vorhandene Ganze beurtheilen und an seine geeignete Stelle bringen, was wohl an
Thierskeleten einem Cuvier und vielen anderen gelungen ist, weil die einzelnen
Theile eiues Thierskeletes unveränderlich nur au eine bestimmte Stelle desselben
angereihet werden können, Bruchstücke von Pflanzen aber keiner so bedingten Zusammensetzung
unterliegen. Es ist aber auch schon hierin vieles geschehen und wird,
nachdem neuere Förderungsraittel zur Erkenntniss der Organisation versteinerter Pflanzen
unter dem Microscop erdacht worden, noch schneller vorwärts gehen.
Zur richtigen Ausmittlung der Entwicklung des Pflanzenlebens der Vorwelt ist
es nicht hinreichend, das erste Erscheinen derselben aufzuzeichnen, es muss auch auf
ihre Dauer, ja auf ihr Wiederverschwinden oder Zurückkehren Rücksicht genommen
werden; denn mehrere Pflanzen ‘der ersten Flora sind in. den folgenden Perioden nicht
mehr oder nur an einzelnen Orten wieder vorgekommen, wie die Pflanzen der ersten
Periode, weiche Elie de Beaumont in dem Lias der Tarentaise wiedergefunden hat, und
welche sonst nirgends im Lias gesehen worden sind. Das Nebeneinander- oder Nacheinanderauftreten
derselben, der Uibergang von einei; Formation in die-andere oder das
Ausbleiben in einer Zwischenperiode, der Wechsel der Formen, der Grössen- und
Zahlenverhältnisse der Pflanzen, und die richtige Scheidung der Formationen genau zu
erforschen, ist unerlässlich.
In diesem Studium, welches noch Nebenreflexionen über klimatische Veränderungen
zulässt, ergeben sich mehrere Schwierigkeiten, welche eine nähere Untersuchung
nothwendig erheischen.
Die von Adolph Brongniart vorgeschlagene Einteilung der Floren nach
den Formationen und Zeitperioden ist ein recht nützliches Schema, zu dessen Ausführung
es aber dermal noch an hinreichenden botanischen und geognostischen Untersuchungen
und an Material gebricht. Wir wollen vor allen dasjenige in ’Betrachtung
ziehen, was uns über die; drei Vegetationsperioden gegenwärtig mit ziemlicher Gewissheit
bekannt ist, woraus sich die Lücken von selbst ergeben werden, die erst ausgefüllt
werden müssen, bevor wir uns auf scharfe Begrenzungen einlassen können.
Die ersten Spuren einer vorweltiichen Vegetation und Thierwelt finden wir in
der sogenannten Uibergangsformation der Granwackengebilde; es muss also vor derselben
eine pflanzliche und thierische Schöpfung vorhanden gewesen seyn, da. sie hier
schon in ihren Gräbern gefunden wird, wobei wir jedoch den Unterschied der entdeckten
Pflanzen nicht ganz übersehen dürfen; In mehreren Gegenden von Europa, und
zwar in den Anthraciten der steyrischen und Salzburger Alpen und in denen Savoyens
sind dieselben Farrenkräuter, Asterophylliten (die auch in der älteren Kohle Vorkommen)
und unbekannten Früchte; in Nordamerika hat man Fueoideen gefunden, welche Brongniart,
Harlan und Taylor aus den Umgegenden von Quebek, dem Aleghani - Gebirge
und aus der Umgegend von Philadelphia beschrieben haben. *)
Dieselben Farrenkräuter, Asterophylliten, Früchte und mehrere andere Ge-
fässpflauzen finden sich nun auch im Rotliliegenden, in dem Kohlenschiefer oder
im schwarzen Kalksehiefer (im Thüringerwald, in der Umgegend von Braunau an der
äussersten Grenze zwischen Böhmen und Schlesien) mit Fischen (Paleoniseus Agass.^,
im Schieferthon der Schwarzkohle mit einem Scorpion (in Böhmen), oder mit Schal-
thieren, wo die Steinkohle in Kalkstein abgelagert gefunden wird (in England, West-
phalen). Dieselben Pflanzen reichen herauf bis in . den Zechstein, welcher Versteinerungen
von Fischen enthält und die älteste Formation abschliesst, wie wir es in Deutschland
und England sehen.
