
gerne bat und wie er alles besorgt haben will So zum Beispiel bemerkte
mein Tufelaufnärter gleich am ersten Tage, das« ich die Brotscbmolle
nicht gerne esse; am folgenden Tage legte er mir, ohne dass ich ihm
darüber etwas gesagt hiitte, nur die blosse Biiule bin.
Mein zweites Geschäft war, da in Kalkutta, die alleruutcrste
Yolksklasse ausgwionnnen, Niemand zu Fusse geht, mir einen Wfigeii
oder Polankin zu mietheu. D.is letztere würejedenfallsdaszweekmässigste
und woldfeilste Mittel gewesen, meine Füssezu«chi>nen,denufia dreissig
bis vierzig Gulden monatlich bekommt man sechs bandfesteKerle,welche
Kineu in der, mehrere Meilen umfas.seuden Stadt von Früh bis Abend ,
II eru m schleppen. Aber eben der Wohlfeilbeit wegen pflegt sicli nur die '
minder bemittelte Klasse in einein Palankiue durch die Stadt tragen zu
lassen. Ueberdiess zog ich einen Wagen auch schon aus dem Grunde
vor, weil man darin mehr sieht als in dem küflgartigen Palankinc; für
zweihundert Gulden bekommt mau auf einen Monat ein sehr elegantes
englisches Gespann zu mietlieu, wclehes ausser dem Kutscher auch noch ,
zwei Laufer luit, welelic in volki-eiehern Strassen vorausrenuen um Platz
zu machen, auf freiem Platzen aber hinten auf den Kock springen. Der
Anzug dieser beiden Laufer ist bunt und jeder von ihnen tiügtübordiess
einen Ro.ssschweif in der Hand, dessen er sich je nach Uaistiinden als
Fächer oder als Peitsche bedient. So kann also auch der eleganteste
Reisende mit vierhundert fünfzig Gulden monatlich all' seine Bedurfnisse
vollkonnneu decken und sieh eine solche Fülle von Becniemliclikeiten
versdirttleu, dass er, wenn er nicht etn-a auch noch Einkäufe maeiieu
will, in der That nicht weiss, worauf er noch mehrOeld ausgehen konnte.
Noch am niimlichen T.oge machte ich mich an die lies lebt Iguug :
der Stadt. Das heutige Kalkutta erstreckt sich vom Fort William sechs
engl. Meilen weit an dem nördlichen oder linken Ufer des Hugli. Das
Fort William behenscht ganz Kidkutta sammt dem daran vorbei fl¡essenden
llugli und beiiarf zu seiner Vertheidlgung mindestens fibifzchntauscud
Jlaiui; zwischen dieser Festung uud der Stadt liegt die Esplanade mit
einem grossen steinernen \^'asscrbeckeu, wo die Stadtbewohner ihr
Trinkwasser lioleu. Es gi))t keiue Stunde im Ti^e, wo dieses Bassin
nioht von vielen hundert Menschen umlagert wäre, welche wie die Italiener
den Wein, vou hieraus das Wasser in Schlauchen forttragen. Es
ist diess der schönste Platz von Kalkutta; von da angefangen zieht sich
etwa eine Meile weit eine imuutcrbrocbene Reihe der schöniitcn Paliistc
hiu, von denen einer den andern an Pracht und Gros-sartigkeit übertrifftliier
erhebt auch jene Kirche üir stolzes Haupt, welche kür/lieh im
gothlsehon Style uud nach dem Vorbilde des I.oiuloner Westminster
vollendet wurde. Hier beginnt auch die nach der Stadt ivihreude überaus
schone Hauptstrasse, von welcher all' jene zievliclieii uud gescbmaekvolien
Beitenstiasseu auslaufen, welche zusamnieugenommen den europäischen
Stadttheil bilden, lieinahc jede.s Haus ist im italieuiseben Style
gebaut und mit |>rächtigeu, auf Säulen ruhenden Gängen umgeben. Die
Erdgesebosse bestelieu aus lauter Kaulladen, welche zwar keiue AushigÌ
kästen iiabeii, dafür aber ist jedes derselben von •oben bis nuten mit den
; ausgczcicbuct-teu -Waareu gelìlllf.
I Westlich liegt der Stadttheil der EiiiKeborueu, welcher mich
( mehr interessirte, als der eui-opäischc. AVelch' ein sonderbarer Kontrast
( zwischen dem früheren und dem gegenwärtigen Anblick! — Dort eine
1 grossartige Stadt, hier ein elgenthitmliches Gemisch von Stadt und Dorf.
