V e r s u c h
e i n e r
geognostisch - botanischen Darstellung
d e r
F l o r a d e r Vo rwe l t .
w ir hatten uns zwar vorgenommen, die vollständige Herausgabe der Geschichte
fossiler Pflanzen von A d o lp h B r o n g n ia r t abzuwarten, und dann erst die Fortsetzung
unserer Flora der Vorwelt nachfolgen zu lassen; das langsame Erscheinen des Brongniar-
tischen Werkes durch zufällige Ursachen, vielleicht selbst durch die Ausdehnung des Planes
veranlasst, und die von Br o n g n ia r t in der Zwischenzeit herausgegebenen Abhandlungen
und dessen Prodromus, welche seine Ansichten hinreichend entwickeln, Laben uns jedoch
bestimmt, in einem Alter, welches keinen langen Aufschub gewährt, früher mit unserer Arbeit
hervorzutreten. Wir hegen die Uiberzeugung, dass ein gleichzeitiges durchaus unabhängiges
Bearbeiten eines und desselben naturwissenschaftlichen Gegenstandes von zwei
Verfassern, welche beide, jeder auf seine eigene Weise die in der entferntesten Vorzeit
tief geborgene Wahrheit zu entdecken streben, in ihren allgemeinen Ansichten zum grossen
Theil übereinstimmen, im Einzelnen dagegen Öfter von einander abweicheu, der Wissenschaft
vortheilhaft werden könne, indem derselbe Gegenstand aus verschiedenen Gesichtspunkten
betrachtet und beleuchtet das Urtheil des Lesers fördert und erleichtert.
Diess scheint zumal bei einer noch jungen Lehre, wie es jene der Flora der
Vorwelt wirklich noch ist, vorzüglich wiinschenswerth, damit der Glaube an eine
einzige Autorität dem Wissen nicht vorgreife und den menschlichen Geist von mühsamen
und genauen Beobachtungen und Untersuchungen ab - und zu einem bequemem Glauben
hinziehe, wo nur das Wissen entscheiden kann.
Es kömmt bei der Geschichte der fossilen Pflanzen nicht sowohl auf die richtige
Bestimmung der einzelueu Species an, welche gröstentheils. auf unvollständige Bruchstücke,
die gar manche Veränderungen erlitten haben, gegründet, nur höchst selten als
absolut gewiss anerkannt werden kann, sondern hauptsächlich auf die richtige Bestimmung
der Familie, auf eine höchst wahrscheinliche Bestimmung der Gattungen und einer
genauen und sorgfältigen Beurtheilung der Formationen, in deren Ablagerungen die
fossilen Pflanzen gefunden werden. Jn dieser Hinsicht unterscheidet sich die Flora der
Vorwelt bedeutend von den jetztweltlichen Floren, wo die richtige Bestimmung der
Arten als das wesentlichste Erforderniss mit Recht betrachtet wird, welches allein eine
richtige geographische Vertheilung der Pflanzen auf unserer Erd-Oberfläche, und ihre
relative Verhältnisse begründen kann. Die Flora der Vorwelt und die Dauer ihrer Zeitperioden
können aber nur durch strenge Combination der Pflanzenfamilien, ihrer Verhältnisse
unter sich und mit den Formationen , in deren Schichten sie eingebettet liegen,
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