Diese Flora ist einfach und grossartig; sie scheint nicht besonders viele Familien
zu enthalten, und unter diesen nur wenige oder keine, die den Klimaten angehören, wo
die Kohle abgelagert ist; es dürfen jedoch weder Coniferen noch Palmen ausgeschlossen
werden. Ihren Reichthum dermal bestimmen zu wollen, ist voreilig, da wir ausser überEng-
*) James, journal. Juli 1835. p. 185.
land, Frankreich und Deutschland nur höchst dürftige Nachrichten besitzen und in der Kohle
selbst bei genauerer Untersuchung organische Pflanzentheile gefunden werden, die den
Beweis liefern, dass viele Pflanzenfasern in die Kohlenbildung aufgenommen worden
sind. Herr Hutton hat neuerlich’ entdeckt, dass unter den verschiedenen Schieferlagen
der Newkastle-rKohle sich zwei Kohlenlager befinden, die sich in sehr feine
Blätter theilen lasseil, in denen man unter dem Microscope die Holzfasern sehr gut
erkennen kann. Zwischen der Reticulation der Holztextur unterscheidet man noch
andere Zellen, welche mit einer weingelben Materie, wahrscheinlich bituminöser Natur,
gefüllt sind, die so sehr flüchtig ist, dass sie bei geringer Erwärmung, lange bevor die
Kohle die geringste Veränderung erlitten hat, verschwindet. Die Form der Zellen ist
in verschiedenen Lagen der Kohle abweichend, grösser oder kleiner, mehr oder weniger
in die Länge gedehnt u. s. w., und sie scheinen von verschiedenen Holzarten zu stammen.
Abdrücke von Rinden der Lepidodendron mitten in der Glanzkohle, kleine Bruchstücke
schilfartiger Pflanzenstengel im Anthracit haben wir selbst schon mehrmal gesehen.
Diese Flora auf sechs Familien zu beschränken und in Ziffern auszusprechen, dass
in der Flora jener Zeit unter hundert Pflanzen sich 92 Cryptogamen, 6 Dicotyledonen
und 2 Monocotyledonen befinden, wie Alexander Bertrand::'::) und sein englischer
Üibersetzer Horry gethan, muss einem jeden Naturforscherauffallen, der sich nur einiger-
massen mit dieser Wissenschaft abgegeben hat, da gerade in dieser Flora die meisten
Pflanzen verkommen, die wir in dem Zustande, in welchem wir sie finden, in gar keine
jetztweltliche Familie einzureihen vermögen. So viel kann man aber aussprechen, dass
diese Flora, wie es auch naturgemäss ist, einfach, grossartig und in ihren Formen äusserst
zierlich war; wir werden auch wahrscheinlich durch die dermal unternommenen miero-
scopischen Untersuchungen zu noch wichtigeren Aufschlüssen über ihre Unterscheidungsmerkmale
gelangen.
Die überwiegende Zahl der Farrenkräuter in dieser Flora hat Adolph Brongniart
bestimmt, sie für eine Inselflora zu erklären, nach dem Beispiele der Südsee-
Inseln, wo dieselben ebenfalls die Mehrzahl ausmachen. Es ist uns auch schon durch
Alexander von Humboldt *:*":s) und neuerlich durch Meyen ■“'"••rv') bekannt geworden, dass
die baumartigen Farren am besten in einem sehr feuchten Klima, wie es die Südsee-
Inseln darbieten, in einer Temperatur, die sich zwischen -\- 2 0 ° und 23° Cels mittlerer
Wärme erhält, gedeihen. Lindley hat zwar durch einen direkten Versuch nachgewiesen,
dass Farrenkräuter unter Wasser mehr als ein Jahr aufbewahrt sich erhalten
haben, während andere Pflanzen bei diesem Versuch in Fäuluiss übergegangen sind-}*),
und lüeraus den Schluss gefolgert, dass dieser Eigenschaft die Erhaltung ihrer Mehrzahl
zuzuschreiben sei. Wir wollen nicht in Abrede stellen, dass diese Pflanzen die
Eigenschaft besitzen, der Fäuluiss besser zu widerstehen als andere, was auch in
neuester Zeit bei dem Schiffbruche, den der zurückkehrende Naturforscher Dumont
d’ Urville erlitten hat, bestättigt worden ist, da von den geretteten durchnässten Pflanzen
die Farrenkräuter und Gräser sich durch Trocknen widerhersleilen Hessen, während
andere zu Grunde gegangen sind, was übrigens nicht auffallend ist, da Grashalme
und Farrenwedel gewiss weniger Feuchtigkeit aufnehmeu als dicotyledone Pflanzen.
Diese individuelle Eigenschaft schliesst aber die Analogie des feuchten und warmen
Klimas, in welchem die baumartigen Farren, die in der Steinkohle gefunden werden, *•)*)
*•) Proceedings of the Geological Society in Philos. Magaz. series 3. vol. II.
p. 302.
r5*5) Al. Bertrand les Revolutions de Globe, p. 17. S. C. Horry the Revolution of
the Globe, 17. p. 233.
***) Alex. Humboldt de distributions geographica plantarum, p. 97.
ff?*) Meyen Grundriss der Pflanzengeographie, p. 270.
t ) Bindley fossil Flora, fuse. 17.