) Hie und da ein vereinzeltes mit Siiulen geziertes Palai.s dann wieder eine
I ganze Reihe vou Bambushüttonobnealle Proportion; man möchte beinahe
^ sagen: ohne irgend eine vernünftige Anordnung, und doch ist das Ganze
' abstossend, sondern vielmehr eben wegen seiner Originalität a
1 ziehend uud tiberraschend. Die Strassen dieses Stadttheiles, welche in
; Allem ihren orientaliselicn Tyims beibeiialteu haben, werden mitunter so
; schmal nud die einander gegenüber liegenden Mauern oder Ziumestehcu
; so nahe au einander, dass kciu Wagen dazwischen fahren kann, Dies«
- Bambùshiiuser slud meistens auch mit einem Stockwerke verseben; in
diesen befinden sich die Wohuuogeu, im Erdgeschosse gewöhnlich der
Bazar, wo allerlei inländische Stoffe, tropische Gewächse und Kleinigkeiten
von Indiern verkauft werden. Das Auffallendste für den Fremden
ist der Kaufmann selbst in seiner eigenthUmlichen Nationaltracht, mit
dem originellen Gepräge seiner Kace im Gesicht, in Farbe uud Haltung.
Wo möglich noch auffallender ist die Stellung, welche dieser Kaufnmuu
ka.
r oder bluter
.•rt, der dritte sitzt
i Wa£ nimmt; der eint
;r in tiefem
Schwßigon,dcnganzen'ragübermit m el au choliseh cm Blicke seine W'aareu
betrachtend und dichte Rauchwolken aus seiner Huka blasend, deren
Schnarren weitbin zu hören ist. Die Handwerker arbeiten ohne Ausnahme
in offenen Lädeu und so zu sagen auf freier Strasse, ohne sich um die an
ilim vorüber wogende Menge zu kümmern; die chinesischen Schuster,
dieses fleissige, betriebsame Völkchen sind Diejenigen, welche dem
Treiben auf der Strasse noch die meiste Aufmerksamkeit zui7endcn.
Da es sehr heiss zu werden anfing, unterbrach ich meinen S|iaziergang
und eilte nach tiause, wie es auch die meisten in Kalkutta
wohuendeu Engländer um diese Zeit zu thun pflegen. Um zwölf Uhr
strömen nämlich Kaufieute, Beamte, Offiziere, kurz alles was sich Gentleman
ncuut nach Hause, um sich zum Taflieng(Tiffin) oder Gabelfrühstück
zusetzen- um diese Zeit pflegen auch die Vornehmcceu ihre Besuche
abzustatten. Dou Nachmittag bringt jeder Engländer müssig zu und
wartet rul.ig bis 5 Ulir, um welche Stunde hier zu Mittag g
wird; dieses MittJ^esseu dauert dann gew.
2! auch drei Stun-
den, erst dauu eilt Alles, Damen uud Herren,,
Beamte und Kaufleute,
Europäer und Indianer — natürlich immer nur die vorncbmoren und
bemittelteren — theils zu Wagen, theils zu Pfenle nach der Esplanade,
welche der Zusammenkunftsort der eleganten Welt ist, die sich biet
von der Mühe oder eigentlich von der Laugenweile des Tages zu erholen
sucht. So viele schöne Equipagen, so viele elegante Reiter uud
Reiterinnen kan>i man nur liier und in London beisammen finden. Die
eingeborenen Diener in ihreu überaus bunten Trachten verleihen dem
GauzeneinccigenthUmlicheFiirbungundeln echt orientalische« Aussehen.
Wer aber, wie ich an freier N'atur mehr Gefallen findet, der eilt
dem in der Niihe de.s Hafens gelegenen sogenaunten Gartenplatzc zu;
dort findet er jedenfalls mehr Genuss, als auf der Esplanade. wohin sich
die meisten nur aus dein Cirunde begeben, um zu parad Iren, ihren Putz
zu zeigen und mit einer Steifheit, wie in einer Hofzeremonie umlier zu
Stolziren. Am Gartcnplatze reiht sieh, wie icb bereit» erwähnte, Villa au
Villa und ringsum duften henlicbe Blumenbeete uud grüne anmuthigo
Auen. Das Grün der Rasen wetteifert an Frische uud Saftigkeit mit dem
der englischen, obwohl es unter der beisseu Zone sehr schwer ist, die offenen
Flui-en vor dem Verdorren zu bewahren. Dichte (Jruppen gr.>SBblattcriger
Bäume gewähreu den herrlichsten Anblick; solch ein saftigen
Immergrün von den Strahlen der Sonne vergohlet kann man nur hier
im Orient sehen; unter unsereu düsterem Himiuelsatriebe ist dasselbe etwas
völlig Uubekaimtes, so wie mau bei uns auch jene duftige Atiuoaphäre
nioht kennt, wie sie sieb hier über die Erde lagert, wenn der Abendwind
die Wohlgerüche der lilumcu weithin durch die Lüfte trägt. Da
wird das Athmen so leicht und angenehm, als wUnlo die Natur einen ewigen
Frühling feiern uud iler zur Freude geschaireuc Mensch ilireu Kaisam
schlürfen, um daraus mittenuuter seiiieu Freuden vcijüugeude Kruft
zu saugen.
Am dritten Tage nach meiner Ankunft machte ich wieder einen
Ausflug um die Stadt, mn deren Umgegend zu besichtigen. Als ' '
um sechs Uhr Früh längs des Hugli-Ufers h inaufsehritt, fand ich bereits