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Der gemeine, oder der fpanifche Flieder.
Syrifiga vulgaris Linn.
The commoji blue Lilac.
Le Lilas, ou Lilac commun.
C h in a fcheint das urfprüngliche Vaterland diefes, und vielleicht aller Flieder zu feyn; denn
oft bemerkt man die unverkennbaren Abbildungen derfelben auf chineiifchen beblümten Papieren,
SeidenfiÖren und Stoffen, auf denen fie mit dem Hibifcus Rofa Chinenßs, der Gardenia, dem
orientalifchen Mohn, und der Thränenweide immer wieder erfcheinen. Aus diefem ihrem Vater-
lande, in welchem auch neuere Reifenden fie antrafen, kamen fie nach Perfien und Kleinafien.
Herr Pallas fand fie in den letztem Provinzen, vorzüglich in Kislar und Teflis, jedoch nirgends
wild wachfend, fondern nur in den Garten Aliatifcher Türken , fo wie in Georgien und der Tartarey.
Diefe Bemerkung des Büffons der Botanik, wird durch jene des Matthioli beftätiget, in dem wir
finden, dafs die Türken diefe Gewächfe vor zwey hundert Jahren zuerft nach Conftantinopel
brachten, von woher der um die Wiffenfchaften fo verdiente kaiferliche Gefandte Busbek bey der
Pforte, diefen Flieder in der Mitte des fechzehnten Jahrhunderts neblt vielen ändern Pflanzen an
jenen bewehrten Botaniker fandte. Wenn ihn Haller in der Schweiz , und Ehrhart nahe bey Osnabrück
bemerkten, wie er denn auch in unferen öfierreichifchen Wäldern zerltreut angetroffen
w ird , fo könnte diefes nur in verwilderten Gärten ehemahliger Bewohner diefer Gegenden der
Fall feyn, denn er ift in den mehreften deutfchen Provinzen die Zierde felbft der einfachiien
ländlichen Gärten geworden, indem die Schönheit und Menge feiner Blüthen, der fanfte Geruch,
den fie Abends mehr als beym Tage ausdüften, und feine fo leichte Vermehrung die Ausbreitung
desfelben fo fehr befördert haben, dafs er auch in den Gärten der Dorfbewohner häufig vorkommt.
Seine Blüthen entfpringen am obern Ende der Zweige vom vorhergehenden Jahre in faft aufrechten
zufammen gefetzten Blumentrauben mit dem Ausbruche der Blätter zugleich, und entwickeln
fich vollkommen, wenn der Strauch ganz belaubet ill; fie find von blauer, weifser oder purpur-
rolher Farbe, mit ihnen fchmückt unfer junger Landniann feinen Hut, das Landmädchen ihren
Bufen, und die fromme Matrone den Altar. Die hier abgebildete purpurrothe Abart ift die fchön-
fte, fie erreicht die gröfste Hohe, hat die gröfsten Blumentrauben,- an denen einige Blumen mit
fünf und fechsfpaltigen Blumenkronen erfcheinen, die in diefem Falle eine dreyfpaltige Narbe,
eine dreyfächerige, dreyklappige Samenkapfel, und drey Staubfäden haben, deren Staubbeutel
oft in fchmale gefärbte Blättchen ausarten; auch achtfpaltige Blumenkronen werden, wiewohl
feltener bemerkt, die deffen ungeachtet alle zur Fortpflanzung tauglichen Samen liefern, aus welchem
vielleicht, wenn man fich die Mühe geben wollte ihn beiönders zu fammeln, und auzuslien,
einft eine Abart mit gefüllten Blumen gewonnen werden könnte, die dem Blumenliebhaber eben
fo willkommen feyn würde, als die gefüllten Jafminen, Rofen, Nelken und andere mehr, die
man jetzt aus einem gewifsen botanifchen bon ton , als Mifsgeburten aus den Gärten zu verbannen,
und hiermit dem beobachtenden Auge des Naturforfchers zu entrücken wünfchet, ohne zu
erv/egen, wie wenig Zuverläfsiges über die Entftehung derfelben, fo wie über die Ausartung der
Blumen und Blätter in Abficht ihrer Geftalt und Farbe bisher bekannt geworden if t , und lind
diefe vergröfserten und verfchönerten Blüthen denn nicht auch Töchter der Natur? die uns die
anfchaulichften ßeweife der fo nahen Verwandtfchaft und der Übergänge der lieh zu Blüthen entwickelnden
Pflanzentheile geben. Sehr deutlich werden diefe Übergänge bey einigen gefüllten
Nelken, Mohnen und der weifsen Lilie bemerkt, deren zu Kronenblättern fich ausbildende Staubfäden
oft noch vollkom.mene Staubbeutel tragen, iö wie bey den Tulpen, deren äufserfte Stängelblätter
olt fchon mit der Barbe der Koralle prangen. Die Bemerkungen des Herrn v. Goethe
über diefen Gegenftand, voll des ihm eigenthümlichen Tiefblickes, reden hier der Vermuthung des
Verfaffers das Wort.
