Von der Ser tular ia diehotoma.
w ir haben bis jetzt von (len drey gröfsern Sertularien unsres Meerbusens
gehandelt, deren Natur es mit sich bringt, dafs das Thier, aus seiner hornigen
Hülle hervorstrebend, diese zersprengt, und sich in nackten, d. h. von keinem
Kelche oder sonstigem Ueberzuge umgebenen Organen offenbart. Nun kommen
wir aber zu andern Sertularien , deren verschiedene Organe von einem bestimmt
geformten, und vom hornigen Skelett gebildeten Kelche geschützt und beherbergt
werden.
Ich beschreibe zuerst Eine, die, obwol sehr klein, und äusserst häufig in
unsrer Bucht, doch durch ihr vollkontmen durchsichtiges Skelett, welches den
ganzen Körper deutlich sehen läfst, merkwürdig genug ist, und an der man,
weil sie nicht sehr zärtlich ist, viele Erscheinungen ihrer Lebensökonomie beobachten
kann. Es ist die S. diehotoma Linne', der Pallas, weil er Subjekte sähe,
deren Stengel einen Fufs lang waren, den Namen longissima beylegt. In unsrer
Bay erhebt sie sich nicht über zwey bis drey Linien von ihrer Wurzel, und da
sie von sehr weisser Farbe ist, so erscheint sie als ein Schimmel, der die Klippen,
Tangarten, und die Grotten oder sonstigen Aufenthaltsorte überzieht. Bemerkenswerth
ist es, dafs diese Sertularie die Sonnenstrahlen nicht so sehr flieht
als ihre Gattungsverwandten, denn man sieht sie sehr häufig an den Mündungen
der Grotten, den Seiten der Klippen und an den Stücken Kork, die an die Seile
des Thunfischfanges beym Capo di Posilippo befestigt sind. Doch kann ich mich
nicht davon überzeugen, was Pecleas sagt : er habe sie oft auf Tellinen gesehen j
diese leben auf dem Lande, und so habe ich ihre Schaalen immer vollkommen
glatt, geschweige denn mit Sertularien bewachsen gesehen. Ellis sähe sie mehrmals,
und bildete sie auf Tab. XXXVIII. No. 3- ab, wo die Figur an sich zyvar
ziemlich natürlich, die Ovarien aber chimärisch gezeichnet sind.
Von einer Wurzel, die als ein feiner Faden an einer Klippe oder Meerespflanze
(z. B. dem fucus vesiculosus Linne', assenzio marino ‘), der Fischer) anklebt,
erhebt sich eine Menge zarter Stämmchen*), welche sich durch eine dichotomia
simplex, verlängern; d. h. ein Stamm schickt, immer' abwechselnd, seine Seitenäste
aus. Gewöhnlich ist sie von äussörst weisser Farbe, nimmt aber bisweilen,
wenn sie auf gewissen Fucis wächst, eine schwefelgelbe Tinte an, wie ich
sie denn in diesem Zustande oft in der Donner-Grotte gefunden habe. Auch,
wenn man sie mit blofsem Auge betrachtet, findet man, an den Enden der Aeste
polypenförfiiige Organe, die sich mit ihren Fühlerkronen bald ausserhalb eines,
sie umgebenden Kelches zeigen, bald darein zurückziehen*). Weiter kann man
an ihnen ohne Loupe nichts wahrnehmen.
Ein Stämmchen dieser Sertularie, das man abschneidet, und im Gefäfse selbst,
auf den holen Gksschieber des Mikroskops bringt, bleibt lebendig, so dafs es
wenige Zeit nachher seine Lebensfunktionen wieder verrichtet. Betrachtet man
es nun hier, so sieht man, wie der walzenförmige Körper des Thieres, von einem,
ebenfalls walzenförmigen, durchsichtigen Gehäuse umschlossen wird; und so wie
jener Körper sich in die verschiedenen Aeste vertheilen will, so bleibt er auch
nicht immer genau in der Axe der Bohre, sondern schlägt sich bald auf diese,
bald auf jene Seite, je nachdem er in diesen oder jenen Ast eintreten soll. Am
Ende eines jeden Astes tritt dann die Röhre vom Körper des Polypen selbst zurück,
und bildet einen röhrenförmigen, am obern Rande etwas gestreiften, Kelch, wie
ungefähr der der Cerinthe major, in dessen Axe dann der Körper, gleichsam als
Pistill sich verlängert, und zu einem polypenförmigen Organe gestaltet.
Das weisse, ungemein durchsichtige Skelett, welches den Körper dieses Polypen
umgiebt, bekleidet ihn indessen nicht ganz genau , indem e r sich nicht nach
verschiedenen Seiten hinbeugen könnte; ich sage damit nicht, dafs es im Zwischenraum
zwischen dem Skelett und dem Körper statt fände, sondern ich verstehe
darunter nur, dafs ersteres eine gewisse Dicke hat, und daher letzterem bey
seinen Beugungen ausweichen kann. Wo ein Ast anfängt sich zu verlängern,
oder in einen Kelch überzugehen, da bekommt das Skelett allezeit eine Anzahl
starker Ringe, deren ich unter einem Kelche 13 gezählt habe.
Der Körper selbst, der von dieser hornigen Scheide eingeschlossen wird,
erscheint in seiner Substanz durchaus körnig, wie die Oberfläche des Sumpfpolypen.
Tn seiner Mitte sieht man eine Flüssigkeit sich bewegen, die, ähnliche
Körner mit sich führend, wirbelartig bald nach unten strömt, bald in die obern
Theile zurücksteigt, und sich durch den ganzen Körper des Polypen, auch bis in
die Köpfe der Schöfslinge ausdehnt, welche, wie wir bald sehen werden, aus der
Mitte, jener Kelche hervorgehen. Sind jene aber in pölypenförmige Organe entwickelt,
so bleibt sie in ihrem Füfse stehen, -woraus man also sieht, dafs in dem
Körper jener Organe, ein, zu andern Verrichtungen bestimmtes, Eingeweide, entstanden
ist. I _ r- -
Dieser Kanal kann nichts anders seyn, als das Herz, das den polypenrormi-
gen Organen natürlich nicht mehr zukommen kann, da diese ihm durch Herbey-
schaffung der Speise dienstbar sind. Merkwürdig ist es aber, dafs in diesem
Herzen jene Körner, die in die Substanz des Körpers selbst überzugehen scheinen,
durch eine, nicht erkennbare Flüssigkeit, umhergetrieben werden ; da doch
bey den mehr zusammengesetzten Thieren eine ganz einförmige Flüssigkeit von
dem Herzen fortbewegt wird. In der That darf uns aber diese Verschiedenheit,
bey so weit aus einander stehenden Thieren nicht Wunder nehmen; und man
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