
glaubte, sich auf ein Missverständniss zurückfiihren lässt. Thatsache
ist n u r, dass zuerst Cohn selbst an C r e n o th r ix p o ly s p o r a , dann
Zopf, Z u rth und eine Reihe anderer Forsclier constatirt haben, dass
nianclie fädige Bacterien Gonidien bilden können, welclie von vielen
als isolirte, runde oder stäbchenförmige Zellchen lebenden Bacterien
auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden sind. Die Beobachtung des
weiteren Scliicksals dieser und jener Gebilde lehrt aber sofort einen
diircligroifenden Unterschied kennen: die einen können n u r den
mutterliclien Organismus reproduciren, sie erweisen sich als S p o re n
das Wachsthum der anderen aber besteht nur in einer Streckung bis
zu ilirem doppelten Durchmesser mit darauf folgender Theilung und
Trennung der Schwesterzellen. Darnach ist jede Stäbchen- oder
Coccogonidie leicht von den Cohn’sclien Micrococcus- oder Bacterium-
arten zu unterscheiden. Hätte man bewiesen, dass eine Gonidie von
Cladothrix, Leptothrix u. s. w. unter Umständen lange Zeit wie ein
Micrococcus oder Bacterium sicli vermehren könnte, dann erst wäre
Grund vorlianden von einem Pleomorphismus dieser Organismen zu
reden. Bis je tz t ist aber ein solches Verhalten für keine von diesen
Bacterien vorwurfsfrei constatirt. Der Schluss ist also berechtigt dass
bis jetzt k e in e in z ig e r F a ll v o n P le om o rp h i sm u s u n t e l d e n
B a c te r ie n g e fu n d e n w o rd e n ist. Damit ist natürlich nicht gesagt
dass es nicht gelingen wird, eine pleomorphe Bacterie aufzudecken.’
a bei Pilzen, Algen n. s. w. nicht wenige pleomorphe Organismen
bekannt sind, giebt es keinen Grund, za glauben, dass eine pleomorphe
Bacterie nicht existiren könne.
Vor 15 Jahren, als Cohn sein bekanntes System der Bacterien
aufstellte, entbrannte eine heisse Polemik, welclie von beiden Seiten
mit ungewohnhdier Erbitterung mehrere Jahre hindurch geführt wurde
Es standen wirklich zwei diametral entgegengesetzte und ganz un-
veisolinliche Ansiciiten über die gegenseitigen Beziehungen der Bacterienformen
einander gegenüber. Seinen Standpunkt nnd den seiner
Gegner präcisirte Cohn im Jaiire 1875 wie fo lg t'): innerhalb der
Pamilie dei Bacterien „glaubte ich eine grössere Zahl von Gattungen
und Arten unterscheiden zu müssen, und obwohl ich mir nicht ver-
le en konnte, dass es überaus schwierig sei, bei den Bacterien
die Variationen, welche aus veränderter Ernährung oder anderen
Lebensbedingungen hervorgehen, von den angeborenen und constant
sich vererbenden Charactoren zu unterscheiden, welclie allein zur
') Beitrag z. Biol. d. Pfl. I. 3. S. 142.
Begründung distincter Species bereclitigen, so glaubte ich doch, die von
mir aiifgestellten systematischen Abtheilungen im Wesentlichen als
natürliche ansprechen zu dürfen . . . Dieser Gliederung der Bacterien
in Gattungen und Arten wird von denen die Berechtigung abgesprochen,
Avelche in sämmtlichen Bacterien n u r eine einzige Lebensform
erblicken, die im Verlaufe ihrer Entwickelungsgeschichte, ganz
besonders aber in F’olge veränderter Lebensumstände, sehr Aterscliiedene
Gestaltungen annehmen kann . . .“ Seitdem Cohn dieses schrieb,
haben wir eine Unzahl von Bacterienspecies kennen gelernt, fast
jeden Tag werden neue gefunden, ihre Reihe droht unendlicli zu
Averden. Alle diese Bacterienformen erAveisen sich als distincte Species,
und eine Umzüclitung der einen in eine andere will uns ebensowenig
gelingen, als mit beliebigen höher und höchst organisirten Wesen.
Niemand kann je tz t daran denken, „der Gliederung der Bacterien in
Gattungen und Arten die Berechtigung abzusprechen“ : die Ansichten
von Colm haben sich glänzend bestätigt. Auch das System von Cohn
hat sich, trotz des mächtigen Aufscliwunges der bacteriologischen
Forschung Avälirend des letzten Decenniums, im Wesentlichen als ein
natürliches bewährt. Die Cohn’schen Gattungen: Micrococcus, Bacterium,
Spirillum, Vibrio, Leptothrix, Bacillus bleiben bis jetzt in allen
Systemen der Bacterien erhalten, das Zopf’sche nicht ausgenommen.
Die Tliatsachen, je melir sie angeliäuft Avurden, haben gezeigt,
dass Cohn nnd seine Anhänger vollständig Recht haben. Die sorgfältige
Beobachtung hat den Spielraum für etAvaige pleomorpliistische
Speculationen mit der Zeit immer enger gezogen, bis er auf eine
verhältnissmässig kleine Gruppe von Bacterien beschränkt blieb, avo
eine genaue Untersuchung besondere ScliAA'ierigkeiten bot. Das Avareii
gerade die in dieser Arbeit besprochenen Organismen. Ihre absonderlichen
physiologischen Eigenschaften liessen die Anwendung von gut
ausgearbeiteten, allgemein üblichen Untersuchungsmethoden (Avie die
Koch’sche Gelatiiiemethode) nicht zu, und sind wahrscheinlich diese
Organismen eben deslialb wenig berücksichtigt worden, trotz der Anregung,
welche die bekannten Untersuclmngen von Zopf dazu liätten
geben können. In der mehrfach erwähnten Untersuchung von Zopf
haben, glaube ich, die auf ein enges Gebiet zurückgedrängten pleo-
morphistischen Anschauungen ihren letzten Widerhall gefunden. Sie
müssen auch liier, wie mir scheint, vor einer präciseren Fragestellung
und genaueren Beobaclitungsmethede Aveiclien. Die langAvierige Contro-
verse über die Bacterienspecies muss damit als endgiltig abgesclilosseii
betrachtet Averden.