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Die rotlien Schwefelbacterien bilden, Avie aus dem Gesagten lier-
A'orgeht, einen sehr merkAvürdigen F a ll A’on Organismen, denen der
Sauerstoff u n en tb eh iiich i s t , die sich aber tro tzd em fast wie
anaörobiotische Wesen A'erhalten, da sie n u r äusse rst geringe Sauerstoffspannungen
g u t e rtrag en können.i) — Doch kommen auch in Bezug
au f den Sauerstoffbedarf A^erschiedene Gradationen zwischen ih n en Amr.
E s giebt auch E o rmen , die in Massenculturen sich nahe an der
Oberfläche des W a s se rs , wie die Beggiatoen, ansammeln u n d Avahr-
scheinlich in ähnliclier Weise Avie diese sich gegen Sauerstoff verhalten.
Die rothen Bacterien können nicht n u r einen viel höheren Gehalt
an HgS e rtrag en , als die Beggiatoen, sondern bedürfen ihn sogar zu
ihrem Gedeihen. 2) Ich b en u tz te zu ih re r mikroskopischen Cultur ziemlich
stark nach H.>S riechendes W asser; etAva .80 Blasen von reinem
H:,,S (aus CaS bereitet) a u f 10 cc Wasser. E in e giftige W irk u n g von sehr
co n cen trirter HaS-Lösimg au f die rothen Bacterien habe ich nicht
beobachten können. Gesättigtes H^S-Wasser, welclies die Beggiatoen
fast momentan tö d te t, scheint jen en g a r nich t schädlich zu sein:
C h r o m a t i u m O k e n i i ein p a a r Tage mit diesem Wasser ausgeAvaschen,
blieb vollkommen gesund u n d bcAvegte sich ganz munter. Ob ein
so hoher H^S-Gehalt a u f die D au e r n ich t schädlich sein k an n , habe
fl) Dass OrganismeB, bei Avelehen Oxydationsjirocesse so überwiegend sind
wie die ScliAvefelbacterien, auf so geringe Sauerstoffspannungen gestimmt seien,
scheint mir ein sehr sonderbarer Fall zu sein. Infolge ihres geringen Sauerstoffbedarfes
sind sie befähigt, in der Tiefe von stark H,S-haltigem Wasser zu
leben und H.,S zu oxydiren, wo er den farblosen Schwefelbacterien nicht zugänglich
sein kanu. Andererseits ist es aber unklar, wie die ihnen zur Ver-
fügung stehende spärliche Menge Sauerstoff zu einer so bedeutenden Oxydations-
thätigkeit, Avie sie ihnen zukommt, ausreichen kanu. Da sie dabei, soviel man
urtheilen kann, nicht weniger Schwefel oxydiren, als die farblosen Schwefelbacterien,
Avclche in sauerstoffreicheron Medien zu leben pflegen, so wird mau
zu der Vermuthung geführt, dass die rothen Bacterien viel begieriger als jene
Sauerstoff aufnehmen und diesen rascher auf den aufgespeicherteu Schrvefel
übertragen. — Unklar bicibt freilich in diesen Verhältnissen noch vieles.
Es ist allgemein zu beobachten, dass, wenn die Flüssigkeit in den Cnltur-
gefässeu schwächer lUS-haltig wird, sofort die rothen Häute immer mehr
zurück treten, bis sie fast verschwunden sind. Dann beginnt die Beggiatoa
sich rasch zu vermehren, überzieht zuerst verschiedene in höheren Schichten
des Wassers befindliche Gegenstände, zieht sich dann immer tiefer zurück, bis
sie den schwarzen Detritus am Boden des Gefässes mit einer dichten Haut
bedeckt; diese Haut erhält sich dann jalirelang, ohne Erneuerung des Wassers,
ohne Zusatz von Gyps u. s. w. In den oberen Schichten der Flüssigkeit ist
dann kein SH,-Geruch mehr erkennbar, da der ganze, aus dem schivarzen
Schlamm sich entwickelnde, IT.,S von der Beggiatoadecke oxydirt wird.
ich nicht weiter untersucht. Wenn man das oben ü b e r die schädliche
E inw irk u n g der L u ft Gesagte in Be tra ch t zieht, so erscheint der H^S
in zweifaclier Hinsicht A'on B ed eu tu n g fü r die rotlien Bacterien;
erstens, wird e r als Nährstoff aufgenommen, zweitens, AAurd die Diffusion
v o n Luft du rch seine Anwesenheit v e rh in d e rt, u n d die Flüssigkeit
bleibt bei genügendem Gelialte vollkommen sauerstofffrei.'
W as die E rn ä h ru n g dieser Organismen m it organischen Substanzen
anbetrifft, so können sie m it ganz geringen Mengen derselben fort-
kommen. Als Culturflüssigkeit gebrauchte ich das Stra ssh u rg e r B ru n n en wasser
g , dem ich 0,0 0 5— 0,01 °/o b u tte rsau ren Kalk zusetzte. Sta tt
dieses gab ich manchmal gleiche Mengen von ameisensaurem Kalk
oder essigsaurem Natron zu. Die B a cterien schienen m ir bei allen
diesen Zusätzen gleich g u t zu Avachsen. Ich p robirte auch bessere
Nährstoffe — Pepton u n d Fle ischextrakt in sehr grösser V e rd ü n n u n g ;
etwa e in p a a r Tropfen einer 1 “/o-Beptonlösung au f 10 cc W asser
oder eine Fleischextraktlösung, die kaum mehr gelblich erschien. Ich
konnte aber absolut keine g ü n stig e W irk u n g dieser Stoffe a u f das
W ach sth um bemerken.
E s bleiben m ir n u n noch die merkAvürdigen Beobachtungen
k u rz zu erAvähnen, welche sich a u f die au sse ro rd en tlich wachsthumbefördernde
W irk u n g von Eisen- u n d Mangansalzen beziehen. Ich
enthalte mich hier jedes Versuches einer E rk lä ru n g dieser m erkw ü rdigen
Thatsache. Setzte ich zu der Culturflüssigkeit ein wenig einer
Lösung von MnCOg in kohlensäurehaltigem Wasser, so Avar ich ü b e r
das ra sch e Waclisthum meiner Bacterien geradezu erstaunt. Die
A ufspeicherung u n d Auflösung von Sclnvefel ging so energisch vor
sich, dass die Massen von rothen Organismen ganz A'on grossen
Gypskrystallen und Drusen durchsetzt w a ren , Avie sie auch überall
im Tropfen in schönster Ausb ild u n g z e rstreu t lagen. Die eingestellten,
seit W o chen b ek an n ten Exemplare, Avelche n u r ausserordentlich träg e
wuchsen, oder zum Theil au f einer bestimmten Entwickelungsstufe
stehen geblieben Avaren, machten in k u rz e r Zeit vor meinen Augen
ih re n En tw ick elu n g sg an g Avieder u n d Avieder durch. E s Avurden
SchAvärmer, schwärmende u n d bewegliche Familien u. s. a v . gebildet,
wovon ich frü h e r nichts ahnte. Die Zellen Avaren strotzend mit In h a lt
fl) Dieses Wasser enthält, nach seiner Oxydirbarkoit mit Chamaeleon-
Lösung zu urtheilen, nur äusserst geringe Spuren von organischer Substanz:
100 000 Theile erfordern nur 0,03 Perniangauat oder 0,008 Sauerstoff; es ist in
dieser Hinsicht also kaum von destillirtem Wasser verschieden.