Aus der ersten Flora siud blos Calamiten, Lycopoditen und Farrenkräuter vorhanden,
aber der Art nach verschieden. Die eigentliche erste Flora, die Lepidodendra,
Stigmarien, Asterophylliten sind verschollen; die Farren scheinen der Mehrzahl nach
nicht mehr baumartig zu seyn, und unter den vorhandenen kommen ganz eigene Formen
vor; denn der Wedel ist entweder an der Spitze des nackten Stiels (stipes) in mehrere
Theile trugdoldenartig zertheilt und ausgebreitet, wie dies der Graf Münster beschrieben
hat und wovon in der Jeztwelt bisher nur ein einziges ähnliches Beispiel,
welches Wallich am Himlaya fand, bekannt ist, oder der Wedel ist zwergartig, wie wir
mehrere abgebildet haben. Dicotyledonen-Blätter treten zum erstenmale auf.
Eine klimatische Veränderung scheint in der That statt gefunden zu haben, doch
musste der Wärmegrad immer noch hoch genug geblieben seyn, weil Zamiten und
Splienophyllen sich in dieser Flora erhielten. Auf die thermometrische Bestimmung der
Wärmegrade der Vorwelt, worüber schon verschiedene Meinungen ausgesprochen
wurden, wollen wir uns hier nicht einlassen, da man nicht in Abrede stellen kann,
dass in einer Pflanzenfamilie heisserer Himmelsstriche auch eine oder die andere Art
ein kälteres Klima vertragen könnte, wie es bei den Palmen der Jeztwelt noch der
Fall ist, wodurch eine gegenteilige Meinung sehr schwer zu behaupten seyn möchte.
Die angegebene allgemeine Summe der Uibergangsflora der Vorwelt steht ohne
allen Zweifel weit unter der Wahrheit, weil man, ausser in Bayreuth, bei Besichtigung der
Sammlungen selten eine so ungestörte Ruhe geniesst, um die Arten genau untersuchen
zu können. Auch mögen seit zwei Jahren in Stuttgart und Bamberg viele neue Gegenstände
hinzugekommen seyn, von denen die Wissenschaft keine Kunde erhalten hat.
Zwischen dieser ziemlich charakteristisch ausgesprochenen Keuper-Flora und der
eigentlichen, ebenfalls ausgezeichnet charakteristischen dritten Flora der Braunkohlenformation
fallen die clismatischen Bildungen, die geognostisch und botanisch noch nicht
hinreichend ausgemittelt sind.
Schöna in Sachsen bringt Fucoideen, Coniferen, Farren und Blätter dicotyledoner
Bäume zur Schau. In Böhmen kommen dicotyledöne Blätter und Fucoideen, in Schoonen
Cycaditen und Farren vor; die Sandsteine von Wien enthalten eine grosse Menge von
Fucoideen* Die.se oft auf kleine Räume beschränkten Floren, so wie jene; welche die
Engländer „Supercretaceous“ nennen, müssen noch eigene Monographen erwarten, bevor
man sich eine Zusammenstellung erlaubt.
Die eigentliche dritte Flora wird einen eigenthümlichen Charakter darbieten,
wenn sie gehörig erforscht seyn wird und sie ist auch nicht so leicht zu untersuchen,
als man es im ersten Augenblicke denken möchte.
DerZeitraum oder die Periode dieser Bildungen in Binnen - Seen scheint von langer
Dauer gewesen zu seyn. So wie die Kohlen als solche von einander sehr verschieden
sind, eben so mögen es auch die Pflanzen seyn, die sie enthalten. Aber in welchem Zustande
erhalten wir das Material, welches wir bestimmen wollen ? — Brongniart hat in
seiner Flora der fossilen Pflanzen nur dreissig hierher gehörige Pflanzenarten, die Samen
und Früchte aber nur im Allgemeinen aus dieser Flora angeführt ; nach den gegenwärtigen
Erfahrungen könnte man leicht hundert Früchte oder Samen von verschiedenen
Formen aufzeichnen; man muss aber Bedenken tragen, sie als Gattungen oder Arten zu
bestimmen und aufzustellen, nachdem wir mit der Bestimmung der Früchte und Samen
lebender Pflanzen noch nicht ganz im Reinen sind, und die Bestimmung der vorweltlichen
blQss auf Analogie der äusseren Form beruht, indem das Innere verkohlt oder verschwunden
ist. In so lange die ohnehin nirgends scharf abgemarkte tertiäre Flora nicht
mehrere Bearbeiter gefunden haben wird, müssen wir uns auf allgemeine Ansichten beschränken.
