
Oben schon wurde erwälmt, dass die-Chromatien zu jeder Zeit
bewegungsfällig sind. Der Grad der B ew e g l ic h k e it ist aber ganz
ausserordentlicli verschieden. Manclimal lierrscht in der Cultur ein
tast siniivorwiiTeiides Treiben, überall wimmelt es von äusserst lebhaft
dahinjagoiiden Schwärmern; sieht mau einzelne Zollen sich auf der
Unterlage ansetzeii, so ist das nu r eine kurze Uiiterbreclumg des
Sclnvärmens, nach einigen Minuten sind sie wieder fort! Ein anderes
Mai liat man in derselben Cultur ein diametral entgegengesetztes
Bild — kein einziger Schwärmer, überall vollkommene Ruhe. Zwischen
diesen E.vtremeii variirt die durclisclmittliclie Beweglichkeit der Zellen
von Tag zu Tag und selbst von Stunde zu Stunde. Es kann keinem
Ziveifel uiiteiiiegeii, dass die Bewegungen liier niclit etwa nur in einem
bostiiniiiten Eiitwickelungsstadium eintreten, sondern ausschliesslicli
durch äussere Eiiiwirkuiigen liervorgerufeii werden. Zu den die Bewegungen
bedingenden Ursachen gehe ich jetzt über.
Ueber diese Frage hat Engelmann im Jahre 1882 eine interessante
Untersucliung verofientlichti). Wie bereits erwähnt, ist sein
B a c te r ium p h o tom e tr ic um nichts anderes, als eine Eeihe von kleinen
Chromatiumfomieii, welclie ungefähr den in meinen Eig. 5—8, Taf. IV
dargestellteii entsprechen. Nach ausgedehnten Versuchen kommt Eiigel-
manii zu dem Resultate, dass die Bewegungen der Chroniatieii ü b e r h
a u p t n u r d u r c h L ic h t e rw e c k t iv e rd e ii und bei Abschluss von
Liclit erlüsclieii. Der Fall ist insofern sehr merkwürdig und bis jetzt
einzig in seiner Art, als das Licht liier geradezu als unentbehrliche
Bedingung der Bewegungen auftiitt, der Wärme, dem Sauerstoff, über-
haupt anderen äusseren Factoren kaum eine W irkung zukommt. Intensives
Liclit regt sofort oder binnen wenigen Minuten die Bewegungen
an, scliwäcliere Beleuclitung erfordert dazu etwas längere Zeit. Im
Dunkeln dauern die Bewegungen infolge „photokiiietischerNachAvirkung“
blos kurze Zeit: im Allgemeinen schien die Bewegung um so später
aufzuhören, je länger und namentlicli auch je stärker zuvor beleuchtet
worden Avar. Bezüglicii Aveiterer sehr auffallender Ergebnisse der Eiigel-
manirschen Untersuchung muss ich auf das Original verweisen.
Natüiiicli Avar es mir liöchst interessant, diese von Engelmann
als selir liandgreiflich beschriebene LiclitAvirkung an dem mir zu
Gebote stehenden reichen Material zu prüfen. Melirere Beohaclitungen,
Avelche icli über das Veiiialten der Chromatien in am Liclit und im
') Bacterium photometricum. Ein Beitrag zur Keimtniss der Licht- und
Farbenpcrcopliou bei den niedersten Organismen. Biiiiger’s Archiv 1882.
Dunkeln stehenden Culturen gemacht habe, liessen sicli nämlicli niclit
gut mit den Engelmami’schen Angaben in Einklang bringen. In der
rothen Haut, welche die LichtAvand der Gefässe überzielit, findet man
z. B. fast aussciiliesslich unbeAvegliche Exemplare; es gelingt leichter
Schwärmer zu finden, Avenn man Proben vom Boden des Gefässes
oder von der dem Fenster abgekehrten Seite entnimmt. Dies schien
darauf hinzuAveisen, dass stärkere Beleuchtung das Festsetzen der
Chromatien begünstigt, Avie es von Strasburger *) für melirere Algen-
scliwärmer nachgewiesen worden ist. — Meine Objectträgerculturen hielt
ich melirere Monate lang in einer feuchten Kammer 0,5 m vom
Fenster entfernt, immer genau an derselben Stelle. Trotzdem sah ich
verschiedene Clironiatiumformen je nach den Ernährungsbedingungen
bald melirere Tage lang vollkommen uiibeAveglich bleiben, bald äusserst
lebliaft schAA’äi'uien und dann wieder zu r Euhe kommen u . s. av.
Weiter habe icli auch das Eintreten eines äusserst lebhaften ScliAvärmens
im Dunkeln beobachtet: am 1. Ju li 1887 habe ich grosse Stücke
einer aus einer sehr kleinen Chromatiumform bestellenden rothen Haut
in einen kleinen Kolben, Avelcher 200 cc BrunnenAvasser mit Gyps und
einigen Tropfen einer verdünnten Fleischextract-Lösung enthielt, gebracht
und lose verschlossen im Dunkeln stehen lassen. Mehrere Tage
blieb die Flüssigkeit klar und liess keinen HgS-Gorucli erkennen; die
rotlien Massen blieben vollständig unverändert am Boden liegen. Nach
dreiAvöchentlichem Stehen im Dunkeln, Avobei ich zuletzt den Zustand
der Cultur nicht mehr controlirte, fand ich plötzlich am 21. Ju li die
Flüssigkeit ganz roth; vom Boden stiegen diclite rothe Wolken, welclie
aus äusserst lebhaft beAvegliclien Cliromatien bestanden, die rotlien
Massen hatten sicli im Wasser fast vollständig zertheilt; die Flüssigkeit
roch sehr dentlich nach H^S.
Diese Beohaclitungen wiesen schon deutiicli darauf ihn, dass das
Liclit keine unentbohrliclie Bedingung für das Zustandekommen der
BeAvegungeii ist und jedenfalls nicht immer die von Engelmann angegebene
Reizwirkung ansübt. Ich bemühte mich nun, diese einmal
zu sollen und setzte Gruppen von unbeweglichen Cliromatien in Culturen,
wo sonst ein ziemlich iebliaftes Schwärmen herrschte, hellem
Tagesfichte oder einem durch Sammellinse und Abbé’schen Condensor
concentrirten Lampenlichte aus; Avälirend einer Exposition von
15 Minuten bis zu einer Stunde sah ich aber entweder keine,, oder
nu r sehr wenige Zellen beAveglich Avei'den. Kein einziges Mal ist es mir
Wirkung des Lichtes und der Wärme auf Sohwäniisporen. Jeua 1878.