Der gemeine Flieder wächst in jedem Boden, docii in einem lehmigen mit etwas Sand vermengten
am beften, in welchem er aus feinen vieläftigen, um fich wuchernden Wurzeln meiftens
mehrere Stämme treibt, die 12— 20 Fufs lioch, feilen aber im Durchfchnitte ö Zoll dick werden,
und fich auch zu Baumen erziehen laffen, wenn man ihnen in der Jugend die unteren Ätie nach
und nach abnimmt. Sie find aber in diefer Form nicht dauerhaft, und gehören nur in die Gärten
der Liebhaber täufchender Bizarrerien, die auf ifolirten weifsblühenden Syringeiiftämmen die purpurrothe
Abart hier und da auf üppigenNebenäften äugeln, und dadurch die Bewunderung der Nichtkenner
anfachen können. Auch in jeder Lage kommt diefer Flieder gut fo r t ; felblt im dichten Schalten
höherer Bäume. Am beften gedeihet da die weifsblühende Abart, die aber unter diefen Umftänden
Iparläm blühet. Die jungen biegfameii Zweige haben eine gröfse Markrölire, fie ftehen wie die an
ihnen hervor kommenden geftielten, ungezähnten, herzförmig - eyrunden Blätter, die von dichtem
Baue find, und den fpanifchen Fliegen (Aletoe vcßcatorius) wie aucli der fchÖnen Raupe des
Sphinx Ligufcri zur Nahrung dienen, einander gegen über. Das Holz ift an jungen Stämmen gelblich,
an altern aber roth geflammt, hart, gut zum Brennen, und nimmt eine ichöne Politur an.
Viele Künftler verbrauchen es anftatt des Olivenholzes, um kleines Hausgeräthe daraus zu verfer-
tigen, dem fie durch eine kalte Belize mit Scheidewaffer eine dauerhafte fchÖne rothe Farbe zu geben
willen. Herr D. Weifsinann fand durch chymifche Verfuche balfamifche Beftandtheile in diefem
Holze , die auch an den neu empor fprofsenden Zweigen und Blattftielen, in geftielten, an den
Blattflächen aber in ftiellofen, weifsen, durchfichtigen, klebrichen Drüfen erfcheinen. Im Waller
gekocht gibt das gerafpelte Holz diefer Syringe einen ambrirten bräunlichen Thee.
Nebft der angezeigten Anwendung diefes Flieders für unfere Lufipflanzungen und der Benutzung
feines Holzes, gehört er auch zu den wefentlichen Tlieilen der Blumentreiberey, durch welche wir
unferen geheizten Wintergärten einen täulchenden Schatten jener Annehmlichkeiten des Frühlinges,
auch in einer Jahrszeit geben, in welcher die Schöpfung zu ruhen fcheinet. Zu diefem Gebrauche
mufs man von allen feinen Abarten einen anfehnlichen Vorratli in Gefäfsen eingepflanzet haben, um
diejenigen davon in ein temperirtes Treibhaus bringen zu können, an welchen fich Blumenzweige,
die man an ihren dicken Knofpen leicht erkennen kann, gebildet haben. Auch kann man fich im
Winter blühende Flieder verfchaffen, wenn man nach eingetretenem Frofie im November auch
fpäter hin Äfte mit Blumenzweigen abfchneidet, folche in einem mit Waffer gefüllten Gefafse an
die Fenfter eines geheitzten Zimmers oder Treibhaufes Ilellt, und öfters frifches nicht zu kaltes
Waffer nachgiefset. Die Blumen fallen bey diefer Behandlung nicht fo ganz vollkommen aus, lind
aber doch fcliön genug, um in diefer Jahreszeit erfreuen zu können.
Die gelbgrünen Knofpen unterfcheiden im winterlichen Zuftande den weifsblühenden Flieder
von dem, der blaue oder purpurrothe Blumen gibt, deffen Knofpen rothbraun, und die des letztem
gröfser als die übrigen find Tab. 77 Fig. c. d. Diefe anfchaulichen Merkmalilc in einer Zeit
wo gepflanzet wird , fetzen un.s in den Stand den Verwechslungen der Farben ihrer Blüthen auszuweichen,
auf die bey der Anlage manclier Pflanzungen um fo mehr Rücklicht genommen werden
mufs, wenn man verhindern w ill, dafs fte in der Folge demAuge des fachkundigen Beobachters
niclit mifsfallea follen.
Die Zweige des vorigen Jahres endigen lieh meiftens mit zwey Blüthenknofpen, deren auch
einige an der Seite diefer Zweige einander gegen über Ilehend zum Vorfchein kommen, fie nehmen
allezeit den oberen Theil derfelben ein, find dick, vierfeitig, eyrundfpitzig, und verbergen unter
ihren einander dachziegelfönnig deckenden Schuppen die Blumentraube im Kleinen. An ihrer Bafis
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