Dass in den meisten Braunkohlenlagern Blätter, Samen und Früchte gefunden werden,
welche der Form nach der jeztweltlichen Flora, aber nicht immer der örtlichen, wo
die Braunkohle vorkommt, angehören, ist uns bekannt. Aber so wie in der Braunkohle
einzeln und örtlich Blätter und Früchte erscheinen, welche wenigstens keiner europäischen
Flora zugerechnet werden dürfen, so scheinen dieselben nach den bisher gemachten
Beobachtungen, wenigstens zum Theil, mehr mit der Flora von Nordamerika
als mit jener von Europa übereinzustimmen. Einzelne Pflanzen aber, wie z. B. die
Palmen, reichen noch weit über die Braunkohle herauf.
Die Identität der Braunkohlenbildungen bestimmt keineswegs die Identität der
Pflanzenreste. Die Pechkohle von Hering in Tyrol, jene von Leoben in Steyermark und
von mehreren anderen Orten sind als Kohle ganz übereinstimmend. In Hering sind die
Pflanzenabdrücke von Palmen und dicotyledoiiären Blättern sehr zahlreich, in Leoben
fast unbekannt; dagegen haben wir an dem genannten Orte in Steyermark bloss Pinus-
Arten bemerkt. Nüsse kommen in vielen Kohlenwerkeu vor, sind aber überall der Art
nach verschieden; so haben jene aus der Wettefau mit denen bei Altsattel in Böhmen
nichts gemein und sind auch nicht europäisch. Es mögen in jener Periode die vorweltlichen
Floren, gleich wie die jeztweltlichen, unter sich schon verschieden gewesen
seyn.
Die Braunkohlen am Rhein haben ebenfalls ihre Eigentümlichkeiten; nicht weniger
ist dieses der Fall bei allen einzelnen kleinen Ablagerungen am Monte Bolca, in den
Gypsen bei Sinigaglia, Stradella, Furlo, St. Angelo bei Schio in Italien, bei Szagadat
in Siebenbürgen, bei Oeningen, Schichhofen, Bleiberg bis zum Sutturbrand auf Island.
Wohl wäre es sehr zu wünschen, dass alle diese Ablagerungen solche Monographen
fänden, wie jene von Oeningen in der Person des Herrn Professors Braun in Carlsruhe,
der 3 6 Arten Pflanzenabdrücke aus dieser Formation genau beschrieben hat, deren Analoga
zum Theil in Nordamerika zu suchen sind.
Aus dem, was wir bisher in allgemeinen Umrissen entwickelt haben, scheint mit
grosser Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung des Pflanzenlebens auf der Erdkruste
als Corollar bervorzngehen:
a. Dass die erste Vegetationsperiode schon sehr frühe begonnen habe, weil ein
Theil davon schon in der Bildung des Thonschiefers ihr Grab gefunden hat.
b. Dass diese Vegetation zwar einfach, aber grossartig war, wie es ihre Uiberreste
in der Steinkohle und ihren begleitenden Formationsgliedern nachweisen.
c. Dass sie aus Pflanzen bestand, deren viele in der Jeztwelt nicht lebend wiedergefunden
werden, deren Analogien oder Familienverwandte dermal nur in dem heissen
Erdgürt;el oder zwischen den Tropen wohnen.
d. Dass diese Pflanzen, eine bisher einzige Ausnahme abgerechnet, in der nachfolgenden
zweiten Flora nur selten der Gattung nach, vielleicht gar nicht der Art nach,
wieder Vorkommen, daher die erste Flora, in so weit sie dermal bekannt ist, über die
ganze Erdkruste verbreitet und übereinstimmend war, von der zweiten Flora jedoch
scharf abgeschnitten ist,
e. Dass die zweite Flora durch alle nachfolgenden Formationen zwar öfter gestört,
doch nirgends scharf abgeschnitten ist, sondern unbemerkt in die dritte Flora
übergeht, welche nur botanisch durch die Veränderung der Zahlenyerhältnisse der
äcotylen und monocotylen Pflanzen gegen die dicotylen, und ihr mehr europäisches Ansehen
geschieden werden kann.
cf. Dass sowohl in der zweiten als dritten Vegetationsperiode der Parallelismus
der Formationen nicht mit jenem der Vegetationen zusammenfällt, wodurch die bloss in
aufsteigender Reihe entworfenen Floren nicht hinreichen, um ein allgemeines Bild der
Vegetation einer Zeitperiode darzustellen; dass man sich daher wird bequemen
müssen, die Floren der Formationen nach geographischer Verbreitung einzeln zusammenzustellen,
und es einem künftigen Linne für die Vorwelt zu überlassen ist, aus
diesen einzelnen Arbeiten ein Ganzes zusammenzubauen, da jener Theil der Erdoberfläche,
welcher bisher untersucht wurde, gegen denjenigen, der noch gär nicht untersucht
ist und doch wohl neue Aufschlüsse geben kann, in gar keinem Verhältnisse steht.
Wir dürfen aber nicht bloss bei den Pflanzen, deren Abdrücke oder Versteinerungen
gefunden worden, stehen bleiben, um ein richtiges Bild der früheren Floren zu
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